Die Europäische Union bereitet neue Sanktionen gegen Öltanker der russischen Schattenflotte vor, ohne abzuwarten, welchen Kurs der wieder gewählte Präsident Donald Trump hier am Ende beschreiten wird. Dementsprechend sprach sich die Mehrheit des Europaparlaments jüngst im November für eine weitere Sanktionsverschärfung aus, die sich auch auf ein Komplettimportverbot von fossilen und nuklearen Brennstoffen aus Russland richtet.
Ölsanktionen gegen Russland noch vor Jahresende verabschieden
Wie Medien im November berichteten, arbeitet die Europäische Union an einem neuem Sanktionspaket gegen Öltanker der russischen Schattenflotte, das sie noch vor Jahresende verabschieden will. Das Paket soll voraussichtlich auch Strafen für Einzelpersonen enthalten, die am Ölhandel von Russland beteiligt sind. Über die Einzelheiten der Sanktionen verhandelten die Mitgliedstaaten, die die 27 Mitgliedstaaten einstimmig billigen müssen. In den letzten Monaten seien Sanktionsverhandlungen oftmals am Veto von Ungarn gescheitert.
Mehrere Sanktionsrunden der USA, des Vereinigten Königreichs und der EU richteten sich bereits gegen Dutzende von Tankern sowie gegen Schiffe und Dienste, die zum Transport russischen Rohöls über einer Preisobergrenze von 60 US-Dollar im Einsatz sind. Liegt der Preis für russisches Öl unter dieser Schwelle, ist es westlichen Unternehmen erlaubt, Transport-, Versicherungs- und andere Dienstleistungen anzubieten.
Zudem verhängten die Verbündeten der Ukraine gegen mehrere Unternehmen in Drittländern, die Russland beim Transport seines Rohöls unterstützen, um Moskaus lukrativste Einnahmequelle schmälern. Über die schmälernde Wirkung durch Sanktionen berichtete jüngst der russische Flottenbetreiber Sovcomflot und teilte mit, dass in den ersten neun Monaten sein Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisierungen im Vergleich zum Vorjahr um 31,5 Prozent auf 861 Millionen Dollar eingebrochen sei.
Europa muss Kurs halten
In einem möglichen Szenario könne die US-Administration unter Präsident Donald Trump in Verhandlungen mit Moskau Energiesanktionen als Hebel nutzen und anbieten, um sie im Austausch für einen Waffenstillstand aufzuheben. „In diesem Zusammenhang bietet sich der neuen Europäischen Kommission historische Chance, Führungsstärke zu zeigen, indem sie einen klaren Kurs weg von fossilen Brennstoffen aus Russland vorgibt“, erklärte Energieanalyst Petras Katinas vom Energieforschungszentrum CREA am 15. November. Anfang 2025 übernimmt Polen die EU-Ratspräsidentschaft, die aktuell Sanktionsbremser Ungarn innehat.
„Europa muss Kurs halten und an seiner Verpflichtung festhalten, seine Abhängigkeit von russischen fossilen Brennstoffen zu beenden und die Sanktionen gegen sie aufrechtzuerhalten“, Katinas weiter. Gerade das Ölembargo zeige die Solidarität zur Ukraine. Doch Ausnahmen für Binnenstaaten, die weiterhin russisches Rohöl importieren, erschwerten die Bemühungen, die Abhängigkeit von Moskau zu verringern. Im ersten Halbjahr 2024 hätten Ungarn und die Slowakei ihre russischen Rohölimporte im Vergleich zum Vorjahr nur um 4 Prozent bzw. 3 Prozent reduziert, so dass 1,9 Milliarden Euro nach Russland flossen.
„Um dieses Problem wirksam anzugehen, sollte die neue EU die Umsetzung klarer Richtlinien und fester Fristen für die schrittweise Einstellung der russischen Ölimporte von Binnenmitgliedstaaten in Betracht ziehen“, schlug Katinas vor. Zugleich erreichten raffinierte Ölprodukte aus russischem Rohöl die EU-Küsten häufig über Drittländer. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2024 importierten die EU-Länder 12,3 Millionen Tonnen raffinierter Ölprodukte aus Indien, China und der Türkei. Dabei seien 4,8 Millionen Tonnen Ölprodukte im Wert von 3,6 Milliarden Euro direkt aus russischem Rohöl gewonnen worden.
Umweltrisiko mit Sanktionen bannen
Eine Herausforderung seien bei alledem die oft über 15 Jahre alten Öltanker der Schattenflotte, die außerhalb des maritimen Regulierungsrahmens operierten. Diese Schiffe seien oft nicht hinreichend versichert und riefen in stark befahrenen EU-Meerengen wie Dänemark, Dover und Gibraltar Umweltrisiken auf den Plan. Das Risiko einer ökologischen Katastrophe gebe Anlass zu ernsthaften Bedenken, was ein entschiedenes Vorgehen erfordere. Frühere Sanktionen auf solche Schiffe hätten gezeigt, dass diese ihren Einsatz entweder zurückgefahren oder ganz eingestellt hätten.
Ganz auf dieser Linie verabschiedeten die Abgeordneten des Europaparlaments am 14. November eine Resolution, in der in den nächsten EU-Sanktionspaketen gezieltere Maßnahmen und ein härteres Durchgreifen gegen Russlands Schattenflotte aus rostigen Öltankern fordern. Dies schließt Maßnahmen gegen alle einzelnen Schiffe sowie deren Eigentümer, Betreiber, Manager, Konten, Banken und Versicherungsunternehmen ein und erfordert die systematische Sanktionierung von Schiffen, die ohne bekannte Versicherung durch EU-Gewässer fahren. Hierzu soll die EU ihre Überwachungsmöglichkeiten, insbesondere die Drohnen- und Satellitenüberwachung, verbessern und gezielte Inspektionen auf See durchführen.
LNG-Importe aus Russland durch LNG aus den USA ersetzen
Neue Sanktionen sollen laut Resolution darüber hinaus das komplette Portfolio von Energieimporten aus Russland umfassen, darunter Importe Erdgas per Pipeline, LNG per Schiff und Kernbrennstoffe, die nicht auf der Sanktionsliste der EU stehen. Hierzu passt das Angebot von Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen an Trump in einem Telefonat, die verbliebenen LNG-Importe aus Russland durch LNG aus den USA zu ersetzen. Zwei Fliegen mit einer Klappe lassen sich Medienberichten zufolge damit schlagen.
Zum einen ließen sich Importzölle, die Trump für europäische Unternehmen im Wahlkampf angekündigt hatte, möglicherweise abwenden. Zum anderen wiesen europäische Beamte darauf hin, dass dies eine Lösung für die Abhängigkeit des Kontinents von russischen Energieimporten darstellen könnte. Bezogen auf die LNG-Importmenge aus Russland vom letzten Jahr sind dies 17,8 Milliarden Kubikmeter, die 6,1 Prozent der gesamten Erdgasimporte der EU ausmachten.