Kommt ein Waffenstillstand zwischen Moskau und Kiew zustande, könnten internationale Truppen in die Ukraine geschickt werden. Auch die Bundeswehr. Das deutete Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Dienstag an, als sie von einer „internationalen Präsenz zur Absicherung eines Waffenstillstandes“ sprach. Man werde, alles, was einem künftigen Frieden diene, „von deutscher Seite mit allen Kräften unterstützen“.
Voraussetzung ist, dass ein solcher Deal überhaupt zustande kommt. Erwartet wird, dass der künftige US-Präsident Donald Trump (78) nach seinem Amtsantritt am 20. Januar umgehend auf Verhandlungen zwischen Aggressor Russland und der Ukraine drängen wird. Moskau müsste das Feuer einstellen, Kiew Gebiete abtreten.
Da die Ukraine Sicherheitsgarantien braucht und ein Nato-Beitritt als unwahrscheinlich gilt, könnte eine internationale Truppe ins Spiel kommen. Sie würde auf ukrainischem Boden stationiert sein und ein Abkommen „absichern“. Sprich: Russland davon abhalten, erneut zuzuschlagen.
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Wie gefährlich wäre eine solche Mission? Und wie realistisch ist es, dass EU-Staaten tatsächlich Truppen in die Ukraine schicken? Zwei deutsche Sicherheitsexperten, mit denen BILD sprach, halten eine Bundeswehr-Entsendung für NICHT umsetzbar und warnen die Außenministerin.
Masala: Truppe müsste „im Ernstfall einen umfassenden Krieg gegen Russland“ führen
▶︎ Carlo Masala (54), Professor für internationale Politik an der Bundeswehr-Uni München, erklärt die Anforderungen für eine internationale Ukraine-Mission. „Da allein im Osten und Südosten eine 1200 Kilometer lange Frontlinie existiert“, müssten Soldaten „im zweistelligen Tausenderbereich“ entsendet werden (sprich mehr als 10.000). Dies könnte die Ostflanke der Nato (Polen, Baltikum) schwächen.
Sicherheitsexperte Carlo Masala (54) hält eine Bundeswehr-Entsendung in die Ukraine für nicht umsetzbar
Foto: Jonas Makoschey
Masala macht klar, was bei der Absicherung eines Abkommens zwischen Russland und der Ukraine für die internationalen Soldaten auf dem Spiel stünde: „Diese Truppe müsste ein Mandat bekommen, im Ernstfall einen umfassenden Krieg gegen Russland zu führen. Denn sie muss so ausgerüstet sein, dass sie umfassend gegen Russland vorgehen kann, wenn Moskau beschließt, die Robustheit der Truppe zu testen.“
Das heißt: „Wir reden nicht über etwas schwerer bewaffnete Friedenstruppen. Sondern über europäische Bodentruppen, die alles brauchen: gepanzerte Fahrzeuge, Panzer, Artillerie, Luftunterstützung.“
Der Münchner Professor ist skeptisch, dass EU-Länder wirklich bereit seien, schwer bewaffnete Truppen zu entsenden und das Risiko „umfassender Kriegshandlungen“ einzugehen. Er hält die Idee für „nicht umsetzbar“.
Kreml-Diktator Wladimir Putin hat im Februar 2022 die gesamte Ukraine überfallen. Ob er zu einem Deal mit Trump bereit sein wird, weiß niemand
Foto: VALERY SHARIFULIN/AFP
Jäger: „Europäische Streitkräfte können es nicht“
▶︎ Thomas Jäger (64), Professor für Außenpolitik an der Universität Köln, hält die EU-Länder militärisch für außerstande, Russland abzuschrecken: „Das Problem ist, dass die europäischen Streitkräfte das derzeit nicht können, weder materiell noch personell, noch außerhalb der Nato.“
„Ohne die USA gibt es keine Abschreckung gegen Russland“, sagt Jäger zu BILD. Ob die USA bereit seien, Russland abzuschrecken, werde allein in Washington entschieden. Ratschläge aus der EU hätten keinen Einfluss.
Das Urteil des Experten über die mögliche Bundeswehr-Entsendung in die Ukraine: „Insofern ist es eine Scheindebatte, die manchem zur Profilierung dienen mag, aber keine Substanz hat.“