Die Blitzoffensive der islamistischen Rebellenallianz in Syrien setzt Machthaber Baschar al-Assad immer stärker unter Druck. Nach dem Fall der Millionenstadt Aleppo steht nun eine entscheidende Schlacht um die strategisch wichtige Stadt Homs bevor.
Syrische Regierungstruppen hätten sich aus der Millionenmetropole zurückgezogen, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die mit einem Netz aus Informanten das Kriegsgeschehen im Land verfolgt. Regierungstreue Milizen seien jedoch weiterhin in der drittgrößten Stadt Syriens stationiert.
Soldaten der syrischen Regierung verließen nach Angaben von Aktivisten mittlerweile auch Posten in der Nähe der Hauptstadt Damaskus. Die Regierungstruppen hätten sich aus dem Ort Artuz, etwa 15 Kilometer südwestlich von Damaskus, zurückgezogen, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Sie seien nun etwa zehn Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Das Militär äußerte sich zunächst nicht.
Hassan Abdel Ghani, ein Militärchef der islamistischen Allianz, welche die Offensive im Nordwesten des Landes gestartet hatte, teilte der Nachrichtenagentur AFP am Samstag mit: „Unsere Kräfte haben mit der letzten Phase der Einkreisung der Hauptstadt Damaskus begonnen.“
Rebellen erobern symbolträchtige Stadt Daraa
Zuvor hatte die Regierung nach Angaben von Aktivisten bereits die Kontrolle über die symbolträchtige Stadt Daraa im Süden des Landes sowie den größten Teil der gleichnamigen Provinz verloren. „Lokale Gruppierungen haben die Kontrolle über weitere Gebiete in der Provinz Daraa übernommen, einschließlich der Stadt Daraa“, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am späten Freitagabend mit.
Islamistische Kämpfer und weitere kontrollierten nun „mehr als 90 Prozent der Provinz, da sich die Regimekräfte sukzessive zurückgezogen“ hätten.
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Die Armee in Syrien gab daraufhin am Samstag eine „Neuaufstellung“ ihrer Kräfte in zwei Regionen im Süden des Landes bekannt. In den Provinzen Daraa und Suweida errichteten die Truppen derzeit einen „Sperrbezirk“, nachdem „terroristische Elemente entlegene Kontrollpunkte der Armee angegriffen“ hätten, erklärte der Generalstab der syrischen Armee laut Staatsmedien. Die Regierungstruppen zogen sich aus den Provinzen zurück.
Als Reaktion darauf verstärkte die israelische Armee (IDF) seine Truppen auf den Golanhöhen. „Entsprechend der Lagebeurteilung beruft die IDF zusätzliche Kräfte für Verteidigungsaufgaben in der Region der Golanhöhen an der israelisch-syrischen Grenze ein“, teilte die Armee auf Telegram mit. Angaben zum Umfang der Verstärkungen machte die Armee auch auf Anfrage hin zunächst nicht. Es war bereits die zweite Ankündigung dieser Art binnen 24 Stunden.
Israel stellt sich damit auf einen möglichen Kollaps der syrischen Armee ein. Man beobachte die Entwicklungen und sei „auf alle Szenarien vorbereitet, sowohl offensiv als auch defensiv“, teilte das israelische Militär mit.
Die mit der syrischen Regierung verbündete pro-iranische Hisbollah wiederum entsandte nach eigenen Angaben zu deren Unterstützung 2000 Kämpfer in eine ihrer Hochburgen im Süden Syriens. Wie die Nachrichtenagentur AFP am Samstag aus Hisbollah-nahen Kreisen erfuhr, schickte die Miliz 2000 ihrer Kämpfer in die Gegend von Kusair.
Hat der Iran Assad schon aufgegeben?
Der Iran wies Berichte als falsch zurück, wonach Diplomaten bereits aus Syrien abgezogen worden seien. Die Botschaft in Damaskus werde operativ bleiben und ihre Arbeit wie gewohnt fortsetzen, sagte Außenamtssprecher Ismail Baghai laut Internetportal Iran Nuances.
Die „New York Times“ hatte berichtet, dass iranische Diplomaten und Militärberater Syrien verlassen hätten. Einige seien nach Teheran geflogen, andere auf dem Landweg in den Libanon, in den Irak oder zum syrischen Hafen Latakia gebracht worden. Der Außenamtssprecher hatte letzte Woche gesagt, dass die iranischen Diplomaten und Militärs in Syrien blieben und Staatschef Baschar al-Assad bis zum Ende unterstützten.
Die Aussagen Baghais stießen in Teheran auf Skepsis. Demnach gehen Beobachter davon aus, dass eine Evakuierung der Diplomaten bereits abgeschlossen sei. Erinnert wird dabei an einen Vorfall 1998 in Masar-i-Scharif in Afghanistan. Damals verblieben nach dem Vormarsch der Taliban die iranischen Diplomaten vor Ort. Zehn von ihnen sowie ein iranischer Reporter wurden nach einem Angriff der Taliban von den Islamisten ermordet.
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: (05.12.2024)
In sozialen Medien wird spekuliert, dass der Iran den syrischen Staatschef Al-Assad bereits aufgegeben habe. Der staatliche Nachrichtensender IRIB, das Sprachrohr des iranischen Systems, bezeichnet seit Freitagabend die islamistischen Aufständischen in Syrien nicht mehr als „Terroristen“, sondern als „bewaffnete Widerstandsgruppen“.
Beobachter sehen darin ein erstes Anzeichen, dass der Iran den Sturz Al-Assads bereits einkalkuliert habe und nun versuche, Kontakt zu den Aufständischen aufzunehmen.
Außenminister Abbas Araghtschi äußerte sich eher spirituell zu Al-Assads Schicksal. „Es ist jetzt alles in Gottes Händen“, so der iranische Chefdiplomat in einem Interview mit dem arabischen TV-Sender Al Sharqiya.
Kurdische Milizen starten Offensive im Osten
Zuvor hatten kurdische Milizen auch eine Offensive im Osten des Landes gestartet. Am schnellsten voran stößt jedoch weiterhin die von der islamistischen Gruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS) angeführte Offensive im Norden. Am Freitag waren sie in die Städte Rastan und Talbisseh auf der Strecke zwischen Hama und Homs eingedrungen, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.
Um die islamistischen Kämpfer aufzuhalten, hatten die Assad-Kräfte zuvor Barrieren aus Erde auf der Schnellstraße nördlich von Homs errichtet, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle weiter. Auch russische Kampfjets und Hubschrauber haben offenbar Brücken und Straßen angegriffen, um den Vormarsch zu verlangsamen.
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Bei russischen und syrischen Luftangriffen wurden in der Nähe der syrischen Stadt Homs Aktivisten zufolge am Freitag 20 Zivilisten getötet. Unter den Toten seien fünf Kinder, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit
Angesichts der Kämpfe forderte die US-Regierung ihre Staatsangehörigen auf, Syrien umgehend zu verlassen, solange sie noch mit Flügen kommerzieller Airlines aus Damaskus herauskommen. Die Sicherheitslage in Syrien bleibe volatil und unvorhersehbar, hieß es in einer Warnung auf der Webseite der US-Botschaft in Syrien, die ihren Betrieb vor Ort bereits seit 2012 ausgesetzt hat.
Russland und das syrische Nachbarland Jordanien forderten ihre Bürger ebenfalls zur möglichst schnellen Ausreise auf. Aus Sicherheitsgründen wurde am Freitag bereits einer von zwei Grenzübergängen nach Syrien geschlossen. Die Vereinten Nationen (UN) zogen nicht notwendiges Personal aus Syrien ab.
Erst Aleppo, dann Hama, jetzt Homs?
Eine Woche nach Beginn ihrer Großoffensive in Syrien und nur wenige Tage nach der Eroberung Aleppos hatten die von Islamisten angeführten Milizen am Donnerstag die strategisch wichtige Stadt Hama eingenommen.

Flaggen der Rebellen im eroberten Hama.
© AFP/OMAR HAJ KADOUR
Homs, die drittgrößte Stadt Syriens, liegt etwa eine halbe Autostunde von der Grenze zum Libanon entfernt. Die Kontrolle der Regierung über Homs ist dem US-amerikanischen Institut für Kriegsstudien (ISW) zufolge entscheidend, um weiterhin Lieferungen des Irans an die Hisbollah-Miliz im Libanon zu ermöglichen. Homs bietet Zugang zu mehreren Grenzübergängen in das Nachbarland.
„Wer die Schlacht um Homs gewinnt, wird Syrien regieren“, sagte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel-Rahman, der Deutschen Presse-Agentur. Die Stadt sei von strategischer Bedeutung. Bei einem Erfolg der Rebellen wäre die Verbindung der Hauptstadt Damaskus zu den syrischen Mittelmeerhäfen abgeschnitten. An der Küste liegen zahlreiche Hochburgen der Assad-Familie.
Erstmals hatte sich auch der Rebellenführer Abu Mohammed al-Dschulani im Interview mit einem westlichen Medium über die Lage in Syrien und seine Ziele geäußert. Das Ziel der syrischen Rebellenallianz ist nach seinen Worten der Sturz von Machthaber Assad. Die Iraner und Russen hätten versucht, es wiederzubeleben. „Aber die Wahrheit bleibt: Dieses Regime ist tot“, so der Rebellenanführer.
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Nach vier Jahren verhältnismäßiger Ruhe in Syrien hatten vor einer Woche die islamistische Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS) und mit ihr verbündete Gruppierungen eine Großoffensive im Nordwesten Syriens gestartet.
Den Rebellen gelang es, binnen einer Woche unter anderem die zweitgrößte syrische Stadt Aleppo sowie die strategisch wichtige Stadt Hama einzunehmen. Es sind die intensivsten Kämpfe seit vier Jahren in dem 2011 durch Proteste gegen die Regierung von Machthaber Assad ausgelösten Bürgerkrieg. (mit Agenturen)