Derzeit sind 75 Prozent der Plätze für Österreicher reserviert. Das sei nicht ausreichend, um die medizinische Versorgung sicherzustellen, heißt es in einem vom Ministerium in Auftrag gegebenen Gutachten. Eine Erhöhung der Quote steht im Raum.

Als „jährliches Rolling-Stones-Konzert“ der heimischen Universitäten wird der Aufnahmetest für das Medizinstudium gern bezeichnet. Einmal im Jahr pilgern mehr als 11.900 Interessenten (darunter auch viele aus Deutschland) in die Messehallen des Landes und stellen sich dem Eignungsverfahren für das Studium. Nicht einmal jeder Sechste wird dabei aufgenommen. Der Großteil der Plätze ist für Österreicher reserviert. Nun hat das Wissenschaftsministerium ein Rechtsgutachten zu einer Neuregelung des Universitätszugangs eingeholt. Das Ergebnis: Die Österreicher-Quote beim Medizinstudium könnte erhöht werden. Rechtlich sei das möglich.

Derzeit werden jährlich 1900 Plätze vergeben. Bis 2028 sollen es 2000 sein. Zunächst erhalten diejenigen Bewerber mit österreichischem Maturazeugnis, die die besten Testergebnisse erzielen, 75 Prozent der Plätze. Um die nächsten 20 Prozent der Plätze rittern noch nicht zugelassene Österreicher mit Bewerbern aus der EU (also großteils aus Deutschland). Die letzten fünf Prozent der Plätze stehen allen offen.

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Es zeichne sich nun allerdings ab, dass diese 75-Prozent-Quote „nicht ausreichend sein wird, um die medizinische Versorgung in Österreich sicherzustellen“, heißt es in dem Rechtsgutachten von Franz Leidenmühler, dem Vorstand des Instituts für Europarecht an der JKU Linz. Schon bisher argumentierte Österreich die Notwendigkeit einer Inländerquote mit dem erforderlichen Schutz des heimischen Gesundheitssystems. Ein ungebremster Studentenandrang aus dem zehnmal so bevölkerungsstarken Deutschland sei nicht verkraftbar. Vor allem deshalb nicht, weil die sogenannten Numerus-clausus-Flüchtlinge in Österreich häufig nur ihre (teure) medizinische Ausbildung genießen und danach wieder in die Heimat zurückziehen. Hierzulande würden diese Mediziner fehlen. Im Bereich Humanmedizin akzeptiert die Kommission diese Argumentation. Im Bereich der Zahnmedizin wurde die Quote im Jahr 2019 allerdings gekippt.

Erst in der Vorwoche zeigte eine Spezialanalyse der „Eurograduate“-Studie, dass ungefähr ein Zehntel der Medizinabsolventen ein bis zwei Jahre nach dem Studienabschluss in Österreich in einem anderen Land leben. Wobei die Österreicher selbst meist hier bleiben (95 Prozent). Doch rund zwei Drittel der Deutschen kehren kurz nach dem Studium zurück in die Heimat. Von den Absolventen aus den anderen EU- und aus Drittstaaten trifft das auf knapp die Hälfte zu.

Oft sprechen für den Wegzug sehr persönliche Gründe. Zwei Drittel jener, die Österreich verlassen haben, haben dafür familiäre oder partnerschaftliche Motive. Für ähnlich viele spielen aber auch die beruflichen beziehungsweise ausbildungstechnischen Möglichkeiten im Ausland eine Rolle. Die Aussicht auf ein höheres Einkommen im Ausland ist hingegen nur für ein knappes Drittel ausschlaggebend. Generell sind die Medizinabsolventen, die im Ausland leben, zufriedener mit ihrer Arbeit (Arbeitszeiten, -bedingungen, Einkommen usw.) als in Österreich Gebliebene. Manche Auswanderer könnte man dementsprechend womöglich mit verbesserten Rahmenbedingungen halten. Viele aber auch nicht.

Rückkehr der Quote für Zahnmedizin

Insofern versucht Österreich, die Zahl der Medizinstudierenden aus dem Ausland per se zu begrenzen. Unionsrechtlich ist das nicht allzu einfach. Österreich hat sich in der Vergangenheit damit bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingehandelt. Deshalb sucht das Rechtsgutachten auch Möglichkeiten, „auf unionsrechtlich zulässige Weise sicherzustellen, dass genügend Absolventinnen und Absolventen ihre berufliche Tätigkeit in Österreich aufnehmen“.

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Das Drehen an der Quotenschraube ist da­bei eine Option. Es sei davon auszugehen, dass „auch eine höhere Quote (z. B. von 80 Prozent) vor dem Europäischen Gerichtshof Bestand haben würde“, heißt es im Gutachten. Theoretisch wäre sogar eine 100-Prozent-Österreicher-Quote möglich, „sofern dies gemäß den Vorgaben des EUGH hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit und auf Basis validen Zahlenmaterials gerechtfertigt werden kann“.

Beim Zahnmedizinstudium konnte Österreich das zuletzt nicht mehr ausreichend argumentieren. Nach Einschätzung des Ministeriums hat sich das aber offenbar geändert. Es gebe, wie es im Gutachten heißt, „mittlerweile hinreichend valides Datenmaterial, wonach eine Quotenregelung für die Aufrechterhaltung der zahnmedizinischen Versorgung in Österreich weiterhin bzw. wieder erforderlich ist“. Die Quote könnte sogar auf weitere Studien ausgedehnt werde. Als Beispiel dafür wird im Gutachten des neue Masterstudium der Psychotherapie genannt.

Verpflichtung zur Arbeit in Österreich

Ob nun tatsächlich geplant ist, die Quote nach oben zu schrauben und auch in anderen Fächern einzuführen, wollte das derzeit (noch) von der ÖVP geführte Wissenschaftsministerium auf Anfrage der „Presse“ nicht beantworten. Man befasse sich selbstverständlich „proaktiv mit der Frage einer bestmöglichen und langfristigen Absicherung der ärztlichen Versorgung, insbesondere in Hinblick auf die Ausbildungssituation“ und prüfe „alle diesbezüglichen Möglichkeiten“. Allerdings sei „eine finale Entscheidung über die weitere Vorgangsweise natürlich der nächsten Bundesregierung vorbehalten“.

Das Gutachten liefert auch andere Möglichkeiten abseits einer Verschärfung der bestehenden Quotenregelung. So sei eine Verpflichtung zur Berufstätigkeit im Inland ein „vielversprechendes Modell“. Eine solche hatte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) einst auch bei seiner Rede „Zur Zukunft der Nation“ im Jahr 2023 ins Spiel gebracht. Medizinstudenten sollten dabei dazu verpflichtet werden, nach Abschluss der Ausbildung eine gewisse Zeit im österreichischen Gesundheitssystem zu arbeiten. Sollten sie das nicht machen, müssten sie einen Teil der Ausbildungskosten zurückzahlen.

Schon jetzt gibt es gewidmete Studienplätze. Heuer waren 85 Plätze für Studenten reserviert, die sich bereit erklärten, nach dem Studium einige Jahre in einem bestimmten Bundesland oder etwa für das österreichische Bundesheer zu arbeiten.

Ein „gelinderes Mittel“, dafür zu sorgen, dass Absolventen auch in Österreich arbeiten, wären Anreizsysteme. Sowohl Stipendien- und Studiengebührensysteme als auch Kreditmodelle seien dazu laut Gutachten geeignet. Daraus könnten jene Absolventen, die auch in Österreich arbeiten, einen finanziellen Vorteil ziehen.

Med-Uni gegen höhere Quote

Von einem Drehen an der Quotenschraube hält man an der größten Medizin-Universität des Landes, der Med-Uni Wien, wenig. Die derzeitige Regelung sei, wie es auf Anfrage der „Presse“ heißt, „ausreichend, um eine entsprechende Anzahl an Absolventen für die medizinische Versorgung in Österreich sicherzustellen“. Es gehe nicht um die Zahl der Absolventen, sondern darum, ihre Abwanderung zu verhindern. Dazu würden vor allem die Wartezeiten in der postgraduellen Ausbildung sowie die Einengung von Ausbildungsschlüsseln in der Facharztausbildung führen. Zumindest eine Wiedereinführung der Quote im Bereich der Zahnmedizin wünscht man sich aber auch an der Med-Uni Wien.

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