Irgendwo im Nirgendwo dreht die Vendée Globe auf. Das Führungstrio der Vendée Globe ist auf Rekordjagd und Boris Herrmann packt sich auf die Seite. Nach einem unkontrollierten Manöver kann der Hamburger die Malizia Seaexplorer aber unter Kontrolle bringen und das Rennen unbeschadet fortsetzen.
Währenddessen jagen Charlie Dalin (Macif), Yoann Richomme (Paprec Arkea) und Sébastien Simon (Groupe Dubreuil) im Southern Ocean dem Kap Hoorn entgegen, haben Point Nemo, den entlegensten Punkt der Welt, passiert und sind inzwischen über 900 Seemeilen der Rekord-Referenzzeit von Armel le Cleac’h aus 2016 voraus.
Kurz vor Weihnachten hat der Kampf um den Sieg der Vendée Globe weiter an Dynamik gewonnen. Der Hochdruckrücken, der bisher die führenden drei von einem acht Yachten starken Verfolgerfeld getrennt hatte, hat sich in den Norden verzogen, so dass alle elf nun auf der gleichen Luftmasse eines sich ausbildenden Tiefs sitzen.
Doch die ganz großen Hoffnungen der Jägertruppe um Thomas Ruyant (Vulnerable), zu der auch Boris Herrmann mit seiner Malizia Seaexplorer aufschließen konnte, haben sich nicht erfüllt. Die Top 3 waren nicht in das Zwischenhoch abgerutscht und konnten so den Abstand halten. Über 1000 Seemeilen liegt Ruyant inzwischen hinter Spitzenreiter Dalin. Boris Herrmann ist weitere 200 Seemeilen zurück.
Der Hamburger hatte in den frühen Morgenstunden einen Schreckmoment zu überstehen. Er saß in seinem Cockpit-Sitz, als die Yacht in eine Welle eintauchte und komplett aus dem Ruder lief. Mast und Segel lagen auf dem Wasser und schließlich machte die Malizia eine ungewollte Wende. Herrmann versuchte mit Handsteuerung die Yacht unter Kontrolle zu bringen. Das Problem: Der Canting Keel stand nach der Wende auf der falschen Seite. Aber schließlich gelang es ihm doch, mit einer Halse wieder auf den Kurs zurückzukommen, alles zu sichern und das Rennen mit einem Schreck, aber ohne Schäden fortzusetzen.
Alles wieder im Lot, Herrmann ist froh © Boris Herrmann
Ein Neustart des Rennens mitten im Pazifik, wie er aufgrund der Wettersituation zwischenzeitlich möglich schien, ist indes ausgeblieben. Und es sieht auch nicht so aus, als wenn sich daran bis Kap Hoorn etwas Entscheidendes ändern wird. Hier geht es direkt zum Vendée Globe Race Tracker.
Das frische Tief trägt die elf Foiler bis Weihnachten oder kurz danach an die Südspitze Südamerikas. Während Dalin und Richomme auf der Vorderseite des Systems in wahrscheinlich besten Bedingungen fliegen werden, müssen sich die Verfolger mit deutlich aufgewühlterer See rumschlagen – wie Boris Herrmann schmerzlich erfahren hat.
Mit gebrochenem Flügel an die Spitze
Für Sébastien Simon wird es in den kommenden Tagen schwer werden, das Tempo von Dalin und Richomme zu halten. Vor fast zwei Wochen hatte der 34-Jährige sein Steuerbord-Foil verloren, nachdem er über mehrere Tage im harten Sturm und schwerer See gesegelt war. Aber auch ohne seinen Unterwasser-Flügel hielt sich Simon erstaunlich stark im Rennen.
Boris Herrmann hatte erwartet, dass der Skipper der Groupe Dubreuil bald zurückfallen würde und die Vendée nicht mehr in den Top 10 abschließen kann. Doch die Wetterlage meinte es bisher gut mit dem jungen Franzosen. Statt der erwarteten Winde von Backbord kam die Brise von rechts. Und das auch noch vergleichsweise milde. So surfte Simon wieder an Richomme und Dalin heran, übernahm trotz gebrochenem Flügel kurzzeitig sogar die Führung.
Starkes Rennen von Sébastien Simon © Sébastien Simon
Aber dieses Bild ändert sich nun. Der Kern des Tiefs sitzt südlich der Flotte. Damit kommt der Wind für die Top 3 entweder platt von achtern oder raum von Backbord. Die Konsequenz: Es werden einige Halsen anstehen, und die längsten Passagen werden mit Steuerbordbug gesegelt. Genau dort fehlt Simon das Foil, und in den Manövern hat er mehr Arbeit, da er für den Trimm im Cockpit mehr Ballast auf die Seiten wuchten muss.
Dalin zurück bei 100 Prozent
Während Simon schon 250 Seemeilen verloren hat, fahren Dalin und Richomme wie entfesselt. Der Macif von Dalin waren vor allem im Atlantik Vorteile bescheinigt worden. Im Southern Ocean galten dagegen die Downwind-Rakete von Richomme oder Thomas Ruyant als bevorteilt. Doch Ruyant hatte sich beim Strategie-Poker vom Übergang aus dem Indischen in den Pazifischen Ocean verspielt und Hunderte Meilen in der Flaute verloren.
Die Downwind-Rakete von Yoann Richomme machte im Pazifik Tempo © Eloi Stichelbaut
Und Richomme erlebt derzeit ein Auf und Ab. Nach Neuseeland flog er an Dalin heran. Nahe der Eisgrenze übernahm er die Spitze. Nur wenige hundert Meter voneinander getrennt rauschten die beiden Yachten parallel entlang der Exclusion Zone.
Doch dann konterte der Langzeit-Führende, setzte sich wieder leicht ab. Den Grund, warum Dalin über Tage verloren hatte, offenbarte das Macif-Team erst nachträglich.