Der 24-jährige Freiburger wurde vom Verbandschef bereits 2022 als grösstes Schweizer Abfahrtstalent betitelt, benötigte aber seine Zeit, um nun in Bormio den Beweis anzutreten. Teamkollege Franjo von Allmen sorgt für den dritten Schweizer Doppelsieg in der dritten Abfahrt der Saison.

Bild: Marco Trovati / AP
Walter Reusser ist nicht der Mann der grossen Sprüche. Wenn der CEO von Swiss Ski also sagt, es sei nicht die Frage ob, sondern nur wann Alexis Monney seine erste Weltcupabfahrt gewinne, dann sind das bedeutungsvolle Worte. So von sich gegeben im Dezember 2022 im «Blick» bei der Einschätzung des Potenzials des Freiburgers aus Châtel-Saint-Denis.
Der Junioren-Weltmeister von 2020 in der Abfahrt startete also mit gehörig Vorschusslorbeeren in den Weltcup. Doch der mit einem feinen Humor gesegnete Athlet benötigte seine Zeit, um diesen gerecht zu werden. Bis gestern standen gerade mal zwei Resultate in den Top 10 – im vergangenen Winter in Kitzbühel (8.) und vor zwei Jahren in Wengen (10.) – in seinem Erfolgsbuch,
Monney erklärt, der Support der Verbandsverantwortlichen habe ihm zwar beim Einstieg in den Weltcup geholfen, selbst auch daran zu glauben, dass gute Resultate möglich seien. Der 24-Jährige sagt aber auch, im letzten Winter habe er sich dann zu viel Druck gemacht. Er bezeichnet diese Phase als Lernprozess und war nicht unglücklich darüber, dass ihn Fahrer wie Franjo von Allmen etwas aus dem Scheinwerferlicht verdrängten.
Ein dickes Lob von Teamleader Marco Odermatt
Auch die Rolle von Marco Odermatt im Team würdigt der Sieger auf der Olympiastrecke von 2026. Dieser nehme durch seine phänomenalen Leistungen viel Last von den Schultern der Jungen. «Wir haben definitiv weniger Druck, als wenn es ihn nicht geben würde.»
Seinen Premierensieg bezeichnete Monney als «verrückt». Er hätte nicht geglaubt, dass diese Fahrt dazu reichen würde. «Es lief unterwegs fast zu einfach. Als ich ins Ziel fuhr, war mein erster Gedanke, dass ich wohl zu wenig riskiert habe.»
Marco Odermatt hingegen lobte genau diese Fahrweise: «Alexis zeigte eine saubere und ruhige Fahrt, stand zentral über dem Ski. Es sah bei ihm aus wie auf Schienen.» Die beiden Skirennfahrer verbindet nicht nur die langjährige Zusammenarbeit mit der Schweizer Skimarke Stöckli. Wie Odermatt wurde auch Alexis Monney in Jugendjahren von seinem Vater, einem Club- und Verbandstrainer im alpinen Skisport, trainiert.
Reif war nicht nur Monneys Leistung auf der Strecke, sondern auch die Art und Weise, wie er seinen Siegeslauf vorbereitete. Er habe seinen eigenen Plan im Kopf gehabt und diesen umgesetzt. Deshalb verzichtete er auch darauf, die Fahrten der vor ihm gestarteten Schweizer am TV zu verfolgen.
Begeistert vom Sieg Monneys war auch sein Westschweizer Teamkollege Justin Murisier. Er beschreibt den Freiburger als tollen Typen mit einem feinen Sinn für Ironie. «Ich mag ihn wirklich», sagte Murisier, der das Rennen als Sechster beendete und so für die eindrückliche Schweizer Bilanz mit sechs Fahrern unter den besten 12 mitverantwortlich war.
Monney und von Allmen gingen angeschlagen ins Rennen
Noch erstaunlicher macht diesen Premierensieg die Tatsache, dass Alexis Monney seit seiner harten Landung im Training vom Donnerstag beim San-Pietro-Sprung über Schmerzen an der Ferse klagt und das Rennen nur dank Schmerztabletten bestreiten konnte.
Die Fussschmerzen teilte er sich im übrigen mit Team- und Podestkollege Franjo von Allmen. Auch dem Berner Oberländer wurde die Landung beim San Pietro im ersten Training zum Verhängnis. Er spürte am Freitag noch starke Schmerzen, fand aber fürs Rennen dank der Arbeit der medizinischen Abteilung wieder die Zuversicht.
Franjo von Allmen sah wie bereits in Val Gardena lange wie der Sieger aus. Vor allem, als ihn Marco Odermatt mit der Startnummer 15 diesmal nicht von der Spitze zu verdrängen vermochte. Trotzdem sagt der 23-Jährige nach der Fahrt von Alexis Monney mit Startnummer 19: «Ich habe nie damit gerechnet, dass meine Leistung für den Sieg reicht. Aber klar gab es nach der Fahrt von Marco diesen Hoffnungsschimmer. Ich bin aber total happy mit dem zweiten Rang. Ich habe hier in Bormio kein Podest erwartet. Und Alexis mag ich den Sieg von Herzen gönnen.»
Der Airbag verhindert Schweizer Dreifach-Sieg
Ebenfalls schnell unterwegs war Marco Odermatt, bis es ihm nach der Hälfte der Strecke den Innenski verschlug und dieser anschliessend im aggressiven Schnee förmlich stecken blieb. Odi rettete sich bei Höchsttempo akrobatisch auf beinahe wundersame Weise. In diesem Moment öffnete sich bei ihm der Airbag.
Mit dieser Art «Fallschirm» am Rücken war nicht mehr an einen Sieg zu denken. «Natürlich kann man sagen, dass die acht Hundertstelsekunden, die für einen Schweizer Dreifach-Sieg fehlten, schnell beim offenen Airbag zu finden sind. Aber man muss ebenso klar sagen, dass der Airbag in dieser Situation auslösen muss. Es war alles andere als eine natürliche Bewegung.»
Der Nidwaldner betonte, dass in den allermeisten Fällen der Fahrer in einer solchen Situation in den Netzen lande. Der Weltcupleader war also primär froh, heil unten angekommen zu sein. «Nach einem solchen Vorfall muss man definitiv nicht über Hundertstelsekunden diskutieren.»
Das Schicksal von Sturzopfer Sarrazin bewegt
Ein Thema schwebte auch am Samstag wie ein grauer Schleier über dem Rennen: Das Schicksal von Sturzopfer Cyprien Sarrazin. Der französische Vorjahressieger von Bormio musste am Freitagabend aufgrund seiner Hirnblutung notoperiert werden. Am Samstag vermeldete der französische Verband zwar, dass der Eingriff erfolgreich war. Dass man Sarrazin jedoch vorerst im künstlichen Koma behalten musste, unterstreicht die Schwere der Sturzverletzungen.
Franjo von Allmen sagte zur Frage, wie weit ihn dieser Horrorsturz beschäftige, man müsse so etwas ausblenden können, «ansonsten wird es auch für mich gefährlich». Justin Murisier erklärte, er habe wegen den Gedanken an dieses Ereignis im ersten Streckenabschnitt definitiv zu viel Vorsicht walten lassen.
Besonders deutlich grenzte sich Marco Kohler ab. Der Gymi-Kollege von Marco Odermatt erlitt in seiner noch jungen Karriere bei schweren Stürzen zweimal einen Kreuzbandriss – den zweiten vor weniger als 12 Monaten in Wengen. Er habe bewusst keine Medien konsumiert und auch nicht hingehört, wenn Teamkollegen Informationen über Sarrazins Gesundheitszustand weitergaben.
Selbst war der Meiringer sehr glücklich über seinen neunten Rang – das zweitbeste Resultat seiner Karriere. So komisch es erscheinen möge, aber er habe auf einer Strecke wie Bormio, «wo ich vom Ski eine klare Rückmeldung bekomme» mehr Vertrauen als etwa in Val Gardena. Nun freut er sich darauf, «in Wengen mit dem Lauberhorn meinen Frieden zu schliessen».
Eine Hiobsbotschaft trübt Schweizer Festlaune
Aber auch dem Schweizer Team wurde in Bormio vor Augen geführt, wie nahe Triumph und Elend im Skisport zusammenliegen können. Die Hiobsbotschaft erreichte die jubelnden Fahrer unmittelbar nach dem Rennen aus der Schweiz: Der Toggenburger Josua Mettler zog sich bei seinem Sturz an der «Sarrazin-Stelle» im Freitagstraining doch schwerwiegende Verletzungen zu, obwohl er nach seinem Sturz noch auf den eigenen Skis ins Ziel gefahren war.
Die Abklärungen an der Klinik Hirslanden in Zürich haben eine identische Verletzung an beiden Kniegelenken ergeben. Der 26-jährige riss sich jeweils das vordere Kreuzband, das Innenband und den Meniskus. «Eine Operation beider Kniegelenke ist für nächste Woche geplant», sagte Teamarzt Walter O. Frey. Für Mettler ist die Saison also definitiv gelaufen.
Bild: Marco Trovati / AP
Gabriele Facciotti / AP
Der Liveticker des Rennens: