Mit der EU-Ratspräsidentschaft Polens will das Land die Sicherheit Europas stärken. Doch die Mission könnte durch innenpolitische Konflikte überlagert werden.
Der Name ist Programm: “Es geht um Sicherheit, Europa!”, lautet das Motto, unter dem die Ratspräsidentschaft Polens in der EU steht. Gleich sieben Säulen hat die Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk dafür aufgestellt. Dazu gehört unter anderem die Stärkung der Verteidigung, aber auch die Sicherung von Grenzen, die Abwehr gegen Desinformation und auch die Sicherung der Freiheit von Unternehmen.
Für die polnische Regierung wirkt der Zeitpunkt, an dem sie die sechsmonatige Ratspräsidentschaft übernimmt, auf den ersten Blick günstig: Die Stärkung der eigenen Verteidigung und des Militärs wird schon seit Längerem vorangetrieben.
Die Regierungen in Berlin und Paris – die gemeinhin auch als “Motor Europas” gelten – erweisen sich zudem aktuell als kaum handlungsfähig: In Deutschland wird im Februar ein neues Parlament nach dem Bruch der Ampelkoalition gewählt. In Frankreich ist nach der jüngsten Wahl das Parlament so zersplittert, dass auf absehbare Zeit keine arbeitsfähige Regierung mehr möglich erscheint.
Polen könnte sich dadurch in den kommenden sechs Monaten als verlässlicher Ansprechpartner in Stellung bringen, vor allem für die neue US-Regierung von Donald Trump. Denn aus Sicht des kommenden US-Präsidenten, der immer wieder auf höhere Verteidigungsausgaben der übrigen Nato-Länder pocht, dürfte sich Polen mustergültig verhalten: Die eigene Sicherheits- und Verteidigungspolitik konnte das Land in den vergangenen Jahren deutlich stärken.
Ob das allerdings in den kommenden Monaten auch auf europäischer Ebene gelingt, bleibt fraglich. Denn vor allem die Präsidentschaftswahl im Mai könnte das Projekt von Tusks Regierung überlagern.
Aktuell investiert kein Nato-Staat mehr in seine Verteidigung als Polen: Während das Verteidigungsbündnis vorgibt, dass jeder Staat zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in seine Sicherheit investieren soll, gibt Polen laut aktuellen Schätzungen 4,12 Prozent aus. Polen hat dafür unter anderem große Rüstungsdeals für neue Kampfjets, Panzer oder Kampfdrohnen geschlossen. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Wert bei 2,12 Prozent.
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An dem Fokus auf Sicherheit und Verteidigung änderte auch ein zwischenzeitlicher Regierungswechsel in Polen nichts: Sowohl der EU-freundliche Tusk als auch sein rechtspopulistischer, europakritischer Vorgänger Mateusz Morawiecki hatten nicht nur den Ausbau ihres Militärs vorangetrieben, sondern sich auch als entschiedene Unterstützer der Ukraine nach Beginn der russischen Vollinvasion präsentiert.
Noch vor den USA und Deutschland war Polen etwa das erste Land, das der Ukraine Kampfpanzer geliefert hatte. Denn der Krieg dürfe nicht isoliert betrachtet werden, warnte der polnische Botschafter in Deutschland, Dariusz Pawłoś, schon 2023 im Gespräch mit t-online: “Die Ukraine kämpft nicht nur für die eigene Unabhängigkeit, sondern für die Werte, die wir in der Europäischen Gemeinschaft vertreten.”
Diesen Pfad möchte die polnische Regierung auf EU-Ebene fortsetzen: Eine der ersten Maßnahmen könnte etwa ein neues Sanktionspaket sein, das die EU gegen Russland verhängt. Laut Diplomaten soll es kurz vor dem dritten Jahrestag der russischen Vollinvasion am 24. Februar beschlossen werden. Zudem wirbt Polens Regierung in Brüssel für weitere Unterstützung bei dem Projekt “East Shield”, mit dem Polen seinen Grenzschutz nach Belarus und zur russischen Exklave Kaliningrad weiter stärken will.
Doch wie genau soll die europäische Sicherheit durch die polnische Ratspräsidentschaft gesteigert werden? Das Land, das den Ratsvorsitz innehat, ist sechs Monate lang dafür zuständig, dass Regierungsmitglieder der EU-Staaten Rechtsvorschriften verhandeln, die dann für den gesamten EU-Raum gelten. Dafür tritt Polen als eine Art Gastgeber auf, organisiert etwa entsprechende Sitzungen und kann dabei auch die thematischen Schwerpunkte setzen. Turnusmäßig wechselt die Ratspräsidentschaft dabei alle sechs Monate, sodass jeder EU-Staat regelmäßig an der Reihe ist.