Mit 89 Euro ist dabei, wer sich per Kapuzenpulli als Fan des Kanzlerkandidaten outen will: Für diesen Preis gibt es im Fanshop der Grünen den „Organic Relaxed Hoodie“ zu kaufen. Die Aufschrift: „Team Robert“.

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Volksnah ist der Preis eher nicht. Bei der SPD wären für den „Olaf Scholz Hoodie“ nur 42,90 Euro fällig. Das „Sweatshirt Team Merz“ ist sogar schon für 25 Euro zu haben. Aber auch bei den Grünen gibt es günstigere Alternativen. Der „Team Robert“-Teddy mit „samtig-weichem Plüschfell“ kostet nur 17,49 Euro. „Ob als Kuscheltier, bester Freund oder treuer Bettbewacher – der niedliche Kuschelteddy mit T-Shirt empfängt große und kleine Schmusebären mit offenen Armen“, heißt es in der Artikelbeschreibung.

89

Euro kostet der Habeck-Hoodie

Schmusestimmung im Team Robert: Bei den Grünen läuft ein Personality-Wahlkampf, wie es gerade für diese einst so basisdemokratisch gestartete Partei lange unvorstellbar gewesen wäre.

Der Parteitag in Wiesbaden, auf dem Habeck im November zum Kanzlerkandidaten gewählt wurde, geriet zur Krönungsmesse, Inhalte fanden nur am Rande statt. Habeck schilderte in seiner Rede, wie er im Sommer mit sich gerungen und über einen Rückzug aus der Politik nachgedacht habe. Seine Botschaft richtete sich nach dem Desaster rund ums Heizungsgesetz vor allem an die eigenen Leute: Ich habe mich und meine Fehler reflektiert, nun stehe ich hier und will alles für Euch geben.

„Verkommenes Schandmaul“

Die Grünen haben die Offerte dankbar angenommen und schneiden ihre Kampagne ganz auf den Kandidaten zu. Kein Wunder, trifft er persönlich doch in Umfragen auf deutlich mehr Zustimmung als seine Partei. Der Wahlkampf startete mit Küchentisch-Videos, Habeck im Gespräch mit echten Menschen. Was die einen als nahbar und authentisch lobten, kam bei anderen an wie Polit-Kitsch ohne erkennbares Programm.

Damit macht sich Habeck viele Fans. Im sozialen Netzwerk X nimmt das Phänomen gewaltige Ausmaße an – es sind aber auch krasse Schattenseiten zu erleben.

Da gibt es zum einen die Habeck-Anhänger, die die Regeln des demokratischen Anstands wahren. Sie senden begeisterte Botschaften in die Welt. Habeck nachdenklich, Habeck zupackend, Habecks beste Zitate, Habeck-Fotos von vorn und von der Seite: Diese Postings fluten derzeit so manche Timeline, oft großzügig garniert mit Emojis und versehen mit verschiedensten Hashtags, von „Habeck4Kanzler“ bis „Habeck2025“.

Der niedliche Kuschelteddy mit T-Shirt empfängt große und kleine Schmusebären mit offenen Armen.

Aus der Artikelbeschreibung des offiziellen Habeck-Wahlkampfteddys

Am Freitagmittag wurde das neue „Spiegel“-Cover veröffentlicht. Ein schmeichelhaftes Habeck-Porträtfoto, so wie es sich für einen Magazin-Titel gehört, dazu das Zitat: „Finger weg von unserer Demokratie, Herr Musk!“

Kaum war die Titelseite in der Welt, lief die Maschinerie an: Von oben bis unten in der Parteihierarchie wurde das Cover verbreitet. „Haltung!“, postete zum Beispiel die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge samt Link zum Heft. Und auch in der grünen Parteizentrale war man offenbar zufrieden: „Ab morgen auch an deinem Kiosk“, mit dieser Info wurde die Ausgabe beworben.

So sehen die Umfragedaten aus

Der Kanzlerkandidat Robert Habeck kommt bei den Menschen in Deutschland deutlich besser an als seine Partei: Die Grünen stehen in Umfragen bei 12 bis 14 Prozent, dabei tut sich seit Wochen recht wenig. Doch die Forschungsgruppe Wahlen hat Ende Dezember einen direkten Vergleich zwischen Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz und Habeck bei den Wahlberechtigten abgefragt. Im Ergebnis lag Merz nur mit überschaubarem Vorsprung vorn: 48 Prozent der Befragten sprachen sich für ihn aus, 39 Prozent für Habeck.

Von einer ähnlichen Unterstützung etwa für Friedrich Merz oder Olaf Scholz ist auf X nichts zu sehen. Nur Habeck bewegt auf diese Art die Herzen. Doch der Hype hat eine für den Kandidaten weit weniger vorteilhafte Seite.

Denn einige derer, die als seine Fans auftreten, agieren fernab einer fairen demokratischen Debatte. „Halt doch endlich dein verkommenes Schandmaul“: So antwortete die Inhaberin eines Accounts, die sich als Fan des „TeamHabeck“ präsentiert, im Dezember auf ein Posting eines CDU-Mitglieds.

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„Sind Sie eigentlich volltrunken? Sie jämmerlicher Versager“, das postete die Inhaberin eines anderen Accounts an die Adresse des Ex-Finanzministers Christian Lindner (FDP). Auch hier ist im Profil der Hashtag „TeamHabeck“ zu finden, garniert mit vier grünen Herzen. Der Inhaber eines weiteren Accounts, der regelmäßig seine Habeck-Unterstützung bekundet, postete am Silvestertag eine Fotomontage des CDU-Generalsekretärs Carsten Linnemann, die diesen als Goebbels-Widergänger verunglimpfte.

Entgleisungen und Beleidigungen

Ob die Menschen dahinter Parteimitglieder sind, ist nicht in jedem Fall klar. Mehr als Einzelbeispiele sind solche Postings aber. Rabiate Habeck-Fans oder womöglich auch Menschen, die sich als solche ausgeben, posten Entgleisungen und Beleidigungen, wie sie bisher von den Grünen in den sozialen Netzwerken kaum zu lesen waren.

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Hetze und Trollerei im Netz, das sind normalerweise keine Probleme, die mit den Grünen in Verbindung gebracht werden. Bekannt ist, dass die in Teilen rechtsextreme AfD in den sozialen Netzwerken massive Stimmungsmache betreibt, bekannt ist auch, dass russische Trollarmeen systematisch Propaganda und Fake News verbreiten.

Für den Bundestagswahlkampf ist Habeck auf Elon Musks Plattform X zurückgekehrt, trotz aller Bedenken, was aus dieser geworden ist. Nun müssen sich auch die Grünen fragen, ob bei jenen, die sich Habeck ins Kanzleramt wünschen, etwas außer Kontrolle gerät.

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An diesem Montag aber setzt Habeck die Botschaften. Die Grünen laden zum bundesweiten Wahlkampfauftakt nach Lübeck. Dann kann der Kanzlerkandidat wieder selbst bestimmen, in welchem Tonfall für ihn geworben wird.