Hand aufs Herz: Sind Sie empört oder genervt wegen der Attacken eines US-Milliardärs auf die deutsche Demokratie? Oder ist es Ihnen – was schlimmer wäre – gleichgültig? Jedenfalls nähert sich das Maß der Einmischung von Tesla-Chef Elon Musk in die deutsche Innenpolitik einem Grenzwert. Das gilt auch dann, wenn der Bundeskanzler sieben Wochen vor der Bundestagswahl mit seinem hanseatischen „Cool bleiben“ Gelassenheit empfiehlt.
Man muss sich immer stärker fragen, warum Musk das tut. Ohne Scholz – etwa mit der AfD – hätte es sein Werk in Brandenburg nicht gegeben. Die rechtsextreme Partei war dagegen. Die Attacken des reichsten Mannes der Welt dokumentieren deshalb eher den Anspruch eines Oligarchen auf Vor-Herrschaft in der Welt. Dafür steht symbolisch auch die Forderung des designierten US-Präsidenten Donald Trump vom Wochenende an die EU, die Windräder in der Nordsee abzureißen.
Man wird sich darauf einstellen müssen, dass dieser Machtkampf noch sehr viel heftiger wird, wenn die neue US-Führung in gut zwei Wochen die Amtsgeschäfte übernimmt. Sie wird Europa nicht zunächst und vorrangig als Freund und Verbündeten sehen, sondern als Konkurrenz im Kampf um diese Vorherrschaft, auf die auch China Anspruch erhebt.
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Das ist dem US-Oligarchen und seinem Präsidenten suspekt
Dort liegt einer der Gründe dafür, dass Musk die Nähe anti-europäischer Parteien sucht. Ein zweiter verbirgt sich hinter dem europäischen Sozialstaatsgedanken. Dessen Erfolg der vergangenen Jahrzehnte hat die EU mit ihren etwa 450 Millionen Einwohnern zum ernsten Konkurrenten für die beiden übrigen Enden der Welt in Ost und West wachsen lassen. Das ist dem US-Oligarchen und seinem Präsidenten suspekt. Inzwischen finden sie dafür gar Unterstützung einzelner Medienmogule in Deutschland.
Das ist der wahre Grund für die Unterstützung rechtsnationaler bis rechtsextremistischer Parteien in Europa durch Musk. Die AfD will die EU als eigenständigen gemeinsamen Markt zerschlagen. In diesem Ziel sind sie – nicht nur, aber vor allem – mit Tech-Milliardären der USA ebenso einig wie mit den chinesischen Diktatoren oder Putins Kreml-Oligarchen.
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Vermutlich wird das das wichtigste Thema für den Endspurt zur Bundestagswahl: Bleiben Deutschland mit seinen neun Nachbarstaaten und Europa insgesamt stark genug, um sich gleichrangig gegenüber diesen Oligarchien Russlands, den autoritären Machtsystemen Chinas und einflussreichen Oligarchen wie Trump und Musk in den USA zu behaupten – oder verfällt es zurück in die Kleinstaaterei des 19. Jahrhunderts und ergibt sich in deren Abhängigkeit? Man muss sehr auf den Zusammenhalt des alten Kontinents hoffen. Auch dafür wird die Wahl ein Signal sein.
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