Die Forderung des US-Präsidenten nach deutlich höheren Verteidigungsausgaben für die Nato-Mitglieder ist radikal, aber sie hat einen berechtigten Kern. Die Europäer haben die Wahl zwischen einem Deal mit Trump und der Anbiederung an Russland.
Strategische Vorausschau ist keine Stärke der deutschen Politik. Dass aber Donald Trump höhere Verteidigungsausgaben von den europäischen Nato-Staaten fordern würde, das kann selbst sicherheitspolitische Analphabeten nicht überraschen. Die größte Herausforderung der USA heißt seit den Zeiten von Barack Obama China. Auf ihrem Kontinent müssen die Europäer selbst für Ordnung sorgen. Das aber können sie bis heute nicht.
Das Zwei-Prozent-Ziel der Nato stammt aus dem Jahr 2014, es war eine Reaktion auf die Annexion der Krim. Dennoch stand es für viele Alliierte nur auf dem Papier, kaum ein Europäer machte sich trotz des Drucks aus Washington während der ersten Präsidentschaft Trumps ernsthaft an die Umsetzung. Auch deshalb standen Deutschland und viele seiner Nachbarn bei der Invasion der Ukraine blank da. Bis heute erreichen nicht alle Nato-Partner das alte Ziel, Deutschland schaffte es 2024 zum ersten Mal, und das nur schuldenfinanziert und damit vorübergehend.
Dabei haben die 32 Staats- und Regierungschefs, darunter ein gewisser Olaf Scholz, politisch längst festgelegt, dass die Verteidigungsfähigkeit der Nato – unabhängig von der Unterstützung der Ukraine – ein bedeutendes Mehr an militärischen Fähigkeiten verlangt. Hinter den Kulissen wurde schon auf dem letzten Nato-Gipfel im Sommer über eine Anhebung der Ausgabenmarke auf drei Prozent diskutiert. Osteuropa und Skandinavien marschieren längst in diese Richtung, ein Konsens über diesen Wert aber war noch nicht zu erzielen. Die Zwei-Prozent-Formel wurde lediglich um das Wort „mindestens“ ergänzt.
Anders als frühere US-Präsidenten stellt Trump nun wie gewohnt radikal die im Kern völlig berechtigte Frage, warum ein Farmer aus Ohio für die europäische Sicherheit bezahlen soll, während sich die hiesigen Alliierten einer Neu-Priorisierung ihrer Staatsausgaben verweigern. Die fünf Prozent sind ein Weckruf, von dem man sich nicht verrückt lassen machen sollte. Ein Deal über 3 oder 3,5 Prozent ist machbar.
Klar ist aber: Eine Erhöhung der Ausgaben für militärische und übrigens auch zivile Verteidigung ist unvermeidbar, jedenfalls wenn man die eigenen Beschlüsse in der Nato und die russische Bedrohung über die Ukraine hinaus ernst nimmt.
Das muss man nicht. Die künftige Bundesregierung kann auch Sarah Wagenknecht folgen, auf eigene Wehrhaftigkeit verzichten und sich dem Hegemonialstreben Moskaus ausliefern. Das Gas würde dann wieder billiger. Der hohe Preis wäre die Freiheit, so wie wir sie gewohnt sind.