Bei zwei Wahlkampfauftritten im hohen Norden hat sich CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz zu seiner geplanten Migrationspolitik geäußert – und dabei deutlich von Altkanzlerin Angela Merkel abgegrenzt. Auch eine zweite Parteikollegin musste für ihre Politik einstecken.

Nur zwei Tage nach Angela Merkels einzigem Auftritt im Bundestagswahlkampf hat sich Friedrich Merz so deutlich wie noch nie von der Migrationspolitik der Altkanzlerin und ihrem historischen Leitmotiv „Wir schaffen das“ distanziert — und zudem scharfe Kritik an der aktuellen Europapolitik geäußert.

Schauplatz ist an diesem Montagnachmittag der hohe Norden, das vernebelt-graue Flensburg, der Wahlkreis von Robert Habeck. In der mit 1300 Zuschauern gefüllten GP Joule Arena, wo normalerweise die SG Flensburg-Handewitt ihre Handballspiele austrägt, sprach der Unions-Kanzlerkandidat über die Ukraine, die Außenpolitik und die notwendige Aufrüstung der Bundeswehr, bevor er zur Migration wechselte.

In einem Zeitraum von vier Jahren habe Deutschland über drei Millionen Migranten aus Drittländern aufgenommen, warnte Merz. Dies würde das Land bei Fragen wie ärztlicher Versorgung, Beschulung oder Wohnungen überlasten.

„Da können wir uns anstrengen, wie wir wollen, das werden wir nicht schaffen“, führte Merz fort — und setzte damit das bisher deutlichste Gegenzitat zu Merkels „Wir schaffen das.“ Die Altkanzlerin hatte am Samstag ihren einzigen geplanten Wahlkampfauftritt beim Neujahrsempfang der NRW-CDU in Düsseldorf absolviert.

„Meinen es ernst mit der Begrenzung der illegalen Migration“

Der CDU-Chef fügte in Flensburg ein Versprechen an: „Ich sage ihnen zu: Unter meiner Führung werden die Zahlen drastisch runtergehen, weil wir es ernst meinen mit der Begrenzung der illegalen Migration nach Deutschland.“

Er wiederholte außerdem seine Ankündigung, an den deutschen Grenzen konsequent zu kontrollieren und abzuweisen, bis Europa seine Außengrenzen wieder ausreichend schützen könne. „Jetzt sind an einem Punkt angekommen, wo es einfach nicht mehr geht“.

Einen Zwischenruf — nicht der einzige an diesem Abend — der ihm an eine Annäherung an die AfD vorwarf, konterte Merz mit seinem Leitsatz: „Zu keinem Zeitpunkt“ werde es eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten geben.

„Grober Unfug — europäische Politik“

Dezent-scharfe Kritik gab es auch an der aktuellen EU-Politik, und damit indirekt an seiner CDU-Parteikollegin an der Brüsseler Kommissionsspitze, Ursula von der Leyen.

„Haben wir noch alle Tassen im Schrank?“, fragte Merz mit Blick auf EU-Vorgaben zu nicht mehr abschraubbaren Flaschendeckeln oder einem Piepsen, dass Neuwagen bei Geschwindigkeitsüberschreitungen von sich geben. „Dieser ganze Kleinkram, den sie da machen mit dieser Überregulierung und Bevormundung der Menschen in ganz Europa. Damit muss Schluss sein.“

Bei einem anschließenden Auftritt am Abend rund 50 Kilometer südlich in Büdelsdorf legte Merz noch einmal nach mit seiner Brüssel-Kritik: „Grober Unfug — europäische Politik“, schimpfte er über die EU-Vorgabe zu Flaschendeckeln — während die EU gleichzeitig keine Antwort in der Rüstungsbeschaffung und Außenpolitik habe, oder der Handelspolitik und dem, „was jetzt aus Amerika auf uns zukommt.“

Er sei zwar „ein von Kopf bis Fuß überzeugter Europäer“, so Merz. Aber: „Diese Europäische Union wird ihre Legitimation in Deutschland verlieren, wenn sie weiter macht in den kleinteiligen Themen und versagt bei den großen Themen.“