Als Preis für die Wiedervereinigung rang Frankreich dem Nachbarn Deutschland den Euro ab. Mit dem französischen Sieg über die europäische Geldhoheit mutiert die Währung zum Nachfolger von Lira und Franc. Gibt es in Deutschland keine Kurskorrektur, drohen schwerwiegende Folgen.

Nach dem Ende des vom US-Dollar dominierten Bretton-Woods-Währungssystems Anfang der 70er-Jahre litt Frankreich unter einer schwächelnden Währung. Die Zinsen waren hoch und das Prestige des Landes litt durch den Wertverfall des Francs. Auch das 1978 vom französischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing und dem deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt ins Leben gerufene Europäische Währungssystem brachte keine Abhilfe. Es wurde von der Deutschen Bundesbank dominiert.

Um die Herrschaft von Bundesbank und D-Mark zu brechen, rang später der französische Präsident François Mitterrand Bundeskanzler Helmut Kohl als Preis für die französische Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung den Euro ab. Aber auch der Weg dahin erwies sich als holprig.

Im Jahr 1992 erzwangen Spekulanten durch Leerverkäufe die Abwertung der italienischen Lira und kegelten das britische Pfund aus dem Währungssystem. Der Franc hielt nur stand, weil die Bundesbank auf Geheiß der Bundesregierung der Bank von Frankreich eine Kreditlinie zur Verteidigung des Francs einräumen musste.

Der im Jahr 1999 eingeführte Euro erlebte zwar eine glückliche Kindheit, kam aber im Teenageralter während der „Eurokrise“ in den Jahren 2010 bis 2012 in große Bedrängnis. Erst die Garantie des damaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi, die Zentralbank würde tun „was immer nötig wäre“, um den Euro zu erhalten, beendete die Krise.

Nun zahlte sich aus, dass Frankreich gegen den Willen vor allem der Deutschen Bundesbank für die Mitgliedschaft Italiens in der Währungsunion gesorgt hatte. Auch der auf deutsches Drängen zur Begrenzung staatlicher Budgetdefizite eingeführte Stabilitätspakt spielte für Frankreich keine Rolle. Der französische Staat ignorierte den Pakt und kam damit davon, weil er eben „Frankreich ist“ (so der damalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker). Frankreich hatte sein Ziel erreicht: die französische Fiskaldominanz der europäischen Geldpolitik.

Die deutsche Wirtschaftskraft wurde ruiniert

Dumm nur, wenn das lange angestrebte und schließlich unter großen Mühen erreichte Ziel aufgrund der radikalen Veränderung der Umstände wertlos geworden ist. Der in der EU-Bürokratie zum Exzess getriebene französische Etatismus erweist sich als Rohrkrepierer für die Wirtschaft, die grün-rote Politik unter Angela Merkel und Olaf Scholz hat Frankreichs wichtigste Stütze, die deutsche Wirtschaftskraft, ruiniert, Frankreich ist unregierbar geworden und seine „Bonsai-Armee“ spielt auf der Weltbühne keine Rolle.

Frankreich muss sich zwar keine Sorgen um die Finanzierung seiner exorbitanten Staatsverschuldung mehr machen. Dafür sorgt nun die Europäische Zentralbank mit ihrem in Orwellschem Doppelsprech benannten „Transmission Protection Instrument“. Aber mit dem französischen Sieg über die europäische Geldhoheit mutiert der Euro zum Nachfolger des französischen Francs und der italienischen Lira.

Nach seinem Pyrrhussieg befindet sich Frankreich nun zwischen Baum und Borke. Rafft sich die neue deutsche Regierung zu der überfälligen Generalüberholung Deutschlands auf, rutscht Frankreich gegenüber Deutschland weiter ab und die früher in der Peripherie spielende Eurokrise könnte den Kern erfassen. Eine Kernspaltung des Euro wäre nicht länger undenkbar.

Bleibt in Deutschland alles, wie es war, ziehen Frankreich und Deutschland Europa gemeinsam in den wirtschaftlichen und politischen Niedergang. Vor die Wahl gestellt, auf die Kernspaltung oder den Niedergang zu setzen, dürften die Spekulanten Letzteres wählen und den Euro statt französischer Staatsanleihen verkaufen.

Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute.