Hells Angels gegen Bandidos –

Ein Grossaufgebot der Polizei und ein paar Rocker, die wenig sagen

Polizisten betreten das Amthaus in Bern am Morgen des 27. Januar 2025, als eine Gerichtsverhandlung wegen eines Konflikts zwischen Hells Angels und Bandidos stattfindet.

Zahlreiche Polizistinnen und Polizisten sind am Montagmorgen rund um das Berner Amthaus im Einsatz.

Foto: Raphael Moser

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In Kürze:Das Berner Obergericht behandelt den Berufungsfall von acht Rockern ab Montag.Drei der sechs vorgeladenen Bandidos tauchten nicht zur Verhandlung auf.Ein Grossaufgebot der Polizei sicherte das Amthaus, das einer Festung glich.An der Urteilseröffnung könnte es zum direkten Aufeinandertreffen der verfeindeten Rocker kommen.

Es ist so wie fast immer, wenn Rocker vor Gericht stehen. «Kein Kommentar», sagt der eine. «Ich kann mich nicht erinnern», der andere. Zu den konkreten Vorwürfen schweigen sie. Antworten bekommt das Gericht höchstens bei einzelnen Fragen zu den persönlichen Verhältnissen und nur solchen, die sie in einem guten Licht dastehen lassen. Etwa wenn es um ihre Arbeitsstelle geht.

Nach diesem Schema verläuft der erste Verhandlungstag im Rockerprozess vor dem Berner Obergericht. Hier müssen seit Montag sechs Bandidos und zwei Hells Angels antraben. Sie wehren sich gegen die Urteile, die das Regionalgericht Bern-Mittelland Ende Juni 2022 ausgesprochen hat.

Die meisten von ihnen kassierten damals bedingte Freiheitsstrafen von sechs bis zwölf Monaten wegen Raufhandels. Ein Bandido aus Österreich wehrt sich zudem gegen eine unbedingte Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren sowie den Landesverweis. Er hatte mit einem massiven Elektrokabel auf den Kopf eines Bronco eingeschlagen.

Hells Angels dulden keine Rivalen

Hintergrund für den Prozess ist eine blutige Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern der verfeindeten Motorradclubs Hells Angels und Bandidos. Die Hells Angels wollten als Platzhirsche unter den Rockern verhindern, dass die Bandidos hierzulande einen Ableger gründen.

Im Mai 2019 griffen sie deshalb – unterstützt von den Berner Broncos – eine Geburtstagsparty der Bandidos im zukünftigen Clublokal in Belp Steinbach an, um diese einzuschüchtern. Neben Schlagstöcken war eine Schusswaffe im Spiel. Bei der heftigen Auseinandersetzung wurden mehrere Personen verletzt, drei davon schwer. Drei Jahre nach dem Vorfall mussten sich 22 Rocker vor dem Regionalgericht in Bern verantworten.

Festung Amthaus

Das Obergericht achtete bei den Vorladungen nun darauf, dass sich Bandidos und Hells Angels im Amthaus nicht über den Weg laufen. Die sechs Bandidos wurden am ersten Verhandlungstag befragt, die zwei Hells Angels folgen am Dienstag. Ausser bei den eigenen Befragungen sind sie von der Teilnahme dispensiert. So können sie sich nicht begegnen.

Das nicht ohne Grund. Denn bei der Verhandlung vor dem Regionalgericht 2022 lieferten sich Mitglieder der beiden Motorradclubs vor dem Amthaus Scharmützel. Die Polizei trat mit einem Grossaufgebot dazwischen, setzte Wasserwerfer und Reizstoffe ein.

Mitglieder von Motorradclubs wie Hells Angels, Broncos und Bandidos stehen in Bern, umgeben von Rauch und Wasser. Datum: 30.05.2022. Foto von Raphael Moser.

Die Polizei setzte damals Wasserwerfer, Gummigeschosse und Reizstoffe ein.

Foto: Raphael Moser

Für die aktuelle Verhandlung ist die Kantonspolizei ebenfalls mit einem Grossaufgebot im und vor dem Amthaus präsent. Die meisten Polizeiwachen bleiben in dieser Woche von Montag bis Freitag geschlossen. Doch rund um das Gerichtsgebäude blieb es am Montag den ganzen Tag ruhig. Am Nachmittag zogen die letzten ausharrenden Polizistinnen und Polizisten unverrichteter Dinge wieder ab.

Nur drei von sechs Bandidos erscheinen

Auch im Gerichtssaal blieb es ruhig. Nur drei der sechs Bandidos erschienen am ersten Verhandlungstag. Der Österreicher mit der langen Freiheitsstrafe fehlte laut seinem Anwalt wegen gesundheitlicher Probleme. Er sei aber bereit, Aussagen zu machen, sagte sein Anwalt. Sein Verfahren wurde nun abgetrennt und wird zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt.

Auch zwei Griechen erschienen am Montag nicht vor Gericht. Einer fehlte aus gesundheitlichen Gründen. Er wurde in Abwesenheit beurteilt. Zum anderen hat der Verteidiger seit Monaten keinen Kontakt mehr. Damit gilt seine Beschwerde als zurückgezogen, das erstinstanzliche Urteil, zehn Monate bedingt, wird rechtskräftig.

Die Gedächtnislücken

Als Erster wurde als Zeuge jener Bandido befragt, der in Belp geschossen hatte. Er hat seine Berufung gegen die achtjährige Freiheitsstrafe wegen versuchter vorsätzlicher Tötung zurückgezogen.

Es gehe ihm super, sagte der heute 40-Jährige mit dem mächtigen Bart. Zum Vorfall vom Mai 2019 in Belp könne und wolle er nichts mehr sagen. «Ich kann mich nicht erinnern», lautete seine Standardantwort. Als Oberrichterin Franziska Friederich Hörr den Grund für seine Gedächtnislücke wissen wollte, sagte er: «Ich habe einen Haftschaden.» Er sitzt mittlerweile seit fast sechs Jahren im Gefängnis.

Ein anderer Bandido hatte seine Verurteilung wegen Raufhandels akzeptiert, nicht aber das Strafmass von acht Monaten unbedingt. Dieses sei zu hoch. Er sei «nur anwesend gewesen», es war seine Geburtstagsparty. Der 44-Jährige sagte, dass er heute nicht mehr Mitglied der Bandidos sei.

Ein weiterer Beschuldigter betonte, dass er im Lokal am Essen gewesen sei und nichts von der Auseinandersetzung mitgekriegt habe. Deshalb akzeptiere er das Urteil nicht. «Ich habe nichts gemacht.» Sobald Oberrichterin Franziska Friederich bei ihren Fragen konkreter wurde, schwieg der Mann. Nichts Neues kam auch vom letzten Bandido. Er habe nichts mitbekommen, weil er auf der Toilette gewesen sei, wegen Magenproblemen.

Rocker treffen sich an der Urteilseröffnung

Zu einem direkten Aufeinandertreffen der verfeindeten Rocker wird es aber in Bern doch noch kommen, bei der Urteilseröffnung am 13. Februar. Die Verteidigungen beantragten zwar, dass ihre Klienten aus Sicherheitsgründen zu dispensieren seien. Das würde ein kleineres Sicherheitsdispositiv bedingen, so das Argument.

Polizisten vor dem Obergericht in Bern während einer Gerichtsverhandlung wegen eines Konflikts zwischen Hells Angels und Bandidos, Januar 2025.

Rund ums Amthaus war alles gesichert.

Foto: Raphael Moser

Das Obergericht wies diesen Antrag ab. Die Beschuldigten hätten das erstinstanzliche Urteil angefochten, sagte Oberrichterin Friederich. Deshalb müssten sie sich persönlich anhören, was der Rechtsstaat zu ihrem Verhalten sage, begründete sie. Und: Das Sicherheitsdispositiv für die Urteilseröffnung stehe bereits.

Gericht beschäftigt sich mit blutigem Rockerstreit

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