Vier israelische Soldatinnen sind von der Hamas in die Freiheit entlassen worden. Zuvor waren die jungen Frauen, die seit dem 7. Oktober 2023 in Geiselhaft waren, einer aufgeheizten Menschenmasse vorgeführt worden. Bald wurden erste Berichte über die Bedingungen der Geiselhaft öffentlich.

Erleichterung in Israel: Die Hamas hat vier weitere Geiseln freigelassen. Es handelt sich dabei um die Soldatinnen Liri Albag, Naama Levy, Karina Ariev und Daniella Gilboa. Islamistische Terroristen hatten die vier während des Hamas-Massakers am 7. Oktober 2023 entführt.

Die vier Soldatinnen wurden im Austausch gegen zahlreiche palästinensische Häftlinge dem Roten Kreuz übergeben, nachdem sie einer Menschenmenge vorgeführt worden waren. Bewaffnete und maskierte Hamas-Kämpfer begleiteten die Kämpferinnen auf einem Platz in der Stadt Gaza, mittlerweile sind die Frauen auch sicher bei den israelischen Streitkräften angekommen.

Ex-Geiseln treffen ihre Eltern

Nach ihrer Freilassung aus gut 15-monatiger Geiselhaft im Gazastreifen haben die vier Soldatinnen in Israel ein emotionales Wiedersehen mit ihren Eltern gefeiert. Das Militär veröffentlichte Bilder der ersten Begegnung, die die Wucht der Gefühle ahnen lassen: Lachen und Tränen, enge Umarmungen, als wollten Töchter und Eltern einander nicht loslassen. Die Anspannung, unter der sie gestanden hatten, als sie nicht wussten, ob es dieses Wiedersehen jemals geben würde, war ihnen dennoch anzusehen.

Die Familien hatten darum gebeten, ihre Privatsphäre zu respektieren und angekündigt, keine Interviews zu geben. Über das Forum der Geiselfamilien veröffentlichten sie jedoch kurze Stellungnahmen.

„Nach 477 langen Tagen des nervenzehrenden Wartens konnten wir endlich Liri sehen, sie umarmen und wissen, dass sie bei uns ist – sicher und umhüllt von der Liebe ihrer Familie“, hieß es in einer Stellungnahme der Familie der 19-Jährigen. „Liri hat übermenschliche Stärke gezeigt und ist durch die Hölle gegangen.“

Die Familie von Naama Levy erklärte noch vor dem Wiedersehen mit der 20-Jährigen, sie sei „überglücklich und tief bewegt“ darüber, Naama stark und auf dem Weg in die Heimat zu sehen.

„Endlich konnten wir unsere geliebte Karina umarmen, ihre Stimme hören und ihr Lächeln sehen“, schrieben die Angehörigen der 20-Jährigen Karina Ariev. „Karina, du bist unser Licht. Wir lieben dich unendlich.“

„Wie haben wir für diesen Augenblick gebetet“, schrieb die Familie von Daniella Gilboa. „Unsere Daniella hat 477 Tage in der Hölle von Gaza überlebt und ist endlich in die Umarmung ihrer Familie zurückgekehrt.“

Vorgeführt auf einer Bühne, Winken ins Publikum

Zuvor jedoch mussten sie einen Spießrutenlauf über sich ergehen lassen. Ehe sie in Fahrzeuge des Roten Kreuzes steigen konnten, wurden sie noch auf eine Bühne geführt, um dort zu der auf dem Platz versammelten Menge zu winken. Nach wenigen Minuten verließ der Konvoi des Roten Kreuzes den Platz.

Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari kritisierte die Hamas anschließend für ihr Verhalten bei der Freilassung der Soldatinnen. Er sprach von einer „zynischen“ öffentlichen Zurschaustellung der jungen Frauen in der Stadt Gaza vor deren Übergabe an das Rote Kreuz. Israels Präsident Herzog hat die vier Soldatinnen derweil persönlich begrüßt. „Daniella, Liri, Naama und Karina – ihr seid Heldinnen! Willkommen zurück zu Hause!“, schrieb er auf X. „In diesem Moment weint eine ganze Nation und freut sich mit euch.“

Nach der Freilassung drangen bald erste Berichte über ihre Zeit in Geiselhaft an die Öffentlichkeit. Die Frauen seien im Gazastreifen sowohl in Häusern von Zivilisten als auch in Tunneln festgehalten worden, meldeten israelische Medien unter Berufung auf Angehörige, die erste Gesprächen mit den Soldatinnen geführt haben. Demnach wechselten die Israelinnen oftmals ihre Aufenthaltsorte. Sie hätten zeitweise nichts zu essen bekommen, einige hätten auch lange Zeit nicht duschen können.

Eine der Frauen wurde den Berichten zufolge auch lange Zeit allein in einem dunklen Tunnel festgehalten. Einige Israelinnen seien auch dazu gezwungen worden, für ihre Entführer zu kochen und deren Toiletten zu putzen. Sie hätten aber Radio gehört und manchmal Fernsehen geschaut, hieß es weiter. Berichte über die Proteste für die Freilassung der Geiseln in Israel hätten den Soldatinnen Kraft gegeben.

Zu dem von der Hamas inszenierten Prozedere unmittelbar vor ihrer Freilassung sagten die Frauen demnach, dass sie ihren Entführern dabei zeigen wollten, dass sie stark seien. Zudem hätten sie unberührt von der beabsichtigten Demütigung wirken wollen. Bevor die vier am Vormittag in Fahrzeuge des Roten Kreuzes steigen konnten, wurden sie in der Stadt Gaza auf eine Bühne geführt, um dort einer Menge aus Anwohnern sowie bewaffneten und maskierten Hamas-Mitgliedern zu winken. Die Terrororganisation veröffentlichte anschließend auch ein Video der Propaganda-Veranstaltung.

Es handelte sich um den zweiten Austausch dieser Art im Rahmen der zwischen Israel und der Hamas vereinbarten Waffenruhe im Gaza-Krieg. Diese zielt darauf ab, den bislang tödlichsten Konflikt zwischen Israel und der Hamas zu beruhigen. Bislang hält das fragile Abkommen, was eine Zunahme der Hilfslieferungen in den kriegsgeplagten Gazastreifen ermöglicht hat.

Die Waffenruhe, auf die sich Israel und die Hamas vor zehn Tagen geeinigt haben, soll zunächst sechs Wochen dauern. Sie trat vergangenen Sonntag in Kraft. Vor knapp einer Woche hatte die Hamas bereits drei aus Israel verschleppte Zivilistinnen freigelassen. Die nun freigelassenen Frauen sind die zweite Geisel-Gruppe, die im Rahmen des neuen Abkommens freikommt.

Das Abkommen sieht vor, dass Israel für jede Soldatin 50 palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen entlässt, darunter 30 Personen, die eine lebenslange Haftstrafe verbüßen. Der israelische Gefängnisdienst gab am Samstag wie vereinbart die Freilassung von 200 palästinensischen Häftlingen bekannt. Busse mit ihnen verließen demnach das israelische Militärgefängnis Ofer im besetzten Westjordanland. Etwa 70 Gefangene sollen palästinensischen Angaben zufolge nach Ägypten abgeschoben werden. Weitere 16 würden in den Gazastreifen geschickt, die übrigen im Westjordanland freigelassen.

Im Gazastreifen werden nun noch 90 aus Israel Entführte festgehalten, davon sind israelischen Angaben zufolge mehr als 30 für tot erklärt worden. „Große Sorgen“ macht sich die israelische Armee beispielsweise um die letzten beiden Kinder, die noch von der Hamas als Geiseln im Gazastreifen festgehalten werden.

Armeesprecher Daniel Hagari sagte am Samstag, Israel sei sehr besorgt über das „Schicksal“ von Kfir and Ariel Bibas und bestehe auf der Freilassung der Kinder. Der zweijährige Kfir und sein fünfjähriger Bruder Ariel, die zusammen mit ihrer Mutter Shiri Bibas in den Gazastreifen verschleppt wurden, sind die jüngsten Geiseln der radikalislamischen Hamas.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat in einer ersten Reaktion die Freilassung der Frauen begrüßt. Die Bundesregierung freue sich mit den Freigelassenen und ihren Familien, erklärte Scholz am Samstag auf der Onlineplattform X. „Aber es befinden sich weitere Frauen und Männer in Geiselhaft“, fügte er hinzu. „Auch sie müssen freikommen!“ Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) begrüßte auf X die Freilassung der vier jungen Frauen, die „nach 477 Tagen in der Hölle endlich aus den Händen der Hamas-Terroristen“ freigekommen seien. Es müsse alles getan werden, „dass der Waffenstillstand hält und alle Geiseln freikommen“.

dpa/AP/AFP/krott/jho/säd