Mein Vater hat mir neulich erzählt, dass der Bayerische Rundfunk schon in den 60er Jahren über die Immobilienkrise in München berichtet hat. Seinerzeit regierte ein gewisser Hans-Jochen Vogel (SPD) als Bürgermeister die bayerische Landeshauptstadt. Fehlende bezahlbare Wohnungen gehören also zu München wie das Versprechen, endlich etwas dagegen zu tun.
In Deutschland fehlen 800.000 Wohnungen
Nun ist die Stadt an der Isar etwas Besonderes. Sie hat einen besonderen Reiz (nördlichste Stadt Italiens), sie liegt besonders schön im Vorland der Alpen und sie ist besonders teuer, was das Wohnen betrifft. Im letzten Punkt ragte München lange hervor, mittlerweile lässt sich aber überspitzt sagen: München ist überall. Natürlich sind die Mieten und Hauspreise in Gelsenkirchen und Bitterfeld nach wie vor viel niedriger, aber auch sie haben mittlerweile ein Niveau erreicht, dass Haushalte mit kleinem oder mittlerem Einkommen überfordert. In Deutschland fehlen 800.000 Wohnungen.
In den zurückliegenden zehn Jahren sind Millionen Flüchtlinge zu uns gekommen, die irgendwo leben müssen. Und sie zieht es vor allem dahin, wo schon Menschen aus ihrer Heimat leben. Das sind die großen Städte und ihr Umland, weil es dort leichter ist anzukommen als auf dem Dorf, wo jeder jeden kennt. Der Mangel verstärkt sich also genau jenen Orten, wo er ohnehin schon groß ist.
Die Mieten steigen immer weiter – und der Staat kommt seinem Versprechen nicht nach
Vielleicht noch stärker als die Bevölkerungsentwicklung wirkt sich die Explosion der Materialpreise aus und der Zustrom internationalen Kapitals. Wenn ein Investor in München eine Wohnung für eine Million Euro kauft und anschließend vermietet, muss er seinen Einsatz schließlich wieder reinholen. Für zehn Euro kalt je Quadratmeter geht das Geschäft nicht auf. In der Folge sind die Mieten in Deutschland steil geklettert, haben ihren Gipfel aber nicht erreicht und steigen weiter.
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Glücklich, wer einen alten Mietvertrag hat. Die Mieten in Deutschland kennen nur den Weg nach oben.
Foto: Monika Skolimowska, dpa
Der Immobilienmarkt ist also kaputt, wenn an ihn die Erwartung angelegt wird, dass Wohnen ein Menschenrecht für jedermann ist. Dieses Marktversagen rechtfertigt den Eingriff des Staates, doch er kommt seiner Aufgabe nicht nach. Von den von der Bundesregierung angepeilten 400.000 Wohnungen, die jedes Jahr neu entstehen sollen, sind 2024 nach der Schätzung des Immobilienausschusses nur 210.000 fertiggestellt worden.
Wohnungsnot: Marktversagen trifft auf Politikversagen
Das Marktversagen wird durch Politikversagen verschlimmert. Vorschläge zur Verbesserung liegen seit Jahren auf dem Tisch, umgesetzt werden sie aber nicht und das völlig unabhängig von der politischen Couleur. Die vereinfachten Bauvorschriften (Gebäudetyp E) hängen wegen des Ampel-Bruchs im Bundestag fest und werden höchstwahrscheinlich mit dem Ende der Wahlperiode verfallen. Die Kommunen mobilisieren immer noch zu wenig günstiges Bauland, weil sie an Teurem verdienen.
Absurde Umweltschutzerlasse (Achtung Knoblauchkröte) verhindern den Bau von Siedlungen, staatliche Förderprogramme werden über Nacht geschlossen. Kein Wunder, dass Deutschland wegen des Politikversagens die höchsten Baupreise Europas hat und eine soziale Krise achselzuckend in Kauf genommen wird. Wenn heute ein Haus neu gebaut und anschließend neu vermietet werden soll, dann müssen die Bauherren mindestens 16 Euro kalt je Quadratmeter nehmen.
In München sind es 20 Euro, um im Beispiel zu bleiben. Diese Preise sind für die Hälfte der Bevölkerung unbezahlbar. Die Parole bauen, bauen, bauen kommt also wegen der Gestehungskosten an ihre Grenzen. Der Einzige, der ohne Gewinnerzielungsabsicht und mit großzügigen Zuschüssen Gebäude errichten kann, ist der Staat. Ein umfassendes staatliches Bauprogramm findet sich groteskerweise nicht in den Wahlversprechen der Parteien. Linke und BSW sind die Ausnahme. Über fehlende bezahlbare Wohnungen werden Journalisten auch künftig berichten.
Christian Grimm
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