Sieben Kollegen aus den Landkreisen Kulmbach und Bayreuth treffen sich auf Küfners Hof und diskutieren Kompromisslösungen, mit denen sie vielleicht Politiker im Land, im Bund und in Brüssel überzeugen könnten: Weide ja, aber nicht “mit der Brechstange”, für alle Tiere am Hof gleichzeitig. Sie wünschen sich, dass sie Bio-Milchbauern bleiben können, je nach Verfügbarkeit von Flächen, so weit eben ein Weidezugang überhaupt möglich ist. Aber nach Lage der Dinge drängt die EU-Kommission jetzt auf eine strenge Auslegung der Weidepflicht.
Jahrzehntelang haben Agrarbehörden und Ökoverbände den Landwirten gegenüber die Weidepflicht großzügig ausgelegt, haben die Landwirte neue Ställe bauen lassen ohne nachweislichen Weidezugang. Sie geben zu, als Landwirte selbst auch gehofft zu haben, dass sie mit Ausnahmegenehmigungen weiter biologisch wirtschaften können – wie all die Jahre zuvor.
An Österreich Exempel statuiert
In Österreich hat die EU-Kommission bereits die konsequente Weidepflicht durchgesetzt. Nun heißt es in der Bio-Branche, rund zehn Prozent der Bio-Betriebe hätten im Nachbarland auf konventionelle Wirtschaftsweise rückumgestellt oder ganz aufgegeben. Zuverlässige amtliche Zahlen gibt es nicht. In Bayern wird über die Zahl der Rückumsteller auf konventionelle Landwirtschaft derzeit heftig spekuliert. Das bayerische Landwirtschaftsministerium kann keine “belastbaren” Zahlen nennen.
20 Prozent weniger Biomilch?
Die Milchwerke Oberfranken verarbeiten täglich 250.000 Liter Biomilch – noch. Direktor Ludwig Weiss kalkuliert mit mindestens 20 Prozent weniger Biomilch, weil entsprechend viele Betriebe die Weidepflicht nicht erfüllen könnten. Die würden dann konventionelle Milch liefern. Mit weniger Lieferanten werde die Erfassung von Biomilch teurer und damit auch Biokäse und andere Biomilchprodukte. Weiss fürchtet den Import von Biomilch aus Nachbarländern, was auch teuer und überhaupt nicht nachhaltig sei. Seine Genossenschaft werde keine Biomilch importieren. Dann könne man eben die derzeit gute Bio-Nachfrage nicht mehr gänzlich bedienen.
Rückschlag für die gesamte Bio-Landwirtschaft
Allein drei der im Stallbüro von Markus Küfner versammelten Milchbauern produzieren die Hälfte der Biomilch im Landkreis Kulmbach. Auch die anderen vier haben jeweils mehr als 100 Milchkühe im Stall. Nun wird ihnen ihre Größe zum Verhängnis. Kleine Betriebe mit 40, 50 Kühen können leichter ausreichend Weidefläche zur Verfügung stellen als Betriebe mit hundert und mehr Kühen. Betroffene Bio-Betriebe haben über viele Jahre hinweg Ökoflächenprämien aus der Staatskasse bekommen – für den Verzicht auf Agrochemie und synthetischen Dünger.
Wenn sie jetzt rückumstellen auf konventionelle Landwirtschaft, werden sie ihre Erträge mit Dünger und Pflanzenschutzmitteln steigern, auch die Milchleistung ihrer Tiere – und sie werden kein teures Biofutter mehr füttern und so ausgleichen, dass sie künftig nur noch 54 Cent statt 65 Cent je Liter Biomilch bekommen. “Wir werden das überleben” – so die einhellige Meinung der Runde. Aber es tut emotional weh. Markus Küfner: “Sie müssen sich das so vorstellen: Ich hab’ das 35 Jahre lang mit Herzblut gemacht. Auf Deutsch gesagt: Ich kann gar nichts anderes. Ich hab’ noch nie einen Düngerstreuer gefahren oder ein Spritzmittel bewegt.”