Das Vertrauen der muslimischen Community in die deutsche Politik ist in den vergangenen zwei Jahren deutlich gesunken. Laut einer Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) gaben nahezu zwei Drittel der befragten Musliminnen und Muslime an, kein Vertrauen in Politikerinnen und Politiker zu haben. Im Jahr 2022 lag dieser Anteil noch bei 50 Prozent. 

Damit ist der Vertrauensverlust in die Politik unter Musliminnen und Muslimen stärker ausgeprägt als in anderen Teilen der Bevölkerung. Zum Vergleich: Unter Menschen ohne Migrationshintergrund stieg das Misstrauen gegenüber Politikern seit 2022 lediglich um einen Prozentpunkt auf nun 52 Prozent.

Auch in anderen Bevölkerungsgruppen nahm das Misstrauen gegenüber der Politik zu, jedoch in geringerem Umfang. Bei den befragten Menschen, die sich selbst als “asiatisch” bezeichnen, stieg es um vier Prozentpunkte auf 50 Prozent, während es unter Menschen, die sich als Deutsche mit Migrationshintergrund verstehen, aber keiner bestimmten Kategorie zuordnen lassen möchten, um sechs Prozentpunkte auf 55 Prozent zunahm.

Vertrauen zur Bundesregierung etwas höher

Im Vergleich zur allgemeinen Politik genießt die Bundesregierung unter migrantischen Communitys zwar größeres Vertrauen, doch auch dieses ist im Vergleich zu 2022 gesunken. Diesmal gaben 46 Prozent der muslimischen Befragten an, der Bundesregierung überhaupt nicht oder nur teilweise zu vertrauen – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu 2022, als dieser Anteil noch bei 29 Prozent lag.

Bei Schwarzen Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland hingegen hat sich das Vertrauen in die Politik und in die Bundesregierung in den vergangenen zwei Jahren kaum verändert.

Eine zentrale Erkenntnis der Studie ist, dass sich die Vertrauenswerte von Menschen mit Migrationshintergrund – insbesondere von Muslimen – zwischen 2022 und 2024 jenen der Menschen ohne Migrationshintergrund angenähert haben. Teilweise bringen migrantische Bevölkerungsgruppen der Politik sogar mehr Misstrauen entgegen als der Durchschnitt, während grundsätzlich mehrere europäische Studien zeigen, dass Menschen mit Migrationshintergrund tendenziell stärkeres Vertrauen in politische Institutionen haben als Personen ohne Einwanderungsgeschichte. Ein möglicher Grund dafür ist, dass viele Migranten aus Krisengebieten stammen.

Woran liegt es?

Die Ursachen für den überdurchschnittlichen Vertrauensverlust innerhalb der muslimischen Community wurden in der Studie zwar nicht gesondert untersucht, doch Cihan Sinanoğlu, der Leiter der Studie, sieht einen möglichen Zusammenhang mit dem zunehmend rassistischen Diskurs der vergangenen zwei Jahre: “Besonders seit dem 7. Oktober beobachten wir eine Zunahme rassistischer und antisemitischer Vorfälle. Aus anderen Studien wissen wir, dass Vertrauen und Diskriminierungserfahrungen miteinander verknüpft sind. Je mehr Menschen Diskriminierung und Rassismus erfahren, desto stärker schwindet ihr Vertrauen in Institutionen.” Dieser Zusammenhang könnte auch eine Erklärung für den drastischen Vertrauensverlust innerhalb der muslimischen Community liefern.

Ein weiterer bemerkenswerter Befund der Studie ist, dass das Misstrauen gegenüber der Bundesregierung unter Muslimen mit deutscher Staatsangehörigkeit stärker ausgeprägt ist als unter jenen ohne deutschen Pass. So gaben 58 Prozent der befragten Muslime mit deutscher Staatsbürgerschaft an, der Bundesregierung zu misstrauen, während nur 33 Prozent der muslimischen Bewohner ohne deutschen Pass diese Ansicht teilten.

Auch das Vertrauen in Politiker unterscheidet sich je nach Staatsangehörigkeit erheblich: 72 Prozent der befragten Muslime mit deutschem Pass gaben an, den politischen Entscheidungsträgern zu misstrauen. Unter jenen ohne deutsche Staatsbürgerschaft lag dieser Anteil bei 57 Prozent. In beiden Gruppen ist ein deutlicher Anstieg gegenüber der Erhebung vor zwei Jahren zu verzeichnen.

Die Ergebnisse ernst nehmen

Besonders ausgeprägt ist das Misstrauen unter Muslimen, die in Deutschland geboren wurden. 47 Prozent von ihnen gaben an, der Bundespolitik “gar nicht” zu vertrauen. Zum Vergleich: Unter muslimischen Befragten, die im Ausland geboren wurden und in Deutschland leben, liegt dieser Anteil nur bei 28 Prozent.

Dies deutet darauf hin, so Sinanoğlu vom DeZIM, dass der Vertrauensverlust nicht primär auf migrationsspezifische Faktoren wie die Einwanderungsgeschichte zurückzuführen sei, sondern tiefere strukturelle Ursachen habe. “Die Art und Weise politischer Teilhabe sowie die ökonomischen Bedingungen der Menschen sind nur einige der Faktoren, die das Vertrauen in politische Institutionen stärken oder schwächen”, erklärt Sinanoğlu. Staatsbürgerschaft oder Geburtsland könnten dabei eine Rolle spielen, seien jedoch nicht die alleinige Erklärung.

Um das verlorene Vertrauen innerhalb der muslimischen Community zurückzugewinnen, müsse die Politik die Ergebnisse solcher Studien ernst nehmen, betont der Mitautor der Studie. Es sei entscheidend, Muslime, die die zweitgrößte Migrantengruppe in Deutschland ausmachen, stärker in politische Prozesse einzubeziehen. “Wenn diese Gruppen überhaupt wahrgenommen werden, dann meist als Problem – in Verbindung mit Kriminalität oder mangelnder Integrationsbereitschaft.” Dabei verspiele die Politik ein enormes Potenzial von Menschen, die arbeiten, Steuern zahlen und Teil dieses Landes sind, indem sie diese nicht einbindet.