Selten hat eine Rede eines US-Vizepräsidenten Europa und Deutschland so aufgerüttelt wie die von JD Vance am Freitag bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Man musste sich danach erst einmal wieder sammeln.

Vance hatte darin von einem Rückzug der Meinungsfreiheit in Europa gesprochen und gesagt, für „Brandmauern“ sei kein Platz. Abseits der Sicherheitskonferenz traf er sich zudem mit AfD-Chefin Alice Weidel. US-Präsident Donald Trump lobt seinen Vize im Nachgang ausdrücklich.

Doch die Antwort der deutschen Politik kam prompt und sie war richtig, trotz der heißen Wahlkampfphase. Und zwar von allen Parteien in der demokratischen Mitte

Den Ton setzte sofort der in München anwesende Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Vances Äußerungen seien nicht akzeptabel, in der deutschen Demokratie habe jede Meinung eine Stimme, gab Pistorius auf derselben Bühne zurück.

Auf seiner Rede am Samstag fand dann auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) die richtigen Worte. Aus den Reihen der AfD seien der Nationalsozialismus und dessen monströse Verbrechen als „Vogelschiss der deutschen Geschichte“ verharmlost worden, betonte der Kanzlert. Ein Bekenntnis zum „Nie wieder“, wie Vance dies am Donnerstag beim Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau abgelegt habe, sei nicht mit der Unterstützung für die AfD in Einklang zu bringen. Und überhaupt: Die Einmischung von außen in den Wahlkampf zugunsten der AfD sei nicht zu akzeptieren – erst recht nicht unter Verbündeten und Freunden. Richtig.

Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) kritisierte die Rede ebenfalls scharf, nannte sie fast schon übergriffig. Ähnlich äußerte sich der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck. Sie alle haben recht. Denn Europa und Deutschland entscheiden selbst, wie es mit der Demokratie weiter geht. Das überhaupt formulieren zu müssen, ist ungeheuerlich. Und war bis vor Kurzem nicht vorstellbar.

Man nimmt von der Münchner Sicherheitskonferenz zwei Lehren mit: Es kann transatlantische Beziehungen geben, ohne, dass man gemeinsame Werte teilt. Die USA werden künftig versuchen, europäische Verbündete, die der neuen US-Regierung nahestehen wie Ungarn oder Italien, aus dem Bündnis herauszulösen, sie zu bevorzugen. Die EU wird vor einer Bewährungsprobe stehen.

Und zweitens geht es um Spaltung innerhalb der Gesellschaft. Das Treffen von Vance mit AfD-Kandidatin Weidel in München ist der augenfälligste Beweis dafür. In den USA selbst ist den Republikanern das unter Trump schon gelungen. Das muss sich Deutschland immer vor Augen halten.