Nach dem tödlichen Anschlag eines Afghanen in München formiert sich eine breite Allianz für mehr Abschiebungen von Straftätern nach Afghanistan. CSU-Chef Söder erhält Unterstützung auch von der SPD für seine Forderung nach Verhandlungen mit den dort regierenden Taliban. Doch es gibt auch Vorwürfe an die Union.

CSU-Chef Markus Söder stößt mit seiner Forderung nach regelmäßigen Abschiebeflügen nach Afghanistan auf breite Zustimmung von SPD, FDP und dem Bündnis Sahra Wagenknecht. Der Abschiebeflug nach Afghanistan im Herbst mit Unterstützung von Katar sei richtig gewesen, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese mit Blick auf einen Flug mit 28 Straftätern an Bord kurz vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland im vorigen Jahr. „Es muss jetzt unser weiteres Ziel sein, Direktflüge nach Afghanistan zur Rückführung ausreisepflichtiger Asylbewerber zu ermöglichen. Das bedeutet Gespräche mit schwierigen Gesprächspartnern in Afghanistan. Eine notwendige Realpolitik im Sinne von Helmut Schmidt.“

Bayerns Ministerpräsident Söder hatte nach der tödlichen Anschlagsfahrt eines 24-jährigen Afghanen in München verlangt, es müsse nun sofort Verhandlungen mit den in Afghanistan regierenden Taliban geben, um mehr Menschen in das Land abzuschieben. „Es braucht jede Woche einen Flug“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Die Bundesregierung plant noch vor der Bundestagswahl am kommenden Wochenende einen erneuten Abschiebeflug nach Afghanistan. Damit sollen Straftäter und Gefährder ausgeflogen werden.

Rückhalt bekommt Söder aus der Unionsfraktion im Bundestag: Es sei „Show-Politik“, wenn Kanzler Olaf Scholz (SPD) nur vor wichtigen Wahlen auf Abschiebeflüge nach Afghanistan zu sprechen komme, sagte der parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei (CDU) WELT. „Deutschland darf sich nicht länger an der Nase herumführen lassen, wenn sich Staaten weigern, ihre eigenen Bürger zurückzunehmen, und gleichzeitig großzügige Hilfen aus Berlin kassieren.“

Die FDP stellte sich ebenfalls an die Seite Söders: „Deutschland muss ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder endlich konsequent abschieben – auch nach Afghanistan“, sagte Fraktionschef Christian Dürr WELT. „Ein Rechtsstaat, der nicht durchgreift, verliert seine Glaubwürdigkeit.“ Es brauche eine Wende in der Migrationspolitik, um Rückführungen unverzüglich wieder aufzunehmen. Bisher sei dies an der rot-grünen Bundesregierung gescheitert. Mit den Freien Demokraten in einer neuen Bundesregierung werde sich das ändern – „und zwar mit Priorität“.

„Wer Gastrecht missbraucht, hat Gastrecht verwirkt“

Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht unterstützte Söders Vorstoß: „Mehr als 200.000 Menschen in Deutschland sind ausreisepflichtig. Allein im letzten Jahr hat Deutschland über 100.000 Flüchtlinge ohne Schutzbedarf neu aufgenommen“, sagte die Parteichefin WELT. Solange es dabei bleibe, dass nahezu jeder, der nach Deutschland komme, hier bleiben könne, lasse sich unkontrollierte Migration nicht stoppen. „Zumindest Straftäter müssen unverzüglich und ohne Rücksicht auf das Herkunftsland abgeschoben werden. Wer Gastrecht missbraucht, hat Gastrecht eben auch verwirkt und muss gehen, auch zu den Taliban.“

AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel nannte Söders Vorstoß indes „eine reine PR-Show“ und „schlichtweg Wählertäuschung“. „Die für den migrationspolitische Kontrollverzicht hauptverantwortliche Union tut kurz vor der Bundestagswahl so, als ob sie die selbst verschuldete Migrationskrise ernsthaft lösen will. Die von CDU/CSU betriebene unverantwortliche Politik der unkontrollierten Massenzuwanderung ab 2015, die die Ampel nahtlos fortgeführt hat, hat zu einem beispiellosen Zerfall der inneren Sicherheit in Deutschland geführt.“ Aber „rechts blinken und links abbiegen“ verfange beim Bürger nicht mehr. Behauptungen des Auswärtigen Amtes und der Grünen, dass Abschiebungen nach Afghanistan kaum durchführbar seien, seien vorgeschoben und sollten den politischen Unwillen von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zu Abschiebungen verdecken. „Wir brauchen die sofortige Migrationswende – sonst droht Deutschland der unumkehrbare zivilisatorische Abstieg.“

Deutlichen Widerspruch bekommt Söder von der Linkspartei. Die Vorsitzende Ines Schwerdtner verwies darauf, dass die Familie der in München getöteten Frau und des zweijährigen Mädchens sich gegen eine politische Instrumentalisierung der Tat ausgesprochen habe. „Auch im Moment größten Schmerzes zu den eigenen Werten von Vernunft und Solidarität zu stehen, zeigt eine Größe, die ich beeindruckend finde“, so Schwerdtner. „Genau dagegen versündigt sich Söder, wenn er jetzt die Tat für seinen Abschiebe-Populismus missbraucht. Söder sollte sich was schämen.“

Ein 24-jähriger afghanischer Staatsangehöriger wird beschuldigt, am Donnerstagvormittag mit seinem Pkw gezielt in den Demonstrationszug gefahren zu sein. Eine Mutter und ihre Tochter wurden dabei getötet, 37 Menschen teils schwer verletzt. Die Ermittler gehen von einem islamistischen Motiv aus.