Die scheidende Bundesregierung hat wachsende Risiken ausgemacht, dass europäische Unternehmen in der internationalen Standardsetzung ins Hintertreffen geraten. Bei digitalen Technologien könne ein Nachteil gegenüber chinesischen und anderen Unternehmen entstehen.
Dazu trage auch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom März 2024 bei, dass europäische Normen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden müssen („Malamud-Entscheidung“). Dies geht aus der Antwort der Regierung auf eine der letzten kleinen Anfragen der Unionsfraktion in der abgelaufenen Legislaturperiode hervor.
„Eine Schwächung der Einnahmesituation der europäischen Normungsorganisationen könnte dazu führen, dass weniger europäische Normen entwickelt oder bestehende nicht mehr zeitnah aktualisiert werden könnten“, heißt es in der Antwort des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz.
Opposition kritisiert fehlende Antwort Deutschlands
Hingegen könnten Länder wie China mit staatlicher Unterstützung einen wachsenden Einfluss auf internationale Normungsgremien ausüben. „Dies sind ernstzunehmende Entwicklungen, auf welche die Bundesregierung bisher keine adäquate Antwort gefunden hat“, kritisiert der CDU-Abgeordnete und Berichterstatter zum Thema Nicolas Zippelius. „Dies muss nun im Rahmen der nächsten Legislatur prioritär angegangen werden.“
Laut der EU-Handelskammer in China passen drei Viertel der Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen an den dortigen Markt an. Mehr als ein Drittel der befragten Unternehmen tun dies allerdings, weil China seine Vorschriften gegenüber den internationalen Standards verändere. Das führe zu höheren Kosten und Ineffizienzen.
Das Wirtschaftsministerium gibt an, die Umsetzung der EuGH-Entscheidung obliege der EU-Kommission. Da die privatwirtschaftliche Finanzierung von Normen unter Druck gerate, stelle sich die Frage nach alternativen Modellen. Eine Finanzierung durch die öffentliche Hand widerspreche der bisherigen Philosophie der Standardsetzung. Positiv sei zu werten, dass die Kommission Anfragen nicht mehr pauschal und ohne Prüfung einer materiellen Berechtigung bewilligen wolle.
Deutschland besetzt zweitmeiste Sekretariate
Die Machtverhältnisse in der Standardsetzung verschieben sich: Dennoch besetzt die deutsche Wirtschaft nach der chinesischen weiterhin die zweitmeisten Sekretariate. China habe im Jahr 2024 mit 17,4 Prozent auf Platz 1 gestanden, Deutschland mit 14,4 Prozent auf dem zweiten, danach folgten die USA mit 11,7 Prozent. Großbritannien, Frankreich, Japan, Schweden und Kanada waren ebenfalls gut vertreten.
„Grund für den nun dringenden Handlungsbedarf im Bereich Normierung und Standardisierung“, so hält es Zippelius fest, sei das „von der Bundesregierung auf Nachfrage richtig erkannte, mittelbare Risiko eines Wettbewerbsnachteils, insbesondere gegenüber China.“ Die künftige Regierung müsse sich mit chinesischem Protektionismus und der Fortbildung deutscher Experten für die Normierung beschäftigen.