Große FOCUS-online-Serie: Das sagt Deutschland zur Wahl: „Mein Leben wird dadurch bestimmt nicht besser“

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In der Pflanze steckt keine Gentechnik

Aber keine Sorge:
Gentechnish verändert

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Sonntag, 23.02.2025, 22:56

Viele Menschen klagen, die aktuelle Politik gehe an ihrer Lebenswirklichkeit vorbei. Doch was wünschen sie sich? FOCUS-online-Reporter reisten vor der Wahl durch Deutschland und fingen die Stimmung ein. Am Wahlabend haben wir die Protagonisten gefragt: Was halten Sie vom Ergebnis?

Deutschland hat gewählt, die ersten Hochrechnungen sind raus . Die CDU liegt in Führung, gefolgt von der AfD. Vor der Wahl haben FOCUS-online-Reporter Deutschland bereist und die Menschen gefragt: Was wünschen Sie sich? Nach der Wahl haben wir wieder mit Ihnen gesprochen und wollen diesmal wissen: Was halten Sie vom Ergebnis? Was erhoffen Sie sich von der neuen Bundesregierung? Die Antworten im Protokoll:

Tafelchefin appelliert: „Wir brauchen jetzt eine Politik, die den Menschen die Angst vor dem finanziellen Abstieg nimmt“

22.53 Uhr: Die Wahlnacht bleibt spannend für Jonah Maria Lindinger . Sie leitet die Regensburger Tafel und unterstützt mit ihrem Team Menschen am Existenzminimum. Die 49-Jährige richtet einen Appell an die Bundesregierung: „Egal wer jetzt die Regierung anführt, muss für alle Menschen in Deutschland da sein.“ Von Armut betroffene Menschen müssten jetzt Gehör finden, so Lindinger. Die Tafeln seien dafür ein guter Ansprechpartner: „Der Staat ist in der Verantwortung, für die Menschen etwas zu tun. Wir brauchen krisenfeste Renten, Löhne, die zum Leben reichen und eine Kindergrundsicherung, die das Wort verdient.“ Das Ergebnis der AfD zeige, dass die Menschen sich nicht mehr ausreichend von der Politik verstanden fühlen: „Wir brauchen jetzt eine Politik, die den Menschen die Angst vor dem finanziellen Abstieg nimmt“, fordert Lindinger.

Bürgergeld-Empfänger zu Merz-Sieg: „Mein Leben wird dadurch bestimmt nicht besser“

 

22.08 Uhr: Thomas Wasilewski (61) aus Mönchengladbach lebt mit seiner Frau und drei Kindern von Bürgergeld. Das Ergebnis der Bundestagswahl macht ihm Sorgen: „Das Friedrich Merz Kanzler wird, ist für mich als Bürgergeldempfänger natürlich keine gute Nachricht“, sagt er, denn: „Merz steht für sozialen Kahlschlag und mein Leben wird dadurch bestimmt nicht besser.“ Ihn beschäftigt vor allem die Zukunft seiner Kinder, ihre Chancengleichheit sei mit einem Kanzler Friedrich Merz eine Illusion: „Aufstieg durch Bildung ist in unserem Land ein leeres Versprechen“, kritisiert Wasilewski. Das Abstimmverhalten der CDU/CSU macht ihm wenig Hoffnung auf Besserung: „Wer nicht bereit ist, in unserem Land Geld für Bildung und Weiterbildung auszugeben, wird den Fachkräftemangel nur verstärken.“ Und die CDU habe bisher nicht gezeigt, dass sie hier investieren wolle.

Unternehmer warnt: „Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass sich in Deutschland was ändert“

 

20.45 Uhr: Rico Schiller saß als politischer Häftling im DDR-Gefängnis, wurde freigekauft und kam mit nichts als seinen Klamotten am Leib in den Westen. In Bayern arbeitete er sich zum erfolgreichen Hörgeräteakustiker hoch. Das Wahlergebnis macht ihm große Sorgen: „Wir haben jetzt ein riesiges Problem, denn das ist kein Politikwechsel, mit dieser Kombination geht wieder nichts vorwärts.“ Schiller hatte gehofft, dass eine neue Regierung, den Mittelstand und die Wirtschaft stärken könnte: „Unternehmer müssen entlastet werden, damit sie Arbeitsplätze schaffen und so die Wirtschaft wieder ankurbeln.“

Aber dafür habe die CDU trotz ihres Sieges zu wenige Stimmen bekommen: „Viele tolle Projekte werden nicht umgesetzt werden, wir werden eine Verschleppung der Politik sehen, bis die Koalition wieder nicht funktioniert.“ Das Scheitern der neuen Regierung ist für ihn „glasklar“.  „Wenn ich mein Unternehmen so führen würde, wäre ich, längst in Konkurs. Als Unternehmer vertrauen mir die Menschen, dass ich das, was ich sage, auch umsetze, das muss nicht richtig sein, aber ich muss aus meinen Fehlern lernen, ich muss Entscheidungen treffen und ich muss den Mut haben, meine Herangehensweise zu ändern, wenn ich sehe, dass das nötig ist.“ 

Besonders große Sorgen mache ihm das Gefälle in Deutschland zwischen Ost und West: „Wir haben ein Ost-West-Problem, das ist kein Wir. „ Das könne man auch niemandem verübeln: „Was sieht man denn, wenn man durch den Osten fährt? So viel Verfall und so wenig junge Leute.“ Dem müsse de Politik auch Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung entgegenwirken:  „Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass sich in Deutschland was ändert und das geht nicht ohne Unterstützung für den Osten.“

Melanie Kalt verlor in der Ahrtalflut ihr Haus: „Habe wenig Vertrauen, dass die Amtsinhaber sich dieser Verantwortung bewusst sind“

20.16 Uhr: Melanie Kalt gehört zu den Opfern der Flutkatastrophe im Ahrtal. Sie verlor ihr Haus und kämpft bis heute um die Wiederaufbauhilfe. Sie könne das Ergebnis noch nicht richtig einschätzen, sagt sie: „Ich hoffe vorallem, dass die zukünftigen AmtsinhaberInnen ihre Versprechen zum Bürokratieabbau einhalten.“ Die Familie wartet noch heute auf Zahlungen aus den Ahrtal-Hilfen, ist auf das Geld angewiesen, um ihr Leben wieder aufzubauen. Sie hofft, dass sich eine neue Regierung vor allem die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB), die Arbeit der Staatskanzlei und die Prozesse für die Bewilligung der Hilfen für das Ahrtal anschauen: „Ich habe wenig Vertrauen, dass die Amtsinhaber sich dieser Verantwortung bewusst sind.“

Anette Kalt: „Die Bedingungen, die die Politik geschaffen hat, sind familienfeindlich“

19.44 Uhr: Anette Kalt ist die Schwiegermutter von Melanie Kalt und gehört ebenfalls zu den Opfern der Flutkatastrophe im Ahrtal. Doch am Wahlabend steht ein anderes Thema für sie im Fokus: „Ich hoffe, dass wir die Kurve kriegen, dass die Politiker endlich wieder ihre Arbeit machen und das bedeutet für mich vor allem, Familien zu unterstützen.“ Jungen Eltern werde zu viel abverlangt, warnt die 58-Jährige: „Die Bedingungen, die die Politik geschaffen hat, sind familienfeindlich.“ Sie wünscht sich von der neuen Bundesregierung nicht nur eine bessere Betreuung, sondern mehr Familienzeit: „Betreuung ist nicht das gleiche, wirklich Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, können sich Gutverdiener viel besser leisten und das ist einfach unfair.“

Ex-Ahrtal-Bürgermeister Peter Richrath: „Wünsche mir, dass Gesetze zur Einwanderung konsequent eingehalten werden“

19.17 Uhr: Peter Richrath war fast zehn Jahre Bürgermeister an der Ahr. Eine persönliche Krise machte dem 67-Jährigen klar, worauf es in der Gesellschaft und der Politik wirklich ankommt. Am Wahlabend sagt er FOCUS Online: „Ich sehe keine große Verbesserung zur vorherigen Regierung, die wurschteln da jetzt was zusammen, aber Hauptsache wir bekommen keine österreichischen Verhältnisse.“ Auch er fürchtet, dass die CDU die „Brandmauer“ gegen die AfD doch noch einreißen wird: „Ich kann mir schon vorstellen, dass die CDU umkippt und mit der AfD koaliert.“ 

Eine Mitschuld dafür sieht er bei der SPD: „Die hätte bei der Abstimmung zur Migrationspolitik im Bundestag mit der CDU zusammenstehen müssen, vorher waren sie auch für den Vorschlag, das war absolut unglaubwürdig.“ Für ihn muss die neue Bundesregierung vor allem das Migrationsthema angehen: „Als Vater von vier Töchtern wünsche ich mir, dass unsere Gesetze zur Einwanderung konsequent eingehalten werden. Es kann nicht sein, dass andere Länder Flüchtlinge einfach zu uns durchreichen.“ Er sehe Flüchtlinge durchaus als Linderung für den Fachkräftemangel, „aber dafür brauchen wir eine vernünftige Integration, angefangen bei Deutschkursen und einer besseren Unterbringung.“

Serie: “So geht es Deutschland wirklich”

Viele Menschen klagen, die aktuelle Politik gehe an ihrer Lebenswirklichkeit vorbei. Doch was wünschen sie sich? Wie geht es ihnen? FOCUS-online-Reporter reisen drei Monate durch Deutschland und fangen die Stimmung ein – für eine Serie mit 101 Folgen.

Rentnerin Elke Schilling: „Diese starke AfD macht mir rasende Sorgen“

 

18.49 Uhr: Elke Schilling ist Rentnerin, lebt in Berlin und betreibt dort eine Hotline für Menschen, denen im Alter die Einsamkeit zu viel wird. Die 80-Jährige ist erbost über das Ergebnis der AfD, die nach aktuellen Hochrechnungen bei 19,7 Prozent (Stand 18.42 Uhr) liegt: „Diese starke AfD macht mir rasende Sorgen. Es kann doch nicht sein, dass wir in Deutschland in die gleiche Situation wie vor 85 Jahren marschieren.“ Eine Koalition zwischen CDU und AfD befürchtet sie zwar nicht, aber, dass „die Brandmauer fällt und die CDU im Bundestag regelmäßig gemeinsame Sache mit der AfD macht.“ Sie hatte sich zudem mehr Stabilität in der Regierung gewünscht: „Wir hatten jetzt in den vergangenen Jahren ständig so ein Hin und Her für die Wirtschaft, das hat so viele Arbeitsplätze gekostet und das ist schlecht für meine Kinder und Enkel.“

Solar-Unternehmer Floyd Janning: „CDU kann mit SPD und Grünen ein starkes Paket für den Ausbau der erneuerbaren Energien schnüren“

18.32 Uhr:Floyd Janning gehört zu den Krisengewinnern in Deutschland. Während andere Industrie-Branchen am Boden liegen, verbucht der 30-Jährige mit seiner Solar-Firma in Hildesheim einen Umsatzrekord nach dem anderen. Er hofft nun auf eine Kenia-Koalition aus CDU/CSU, Grünen und SPD: „Die CDU hat noch nicht gut genug verstanden, wie Energiepolitik funktioniert, wir brauchen hier einen viel stärkeren Ausbau, aber ich glaube, dass die CDU mit SPD und Grünen ein starkes Paket für den Ausbau der erneuerbaren Energien schnüren kann“, sagt Janning zu FOCUS online. Insgesamt stimmt ihn der Wahlausgang positiv: „Mit der CDU kommen wir von der Schuldenbremse weg und fangen an, in Infrastruktur und Ausbau der erneuerbaren Energien zu investieren und das ist dringend nötig.“

Wie geht es Ihnen? Schreiben Sie uns, liebe User!

FOCUS online schickt in den kommenden Wochen Reporter quer durch Deutschland, um die aktuelle Stimmung einzufangen. Auch Sie können uns schildern, was sie bewegt, was sie ärgert, was sich ändern sollte. Schreiben Sie an mein-bericht@focus.de

pli/