Noch vor zehn Jahren bestand sie aus drei Divisionen – inzwischen sind drei weitere im Aufbau begriffen. Weil es aber nicht genügend Berufssoldaten gibt – die allgemeine Wehrpflicht ist in Polen ähnlich wie in Deutschland ausgesetzt – haben die Divisionen nicht die volle vorgesehene Stärke, sondern müssen mit etwa 80 Prozent des Personals auskommen. Darüber hinaus fehlen beispielsweise Kampfjet-Piloten.

Auch die Qualifikation der Soldaten lässt zu wünschen übrig. Dies hängt mit den politisch motivierten Entlassungen der ehemaligen PiS-Regierung zusammen. Viele altgediente Militärs, die die Regierung als politisch unzuverlässig einstufte, wurden aus dem Dienst gedrängt. Dafür reichte es z.B., dass man seine Laufbahn noch vor der politischen Wende 1989 begonnen und an einer Militärakademie in der Sowjetunion studiert hatte. Oder dass man den Flugzeugabsturz vom 10. April 2010, bei dem u.a. Präsident Lech Kaczyński ums Leben kam, entsprechend den offiziellen Ermittlungen als Unfall bezeichnete, statt die von der PiS lancierte Anschlagsthese zu unterstützen.

Oft waren das Offiziere mit einem unschätzbaren Fachwissen, die an echten Militäreinsätzen in Afghanistan und im Irak teilgenommen hatten. Jüngere, politisch PiS-nahe Soldaten und oft ohne diese Erfahrungen, wurden beschleunigt befördert, um die Lücken zu schließen. Statt eines regulären Studiums an einer Militärakademie reichten dafür Wochenendkurse. So ist nicht nur viel Knowhow verlorengegangen, es fehlen auch kampferfahrene Ausbilder für den militärischen Nachwuchs.

Um die körperliche Fitness der polnischen Berufsarmee ist es ebenfalls nicht zum Besten bestellt. Der Oberste Rechnungshof hat geprüft, wie sportlich die Soldaten sind. Das Ergebnis war wenig erbaulich. In vielen Kasernen wurden erhebliche Mängel beim Pflichtsport aufgedeckt. Das vorgeschriebene Soll wurde nicht erfüllt, und häufig fehlte es an der notwendigen Infrastruktur oder an qualifizierten Trainern. Im Jahr 2022 haben sich 17 Prozent der Soldaten vor der obligatorischen Sportprüfung gedrückt, neun Prozent sind dabei durchgefallen. Außerdem wurden Anwesenheitslisten gefälscht und Sportlager außerhalb der Kaserne oft zu Urlaub umfunktioniert.

Wenig Munition, aber findige Rüstungsindustrie

Die Mängelliste geht bei Waffen, Munition und Ausrüstung weiter, die für die sechs Divisionen einfach nicht ausreichen – und das, obwohl Polen eine seit der Wende einmalige Aufrüstungsoffensive gestartet hat. Es fehlt nicht nur an großem Militärgerät wie Haubitzen und Truppentransportern, sondern auch an etwas so Grundlegendem wie Munition. Die einheimische Rüstungsindustrie produziert im Jahr gerade mal so viele Artilleriegeschosse, wie Russland in der Ukraine binnen drei bis vier Tagen verschießt. Auch bei persönlicher Schutzausrüstung wie Helmen oder schusssicheren Westen gibt es Lücken. Vereinzelt mussten Reservisten bei Übungen sogar bereits getragene Uniformen und Unterwäsche “recyclen”.

Dass sich die Lage schnell bessert, ist wenig wahrscheinlich. Zwar will die Regierung die jahrelang vernachlässigte polnische Rüstungsindustrie stärken, doch das wird noch Jahre dauern. Viele Komponenten werden inzwischen gar nicht mehr im Inland hergestellt – etwa Nitrocellulose für die Sprengstoffproduktion, Schießpulver, Anzündhütchen, Stahlkorpusse für Artilleriegeschosse oder Einlagen für schusssichere Westen. Gleichwohl hat die polnische Rüstungsindustrie viele moderne Neuentwicklungen vorzuweisen, die sich im Ukraine-Krieg bereits bewährt haben. Das Knowhow ist also vorhanden, ein Problem bleibt aber das fehlende Kapital.