Mit zwei vollgepackten Einkaufstüten läuft eine Frau über den Parkplatz der Luxexpo. Aus einem Auto nehmen ein Mann und eine Frau mehrere Transportboxen. Die durchsichtigen Behälter sind gefüllt mit Leckereien aus Blätterteig. Es ist kurz vor 11.00 Uhr, in einer halben Stunde wird der zweite Tag des „Festival des migrations, des cultures et de la citoyenneté“ beginnen. An 400 Ständen kann man sich dort bei Organisationen oder Vereinigungen über deren Aktivitäten informieren und vor allem: andere Kulturen kennenlernen.
Verschiedene Nationen bieten dafür an ihren Ständen landestypische Gerichte an. „Bei uns gibt es heute Borschtsch, eine ukrainische Suppe aus Roter Beete und anderem Gemüse. In manchen Familien wird das traditionelle Gericht mit Fleisch serviert, meine Mama macht dieses immer vegetarisch“, erzählt Nataliya Tkachenko. Seit 13 Jahren lebt die Ukrainerin in Luxemburg. Begeistert erzählt die 34-Jährige, dass an dem ukrainischen Stand in der Luxexpo sowohl vegetarische Gerichte als auch welche mit Fleisch angeboten werden: „Viele fasten vor Ostern, auch meine Mutter. Ich selbst nicht, aber einige meiner Freunde verzichten der Gesundheit zuliebe auf Fleisch.“
Besonders liegt der engagierten Frau am Herzen, dass an dem ukrainischen Stand „Plov“ – ein auch unter der Bezeichnungen „Pilaf“ bekanntes Reisgericht – angeboten wird. Denn, so erzählt sie: „Das ist kein traditionell ukrainisches Gericht. Es wird oft von auf der Krim lebenden Tataren zubereitet. Wir wollen so unsere Unterstützung ausdrücken.“ Ob nun Borschtsch, Plov oder Holubtsi – mit Fleisch und Reise gefüllte Kohlrouladen: Die Besucherinnen und Besucher des „Festivals des migrations“ haben laut der Ukrainerin keine Berührungsängste und probieren die Gerichte gerne aus.
Wenn Nataliya Tkachenko in Luxemburg Gerichte aus ihrem Herkunftsland essen will, kann sie dies inzwischen in einem ukrainischen Restaurant in Kehlen tun, das vor kurzem eröffnet hat. „In Arlon gibt es ebenfalls ein Lokal mit ukrainischer Küche.“ Allerdings wird auch in diesem Jahr im Juni in Luxemburg wieder eine Aktion stattfinden, bei der Restaurants während zwei Wochen ukrainische Gerichte in ihre Speisekarte aufnehmen. Wenn die junge Frau selbst traditionelle Gerichte kocht, findet sie die Zutaten meist in gewöhnlichen Supermärkten, manchmal auch in Läden mit Produkten aus Polen.
Auch Melis Pelivani wird in den klassischen Supermärkten fündig, wenn er typisches Essen aus Kosovo kochen will. Mit zwei Jahren kam er ins Großherzogtum. „Du musst danach viel trinken, es enthält viel Salz“, sagt der 28-Jährige lachend, als am Stand des Vereins „Luxembourg-Gora“ ein Gast „Maznik“ probiert. Dieses Gericht, das aus mehreren Schichten dünnen Teigs besteht, wird normalerweise im Freien über dem Feuer zubereitet. In Luxemburg nutzen viele zu Hause einen elektrischen, runden Grill für die Zubereitung des zeitaufwendigen Gerichts.
Restaurants, in denen traditionelles Essen aus Melis Pelivanis Herkunftsregion Gora – eine im Südwesten des Balkans gelegen Region, die Teile von Kosovo, Nordmazedonien und Albanien umfasst – angeboten wird, kennt er in Luxemburg nicht. Dabei gibt es viele typische Gerichte aus dieser Region. „Der Tisch ist zu klein, um diese alle zu präsentieren“, sagt Semir Jamini lachend. Der 37-Jährige lebt seit 25 Jahren in Luxemburg und kam wegen des Kosovo-Krieges. Ihm zufolge gelten die Backwaren aus seiner Region als „die besten aus dem Balkan“. An diesem Tag bietet sein Verein unter anderem Baklava an.
Das süße Gebäck gibt es aber auch am Stand mit Essen aus der Türkei. „Außer Kebabfleisch werden hier in den Gegenden kaum türkische Gerichte angeboten. Dabei ist unsere Küche sehr vielseitig“, erklärt Yildiz Tulay. Ihre Eltern kamen mit 16 Jahren nach Frankreich, heute lebt die Familie 20 Minuten von der Luxemburger Grenze entfernt. Yildiz Tulay stellt fest, dass es lange Zeit nicht einfach war, Zutaten wie Bulgur, türkischen Käse – ähnlich dem griechischen Feta – oder Kaffee aus der Türkei in der neuen Heimat zu finden. Aber, so die freundliche 45-Jährige: „Inzwischen haben viele Supermarktketten ihr Angebot ausgeweitet.“
Rund zehn Frauen bereiten an diesem Tag an einem kleinen Stand eine Art Pfannkuchen aus festem Teig zu – wahlweise belegt mit Hackfleisch, Käse oder Spinat. „Man kann sie mit allem servieren, was man zu Hause hat. Wir essen sie als Hauptgericht, nicht zum Frühstück oder als Dessert“, so Yildiz Tulay. Zu den „Gözleme“ gibt es schwarzen Tee, der in der Türkei übrigens zu allen Tages- und Jahreszeiten getrunken wird. Schmunzelnd bemerkt Yildiz Tulay mit Blick auf die Teigkugeln, die dann mit einem Stock ausgerollt werden: „Mir gelingt die runde Form nicht, meine werden eher oval. Unsere Mütter haben da echtes Know-how.“ Doch ob nun rund oder leicht oval: Durch ihren Geschmack dürften die „Gözleme“ wohl in jeder Form überzeugen.
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