Berlin. Die Vorsitzende der Partei BSW, Sahra Wagenknecht, hat die Kritiker des schwarz-roten Finanzpakets aufgerufen, den für Dienstag geplanten Beschluss durch eine Verhinderung der Sondersitzung im alten Bundestag abzuwenden. Die Linkspartei müsste dafür – wie auch die AfD – die Einberufung des neuen Bundestags beantragen, sagte Wagenknecht dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
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„Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Ablehnung der Eilanträge noch einmal darauf hingewiesen: Der neue Bundestag muss zusammentreten, wenn ein Drittel der Abgeordneten das verlangt“, sagte die BSW-Chefin dem RND. „Dann darf der alte Bundestag nicht mehr tagen und auch nichts mehr entscheiden.“
Umstrittene Rechtsauffassung
Wagenknecht rief die Linkspartei zu diesem Schritt auf, um „das größte Schulden- und Aufrüstungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik“ zu verhindern. Die Ex-Vorsitzende der Linken im Bundestag betonte, dass ihre frühere Partei dafür nicht mit der AfD zusammenarbeiten müsste. „Sie müsste der Präsidentin des Bundestages einfach nur mitteilen, dass sie die sofortige Einberufung des neuen Bundestages verlangt“, sagte Wagenknecht dem RND. „Wie ehrlich ist ihre Ablehnung der Aufrüstung, wenn sie diese Chance nicht nutzt?“
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Kann der neue Bundestag den alten auflösen?
Allerdings ist die Rechtauffassung, die Wagenknecht ihrem Appell zugrunde legt, mindestens umstritten. Die Linke widerspricht ihr scharf: Die Idee, den neuen Bundestag vorzeitig mit einem Drittel der Abgeordneten einzuberufen, entbehre jeder verfassungsrechtlichen Grundlage, heißt es betont die Linken-Gruppe des scheidenden Parlaments.
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht verweist auf Artikel 39 des Grundgesetzes. Dort heißt es: „Der Bundestag wird vorbehaltlich der nachfolgenden Bestimmungen auf vier Jahre gewählt. Seine Wahlperiode endet mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages.“ In Absatz 3 ist zudem geregelt: „Der Bundestag bestimmt den Schluss und den Wiederbeginn seiner Sitzungen. Der Präsident des Bundestages kann ihn früher einberufen. Er ist hierzu verpflichtet, wenn ein Drittel der Mitglieder, der Bundespräsident oder der Bundeskanzler es verlangen.“
Von insgesamt 630 Sitzen im neuen, 21. Bundestag entfallen auf AfD und Linkspartei zusammen 216 Sitze, ein Drittel liegt bei 210 Sitzen. Demnach können die künftigen Fraktionen von AfD und Linke gemeinsam eine Sitzung des Bundestags erzwingen, so Wagenknecht. Die Linke bestreitet jedoch, dass das auch für die konstituierende Sitzung gilt.
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Tatsächlich verweisen Juristen darauf, dass das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen offen gelassen habe, ob es bei einem Antrag von einem Drittel der neuen Abgeordneten bereits eine Pflicht zur Einberufung des neuen Bundestags gebe. Denn diese würde voraussetzen, „dass der neue Bundestag den Willen zum Zusammentritt gebildet und sich auf einen Termin verständigt hat“ (Az. 2 BvE 3/25, Rz 15). Die Formulierung „der neue Bundestag“ legt nahe, dass eine Mehrheit seiner Abgeordneten nötig ist, um seine Konstituierung zu erzwingen. Dann würden AfD und Linke nicht ausreichen.

Der Brandenburger Abgeordnete Christian Görke ist Parlamentarischer Geschäftsführer der Linken-Gruppe im scheidenden Bundestag.
Quelle: Michael Kappeler/dpa
Das „Selbstversammlungsrecht“ aus Grundgesetz-Artikel 39, auf das sich Wagenknecht bezieht, gelte derweil nach herrschender Meinung wohl nicht für den erstmaligen „Zusammentritt“ des Bundestags, sondern nur für den „Wiederbeginn seiner Sitzungen“. Demnach könnten Linke und AfD nicht den Zusammentritt des neuen Bundestags erzwingen und so den alten vor seiner Sondersitzung entmachten.
Die Linke betonte in Reaktion auf Wagenknechts Vorstoß am Montag, dass sie sich zwar dafür ausspreche, den neuen Bundestag früher zu konstituieren. Dafür sei aber laut Grundgesetz der Beschluss seiner Mehrheit nötig. „Wir lehnen diese von BSW und AfD betriebenen politische Verdummung ab“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken-Gruppe im scheidenden Bundestag, Christian Görke, dem RND. „Wir stehen für eine konsequente Opposition, aber ohne schmierige Tricks und bewusste Falschinformation.“
Görke fügte hinzu: „Alle möglichen Mittel, die uns zur Verfügung stehen, um diesen Aufrüstungswahn zu stoppen, schöpfen wir aus.“ So sei eine erste Klage der Linken in Karlsruhe gerade abgewiesen worden, eine Zweite laufe noch.
Die Karlsruher Entscheidung muss bald ergehen: Nachdem am Sonntag der Haushaltsausschuss des alten Bundestages dem Parlament empfohlen hat, die nötigen Grundgesetzänderungen für zusätzliche Schuldenaufnahmen zu beschließen, ist dafür nun eine Sondersitzung an diesem Dienstag geplant.
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Hinweis: Wir haben gegenüber der ersten Fassung des Textes ergänzt, dass die Frage der Einberufung des neuen Bundestags strittig ist und Die Linke dabei eine andere Auffassung als Sahra Wagenknecht vertritt.