Digitaler Führerschein

Zum neuen Standard in der EU werden soll ein digitaler Führerschein, verfügbar auf dem Smartphone über eine EU-weite digitale Brieftasche (EU e-Wallet).

Die EU-Kommission hat nach dem Inkrafttreten der Reform (20 Tage nach Veröffentlichung im Amtsblatt) zwölf Monate, um die notwendigen technischen Standards für die nationale Umsetzung zu entwickeln.

Danach startet die Umsetzung auf nationaler Ebene. Die EU-Staaten haben dafür dann noch einmal 54 Monate (4,5 Jahre). Allerdings beschlossen die Europaabgeordneten, dass weiterhin das Recht besteht, einen physischen Führerschein zu beantragen.

Probezeit

Die EU-Vorgaben sehen außerdem eine Probezeit von mindestens zwei Jahren für Fahranfänger vor. Nach Angaben von Fani Zaneta vom TÜV-Verband bringt die Einigung auf die neue EU-Führerscheinrichtlinie Licht und Schatten – Fortschritte für die Verkehrssicherheit stünden neben verpassten Chancen.

„Ein starkes Signal ist die EU-weite Einführung einer zweijährigen Probezeit für alle neuen Fahrerinnen und Fahrer. Wer neu am Steuer sitzt, braucht klare Regeln und Orientierung – das schützt Leben. Auch die verpflichtende Schulung zu Fahrerassistenzsystemen ist ein Schritt nach vorn: Technik, die schützt, muss verstanden und beherrscht werden”, so Zaneta.

Null-Promille-Grenze?

Neue Fahrer unterliegen strengeren Regeln und Sanktionen bei Alkohol am Steuer sowie bei Missachtung der Gurtpflicht oder der Nichtnutzung von Kinderrückhaltesystemen. Des Weiteren setzten die Abgeordneten durch, dass die Mitgliedstaaten in dem Text ermutigt werden, eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Alkohol und Drogen zu verfolgen.

Der TÜV-Verband sieht dies als kritisch: “Die neue Richtlinie bringt zwar wichtige Impulse – doch an entscheidenden Stellen fehlt der Mut zur Konsequenz. Wenig nachvollziehbar ist, dass die ursprünglich geplante Null-Promille-Grenze für Fahranfänger gestrichen wurde“, erklärt Zaneta.

Der Referentin für Fahrerlaubnis, Fahreignung und Verkehrssicherheit zufolge wäre eine europaweit einheitliche Regel ein klares und konsequentes Signal gewesen – „gerade in einer Zeit, in der Ablenkung und Alkohol am Steuer zu den Hauptursachen schwerer Unfälle zählen.”

Senkung des Mindestalters für Berufskraftfahrer

Dem Mangel an Berufskraftfahrerinnen und -fahrern entgegenwirken möchte man durch das Herabsetzen des Mindestalters für den Erwerb eines Lkw-Führerscheins von 21 auf 18 Jahre und für Busführerscheine von 24 auf 21 Jahre – vorausgesetzt, der Bewerber oder die Bewerberin besitzt eine Bescheinigung zur Berufskraftfahrerqualifikation.

Eine weitere Neuregelung: EU-Staaten dürfen 17-Jährigen das Fahren eines Lkw oder Transporters erlauben – auf eigenem Staatsgebiet und nur in Begleitung einer erfahrenen Begleitung. Dieses System des begleiteten Fahrens wird EU-weit auch für Pkw ausgeweitet.

Kritisch sieht der TÜV-Verband die geplante Regelung, 15-Jährigen das Fahren mit bis zu 2,5 Tonnen schweren Pkw bei Tempo 45 zu erlauben. Dies stelle dem Verband zufolge ein Sicherheitsrisiko dar.

„Die Risiken für ungeschützte Verkehrsteilnehmende, wie Fußgängerinnen und Radfahrer sind offensichtlich. Hier braucht es mehr Verantwortung und weniger Risiko-Romantik. Die Bundesregierung ist gefordert, bei der nationalen Umsetzung klare Kante für die Sicherheit zu zeigen”, betont Zaneta.

Gültigkeit und Gesundheitschecks

Führerscheine für Motorräder und Pkw sollen 15 Jahre gültig sein, EU-Länder dürfen diesen Zeitraum jedoch auf zehn Jahre verkürzen, wenn der Führerschein auch als nationaler Ausweis dient. Lkw- und Busführerscheine müssen alle fünf Jahre erneuert werden, für ältere Fahrer (ab 65 Jahren) darf die Gültigkeit durch die Mitgliedstaaten verkürzt werden.

Pflicht ist ein medizinscher Check vor der erstmaligen Ausstellung eines Führerscheins, der einen Sehtest und die Untersuchung des Herz-Kreislauf-Systems vorsieht. Allerdings dürfen die Mitgliedstaaten diesen Check bei Pkw- und Motorradführerscheinen durch Selbstauskunftsformulare oder alternative Maßnahmen bei der Erneuerung ersetzen. Doch falsche Angaben können bestraft werden.

Den Abgeordneten zufolge sollen die nationalen Behörden zudem das öffentliche Bewusstsein für die Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Fahrtüchtigkeit stärken.

Aus Sicht des TÜV-Verbands ist die Entscheidung gegen verpflichtende Gesundheitschecks für ältere Verkehrsteilnehmende nachvollziehbar, sie bringe nachweislich keinen relevanten Sicherheitsgewinn. Es brauche wirksame praxistaugliche Maßnahmen, um die sichere Mobilität älterer Menschen so lange wie möglich zu erhalten. 

“Rückmeldefahrten ab 75 Jahren bieten hier einen konstruktiven Ansatz: Sie ermöglichen eine realistische Selbsteinschätzung, stärken das Sicherheitsbewusstsein und helfen, altersbedingte Veränderungen frühzeitig zu erkennen. Mobilität im Alter ist mehr als reine Fortbewegung – sie steht für Selbstbestimmung, Teilhabe und Lebensqualität. Der TÜV-Verband spricht sich daher klar für die Einführung regelmäßiger Rückmeldefahrten aus”, erklärt Zaneta.

Nächste Schritte

Die vorläufige Einigung muss noch vom Rat und dem Parlament bestätigt werden. Die EU-Mitgliedstaaten haben vier Jahre Zeit – mit Ausnahme des digitalen Führerscheins – um die neuen Vorschriften in nationales Recht zu überführen und sich auf die Umsetzung vorzubereiten.

Die überarbeiteten EU-Führerscheinregeln sind Teil eines Verkehrssicherheitspakets, das die Kommission im März 2023 vorgestellt hat.

Ziel sei, die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu erhöhen und bis 2050 möglichst keine Verkehrstoten mehr in der EU zu verzeichnen. Dasselbe Paket enthält auch Regelungen zur Aberkennung der Fahrerlaubnis – über die Parlament und Rat aktuell noch verhandeln.

„Die neue Führerscheinrichtlinie macht das Leben der Menschen einfacher – digitaler, flexibler und unbürokratischer. Gleichzeitig setzen wir ein klares Signal für mehr Verkehrssicherheit im Sinne von Vision Zero: weniger Unfälle, weniger Verletzte und weniger Tote auf unseren Straßen“, so die Berichterstatterin des Europäischen Parlaments, Jutta Paulus (Grüne), und ergänzt: „Darüber hinaus führen wir einheitliche Standards in Europa ein und erleichtern jungen Menschen den Einstieg als Berufsfahrer.“

Paulus zufolge werde außerdem der freiwillige Katastrophenschutzdienst gestärkt und der Fachkräftemangel im Verkehrssektor bekämpft, indem dafür gesorgt werde, dass niemand durch lange Bearbeitungszeiten „in seinem Recht auf Mobilität eingeschränkt wird.”

Sicht des IRU

Laut IRU unterstütze die vorläufige Einigung die Bemühungen, die Straßenverkehrssicherheit zu gewährleisten und den zunehmenden Mangel an Berufskraftfahrern zu lindern.

Der Verband spricht von einem Meilenstein in vielen wichtigen Fragen, wie dem Mindestalter für Fahrer, begleitetem Fahren für junge Fahrer, der Erleichterung für alternativ angetriebene Fahrzeuge, einem EU-Rahmen für die Anerkennung von Führerscheinen aus Drittstaaten und der Einführung eines harmonisierten digitalen Führerscheins.

Die EU-Direktorin des IRU-Verbands Raluca Marian sieht in der vorläufigen Einigung eine echte Unterstützung auf EU-Ebene für die Beseitigung von Hindernissen für den Fahrerberuf. Dies sei angesichts der sich verschärfenden Engpässe von entscheidender Bedeutung.

„Sie sorgt für Rechtsklarheit, modernisierte Vorschriften und Fortschritte beim Zugang junger Menschen, bei Fahrern aus Drittstaaten und bei digitalen Führerscheinen“, so Marian.

Man vertraue darauf, dass das Ganze sowohl vom Rat als auch vom Europäischen Parlament formell gebilligt wird, zeigt sich Marian zuversichtlich.