Vor einigen Tagen geriet Steve Witkoff geradezu ins Schwärmen. „Positiv, produktiv und konstruktiv“ sei die erste Verhandlungsrunde zwischen den USA und Iran über Teherans Atomprogramm verlaufen. Es gebe Dialogbereitschaft, ein Kompromiss sei vorstellbar.

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Das klang nach Zuversicht, als sei bereits der Weg Richtung Einigung bereitet. Was wohl auch heißen soll: Ich mache als Donald Trumps Sondergesandter einen verdammt guten Job.

Irans mächtigster Mann, Ajatollah Ali Chamenei, war da deutlich zurückhaltender. Recht nüchtern erklärte er, es gebe weder Anlass zu extremen Pessimismus noch zu übertriebenen Optimismus.

Christian Böhme ist Leiter des Ressorts Internationale Politik. Er fürchtet, dass sich Trumps Sondergesandter sowohl vom Iran als auch von Russland über den Verhandlungstisch ziehen lässt.

Da sprach der gewiefte Taktiker. Einer, der das Geschäft des Verhandelns beherrscht. Der weiß, wie wichtig es ist, weder Stimmungen preiszugeben noch dem Gegenüber zu schnell nachzugeben.

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Insofern dürften Witkoffs Naivität und Übermut bei Irans Machthaber auf große Begeisterung gestoßen sein: Schaut ihn euch an, das ist der Mann, den die Supermacht Amerika geschickt hat, um die Islamische Republik von ihren nuklearen Ambitionen abzubringen. Eine Lachnummer.

Doch zum Lachen ist das, was Witkoff von sich gibt, überhaupt nicht. Es ist vielmehr hochgefährlich.

Ohne jede diplomatische Raffinesse

Denn dem Immobilienunternehmer, der in Trumps Auftrag einige der heikelsten Konflikte der Welt lösen soll, fehlen sowohl diplomatische Raffinesse als auch für diesen Job dringend notwendige grundlegende Kenntnisse darüber, womit er es zu tun hat. Dabei ist eines entscheidend: Kenne deinen Feind.

Gewiefter Taktiker: Irans Revolutionsführer Chamenei

© IMAGO/ABACAPRESS/IMAGO/SalamPix/ABACA

Erschwerend kommt hinzu, dass der 68-Jährige offenbar auch Teil eines Machtkampfes um Richtungsentscheidungen im Weißen Haus ist. Bei den Gesprächen mit dem Iran wird das offenkundig.

Anfang der Woche sprach Wittkoff noch davon, dass Teheran womöglich weiter auf niedrigem Niveau Atomkraft zivil nutzen könne, solange das Regime umfassende Kontrollen zulasse. Kaum einen Tag später dann eine Kehrtwende.

Für die Mullahs muss der Eindruck entstehen: Witkoff hat nichts zu sagen, man braucht ihn und seine Worte nicht ernst zu nehmen.

Christian Böhme

Plötzlich forderte Amerikas Chefunterhändler, der Iran müsse doch auf sein Nuklearprogramm vollständig verzichten. Offenbar haben sich Hardliner in der US-Administration vorerst durchgesetzt. Sie pochen darauf, dass Teheran komplett atomar abrüstet. Kompromisse? Kommen nicht infrage.

Hat Witkoff überhaupt etwas zu sagen?

Für die Mullahs muss der Eindruck entstehen: Witkoff hat nichts zu sagen, man braucht ihn und seine Worte nicht ernst zu nehmen. „Widersprüchlich“ nennt Irans Außenminister Abbas Araghtschi das Hin und Her in Washington.

Genau das spielt dem „Gottesstaat“-Regime in die Hände. Zum einen, weil es dafür spricht, dass Trumps Emissär sich womöglich recht leicht über den Verhandlungstisch ziehen lässt.

Setzt auf Verhandlungen mit dem Iran, droht aber auch mit Militärschlägen: Donald Trump

© AFP/SAUL LOEB

Zum anderen gibt das Hin und Her den Herren in Teheran die Möglichkeit, das zu tun, was sie am besten können: auf Zeit spielen, beschwichtigen, die wahren Ziele kaschieren.

Denn nur wer nichts hören oder sehen will, wird behaupten, dass der Iran sein Atomprogramm nur zu friedlichen Zwecken nutzen will. Warum reichert er dann Uran so weit an, dass es ohne größere Probleme für eine Nuklearwaffe genutzt werden könnte?

Nett bewirtet: Putin empfängt Witkoff in Sankt Petersburg.

© IMAGO/SNA/IMAGO/Gavriil Grigorov

Ähnlich verhält es sich mit Russland. Wladimir Putin beteuert auch wahrheitswidrig, die Ukraine hätte ihm quasi einen Krieg aufgezwungen. Der Kreml sei gesprächsbereit, habe nur Frieden im Sinn.

Doch was passiert, wenn dieses Narrativ verfängt? Zum Beispiel bei Steve Witkoff, der auch den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine lösen soll?

Moskau auf den Leim gehen

Nach einem vierstündigen Gespräch mit dem Kriegstreiber Putin gab der US-Amerikaner jüngst zu Protokoll, der Kremlchef habe nichts anderes als einen dauerhaften Frieden im Sinn. Man käme einem Deal über eine Waffenruhe immer näher.

Wie der Iran freut sich auch Russland, wenn man ihm so auf den Leim geht. Wo es eindeutige Ansagen braucht, stellt Witkoff Zugeständnisse in Aussicht.

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Das ist genau nach Putins Geschmack: Nicht er, sondern die anderen müssen liefern, am besten klein beigeben. Darauf will er mit aller Gewalt sein russisches Großreich gründen. Witkoff stellt sich dem ebenso wenig entgegen wie sein Chef Trump.

So löst man keine Krisen, sondern verschärft sie.