„Das Matheabitur im Saarland ist das unmenschlichste, unschaffbarste Matheabitur aller Zeiten“, sagt Levi Penell und schaut ernst in die Kamera. Hunderttausende Nutzer haben das satirische Video des Influencers auf Instagram und Tiktok gesehen. „Prüfung war zu schwer – alle sagen das“ kommentiert ein Nutzer das Reel. Seine Fans geben ihm recht, obwohl die Klausuren erst im Mai sind. Aber die Angst scheint groß zu sein.

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Aufgaben nicht geprüft, zu schwer oder nicht verfügbar – das Matheabitur sorgt immer wieder für Ärger: 2022 in Niedersachsen und 2023 in Mecklenburg-Vorpommern hatten Schulbehörden beispielsweise Abinoten im Fach Mathematik nachträglich um einen Punkt höher gewertet. In beiden Fällen wurden die Klausuren als zu umfangreich eingestuft, um in der vorgegebenen Zeit fertig zu werden. Ist das Mathe-Abi also ein ernstes Problem?

Fabian Schön, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz (BSK) sagt: Ja. „Das Mathematik-Abitur ist schwer – und das bundesweit.“ Gleiche Chancen und gerechte Bildung sei für Schüler durch aktuell unterschiedliche Prüfungsstandards der Bundesländer schlicht nicht gegeben. „Gerade das Fach Mathematik zeigt exemplarisch, wie groß die Lücke zwischen Anspruch und Realität ist“, sagt er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

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Laut Schön überfordern die Abiturprüfungen die Schüler häufig. Die Zeit sei zu knapp, um alle Themen im Unterricht ausreichend zu vertiefen oder gezielt zu üben. Die Schüler seien so gezwungen, einen erheblichen Teil in ihrer Freizeit zu lernen.

„Manche können sich Nachhilfe leisten, andere müssen neben der Schule arbeiten, um sich Essen, Miete oder Schulmaterialien leisten zu können.“

Fabian Schön,

Generalsekretär

Für den Generalsekretär sind gute Noten im Matheabitur mehr als eine Fleißfrage: „Während sich manche private Nachhilfe leisten können oder Unterstützung aus dem Elternhaus erhalten, müssen andere neben der Schule arbeiten, um sich überhaupt Essen, Miete oder Schulmaterialien leisten zu können.“ Zeit, Geld und Unterstützung seien ungerecht verteilte Ressourcen.

Deutschlands Schülervertretung hat deshalb drei Forderungen für ein bundesweit faireres Matheabitur. Dieses sollte nach Ansicht von Schön inhaltlich besser auf den Unterricht abgestimmt, alle Schülerinnen und Schüler unabhängig von Herkunft oder Wohnort gleich behandeln und auf „Bildungsgerechtigkeit statt Elitenförderung“ ausgerichtet sein. Er betont: „Nur dann wird das Matheabitur seinem eigentlichen Zweck gerecht: die Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern fair zu prüfen – und nicht ihre äußeren Bedingungen.“

Der Präsident des Lehrerverbandes, Stefan Düll, kommentiert das Video des Influencers Levi Penell so: „Sehr humorvoller Umgang mit der Tatsache, dass immer irgendjemand in mindestens einem Bundesland der Meinung ist, das Matheabitur sei zu schwer gewesen. Dabei handelt es sich um Aufgaben, wie sie im Unterricht zwei Jahre lang vorbereitet wurden.“

Mathe-Abi: Aufgaben aus Länderpool

Ähnlich äußert sich der Vorsitzende des saarländischen Philologenverbandes, Marcus Hahn. „Stimmt einfach nicht“, sagt er und verweist auf den für Deutschland standardisierten Aufgabenpool, aus dem das Saarland traditionell viele Fragen übernehme.

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Experten aus allen Bundesländern erarbeiten hierfür Aufgaben beziehungsweise Aufgabenteile für die Fächer Deutsch, Englisch, Französisch und Mathematik. Sowohl Lehrer als auch Schüler können sich an den Beispielaufgaben des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) orientieren.

Lehrer und Vertreter der Abiturkommissionen werden vom IQB zu den eingesetzten Poolaufgaben anschließend befragt sowie die Vor- und Prüfungsleistungen der Schüler verglichen. Die letzte verfügbare Bewertung der Abiturprüfungen stammt aus dem Prüfungsjahr 2022.

Die befragten Lehrer schätzten die Schwierigkeit in den meisten Ländern tatsächlich als etwas zu hoch ein. Es gab allerdings Bundesländer, in denen Lehrer die Prüfungen mehrheitlich als angemessen beurteilten. Der Umfang der Aufgaben wurde je nach Land ebenso unterschiedlich beurteilt, was laut des IQB darauf zurückzuführen ist, dass den Prüflingen während der Pandemie in einigen Ländern zusätzliche Auswahl- beziehungsweise Arbeitszeit gewährt wurde, in anderen hingegen nicht. Wie viele Aufgaben die Bundesländer aus diesem Pool fischen und in der Prüfung verwenden, entscheidet jedes Land für sich.

Abitur ohne Mathematik

„Außerdem wird im Saarland kein Schüler dazu gezwungen, seine Prüfung in Mathematik abzulegen,“ sagt Philologe Hahn. In zwölf Bundesländern wie dem Saarland können Schüler Mathematik als Prüfungsfach umgehen und stattdessen andere Fachkombinationen zum Ausgleich wählen, wie zum Beispiel Naturwissenschaften oder Sprachen. In Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Bayern und Hessen ist Mathematik verpflichtend für das Abitur.