Der DP-Abgeordnete André Bauler ist Volkswirt und Mitglied der parlamentarischen Landwirtschaftskommission.
Die neue Regierung hat sich dazu verpflichtet, die Entwicklung des ländlichen Raums weiter zu beleben. Dabei geht es vornehmlich um die Verbesserung der Lebensqualität der dort beheimateten Menschen. So sollen vor allem die über Jahrzehnte gewachsene Bausubstanz und die öffentlichen Plätze in unseren Dörfern möglichst gut erhalten und neuen Zwecken zugeführt werden. Glücklicherweise gibt es in Luxemburg immer noch typische Ortschaften, deren architektonischer Wert Unterstützung und Anerkennung verdient.
Ein Dorf soll also ein Dorf bleiben – kein Schlafdorf, sondern ein Ort, an dem Wohnen, Freizeit und Arbeit besser miteinander verzahnt sind. Wir wollen keine potemkinschen Dörfer, sondern Ortschaften mit Seele und Lebensqualität. Im Rahmen der allgemeinen Bebauungspläne sollten sich die Gemeinden insbesondere Gedanken über die Zukunft der architektonischen Eigenheit ihrer Dörfer machen. Denn sachkundige Kritiker klagen zunehmend über Bausünden, die den Charakter unserer ländlichen Ansiedlungen untergraben und deren Wohnqualität mindern.
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Dörfliche Eigenart bewahren
In der rezenten Vergangenheit gelang es immer wieder alte Gemäuer in unseren Dörfern zu neuem Leben zu erwecken. Denken wir zum Beispiel an die ehemalige Schule in Lellingen im „Kiischpelt“ oder an den kleinen, aber charmanten Dorfsaal in Roodt/Lannen. So wird in überschaubaren Gemeinden im Westen des Landes – denken wir nur an Ell oder an Saeul – viel Wert auf die dörfliche Identität und das Zusammenleben gelegt.
Als klassische Beispiele für die Wiederbelebung der alten Bausubstanz gelten stillgelegte Molkereien, vormalige Schulen, historische Gärten, ehemalige Schmieden oder entweihte Kapellen, die spezifisch genutzt werden können, z. B. als Räume für Aus- und Weiterbildungen, für Ausstellungen oder Versammlungen. Alles Aktivitäten, die Leben in unsere Kommunen bringen. Solche Projekte müssen zweckmäßig sein und in ihr Umfeld passen.
Wir wollen keine potemkinschen Dörfer, sondern Ortschaften mit Seele und Lebensqualität.
So können unter anderem Räumlichkeiten für junge Selbstständige oder Start-ups zu günstigen Mietpreisen geschaffen werden. Gleiches gilt für lokale Märkte im Dorfkern, wo regionale Produzenten ihre Waren anbieten könnten. Im Sinne der Belebung der lokalen Wirtschaft erwähnte die Landwirtschaftsministerin kürzlich im Parlament – und als Beispiel – die Gründung einer lokalen „Épicerie“ in Heffingen, welche staatlicherseits mit Fördergeldern unterstützt wird.
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Gesellschaftlichen Zusammenhalt pflegen
Solche Projekte tragen dazu bei, das Zusammenleben im ländlichen Raum zu stärken. Denn machen wir uns nichts vor: Angesichts des wachsenden Einflusses der sozialen Medien wird der gesellschaftliche Zusammenhalt eher geschwächt als gefördert.
Auch wenn die lokalen Dorfgemeinschaften weniger mit Anonymität und Vereinsamung ihrer Mitbürger zu kämpfen haben als dies der Fall in urbanen Räumen ist, stellt man leider allzu oft fest, dass auch über Land immer mehr Menschen aneinander vorbeileben. Der demografische Wandel hat diese Entwicklung eher begünstigt als ausgebremst. Wie kann man also das Interesse neuer Mitbürgerinnen und Mitbürger am gesellschaftlichen Leben in ländlichen Gegenden fördern? Was tun, um einen stärkeren Zusammenhalt zu begünstigen?
Angesichts des wachsenden Einflusses der sozialen Medien wird der gesellschaftliche Zusammenhalt eher geschwächt als gefördert.
Kultur und Sport spielen hierbei zweifelsohne eine Schlüsselrolle. Erfreulicherweise gibt es Zugezogene, die sich in Vereinigungen einbringen oder soziale Dienste bzw. Nachbarschaftshilfe leisten. Ihre Zahl könnte allerdings höher sein. Denn gerade in diesen besonderen Zeiten geht es um mehr Miteinander und weniger Rückzug ins Private.
Die lokale Demokratie stärken
Die Bottom-up-Logik der LEADER-Projekte erlaubt es, die Menschen stärker in gemeinschaftliche Projekte und Entscheidungsprozesse einzubinden. Dies dient der Demokratie vor Ort sowie dem konstruktiven und kreativen Dialog zwischen Bürgern mit unterschiedlichen Talenten und Kompetenzen. Auf meine Nachfrage hin hat die Landwirtschaftsministerin dies im Parlament bestätigt; die Bürgerbeteiligung bei Informationsveranstaltungen sei hoch und es bestehe ein breites Interesse an neuen Projekten.
Ein Dorf soll also ein Dorf bleiben – kein Schlafdorf, sondern ein Ort, an dem Wohnen, Freizeit und Arbeit besser miteinander verzahnt sind. Foto: Shutterstock
Die Dorfentwicklung geht aber weit über die Verschönerung von Dorfplätzen und die Renovierung alter Gemäuer hinaus. Sie ist u. a. mit Landesplanung, Mobilität, Bildung und Landwirtschaft eng verknüpft.
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Schlussendlich hängt die ländliche Entwicklung auch von den kommunalen Bebauungsplänen ab, die dafür sorgen, dass unsere Dörfer – dank origineller Wohnprojekte – lebenswert bleiben. Also das Gegenteil von anonymen Schlafdörfern mit tristen, stereotypen Wohnkomplexen.