AboStrafzölle und Steuern –
Provoziert Trump einen Kurswechsel? Schweizer Politiker wollen OECD-Mindeststeuer stoppen
Karin Keller-Sutter gerät unter Druck, weil sie die Einführung der globalen Steuerreform vorangetrieben hat. Ein Ausstieg könnte gar bei den Verhandlungen mit den USA helfen.

Finanzministerin Karin Keller-Sutter trieb die Einführung der OECD-Mindeststeuer voran – und erntet nun Kritik.
Foto: Caroline Blumberg (EPA, Keystone)
Im Zollstreit mit den USA zeichnet sich ein neues Spannungsfeld ab: die OECD-Mindeststeuer. Die Schweiz hat die globalen Regeln umgesetzt, Donald Trump hingegen weigert sich. «Die Mindestbesteuerung wirkt jetzt wie ein Beschleuniger», sagt SVP-Nationalrat Franz Grüter.
Schweizer Firmen wollen in den nächsten Jahren Milliarden in den USA investieren. Die grössten Ausgaben haben die Pharmakonzerne Roche und Novartis angekündigt. Gemäss Grüter werden die Unternehmen ihre Produktion nun erst recht in die USA verlagern. «Sie lösen damit einerseits die Zollproblematik und bezahlen gleichzeitig auch weniger Steuern.»
Für Grüter ist klar, dass die Schweiz reagieren muss. «Entweder schaffen wir die Mindeststeuer ab oder entlasten die in der Schweiz ansässigen Unternehmen, die davon betroffen sind, damit diese mit dem Verbleib in der Schweiz keine Nachteile haben.»
«Zentraler Fehler» von Keller-Sutter
Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter sagt es noch deutlicher: «Wir müssen die Einführung der OECD-Mindeststeuer umgehend rückgängig machen.» Jetzt gehe es nicht nur darum, mit Trump einen guten Deal zu finden. «Genauso dringlich ist es, die Hausaufgaben im Inland zu erledigen.»
Die globale Mindeststeuer stellt sicher, dass international tätige Konzerne mit einem Umsatz von 750 Millionen Euro oder mehr mindestens 15 Prozent Gewinnsteuern bezahlen. Die Schweiz gehörte zu den Schnellsten bei der Umsetzung. Nach einer Volksabstimmung hat der Bundesrat die Regeln Anfang 2024 in Kraft gesetzt.
Schneider-Schneiter greift nun die Finanzministerin an. Karin Keller-Sutter habe einen «zentralen Fehler» gemacht, indem sie die Einführung der Mindeststeuer rasch vorangetrieben habe. Selbst aus der eigenen Partei gibt es Kritik. FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann, der die Umsetzung der Reform ebenfalls stoppen will, sagt: «Ich verstehe nicht, dass die von der aussenpolitischen Kommission im Nationalrat geforderte Sistierung der OECD-Mindeststeuer nicht schon längst von Bundespräsidentin Keller-Sutter im Bundesrat beantragt wurde.»
Portmann bemängelte bereits im März im Nationalrat als Sprecher der aussenpolitischen Kommission, dass Schweizer Unternehmen kein Aufschub bei der OECD-Mindestbesteuerung gewährt worden sei. «Diese Kritik werden wir beim Aussenpolitischen Bericht, der im Juni in den Nationalrat kommt, wiederholen.»
Kommt die Schweiz den USA entgegen?
Über 140 Staaten hatten sich ursprünglich zu den OECD-Regeln bekannt. Bis jetzt haben sie aber nur 54 Staaten eingeführt – nebst der Schweiz auch die meisten europäischen Länder, Japan und Australien. Da und dort ist sie noch in Vorbereitung. 65 Staaten haben sich bisher darum foutiert, wie eine Übersicht der Beratungsfirma PWC zeigt. Nebst den USA machen auch China, Indien, Saudiarabien und Argentinien nicht mit.
Die USA sind nicht nur ausgeschert. Präsident Trump hat bereits allen Ländern mit Sanktionen gedroht, die amerikanische Firmen grenzüberschreitend besteuern. Nun besteht die Gefahr, dass das internationale Regelwerk ohne die USA in sich zusammenfällt.
Ein Kurswechsel der Schweiz bei der Mindeststeuer könnte bei den Verhandlungen mit den USA über einen Handelsvertrag helfen. Keller-Sutter kündigte letzte Woche nach Gesprächen in Washington an, die Schweiz strebe mit den USA eine Absichtserklärung an. Darin sollen die Themenfelder festgelegt werden, über welche die beiden Seiten verhandeln wollen.
Portmann sagt dazu: «Ich gehe davon aus, dass ein Entgegenkommen der Schweiz bei der OECD-Mindeststeuer Teil der Verhandlungsmasse sein wird, wenn der Bund mit den USA einen neuen Handelsdeal aushandelt.» Keller-Sutters Finanzdepartement bestätigt das nicht. Auf Anfrage heisst es, dass die Themenfelder im Hinblick auf eine Absichtserklärung noch festgelegt werden müssten.
Finanzdepartement: «Entscheid war richtig»
Das Finanzdepartement verteidigt die Einführung der Mindeststeuer. «Der Entscheid war richtig.» Es sei darum gegangen, Rechtssicherheit für die Unternehmen in der Schweiz zu schaffen und zu verhindern, dass Schweizer Steuersubstrat vom Ausland abgeschöpft werden könne.
Zudem hat der Bundesrat bereits vor einiger Zeit entschieden, einen Teil der OECD-Regeln vorläufig nicht umzusetzen. Schon damals habe man gesehen, dass bei einem Regierungswechsel in den USA «erhöhte politische Risiken» bestünden. Das Finanzdepartement schliesst denn auch Korrekturen bei der Mindeststeuer nicht gänzlich aus. Man verfolge die internationalen Entwicklungen eng, schreibt es, «um dem Bundesrat bei Bedarf angemessene Massnahmen im Interesse der Schweiz zu beantragen».
Doch ein Ausstieg aus der Mindeststeuer wäre für die Schweiz gar nicht so einfach. Vor allem die EU, welche die Regeln anwendet, könnte dadurch verärgert werden. Der Bundesrat kommt deshalb nicht darum herum, das weitere Vorgehen mit den europäischen Partnern abzusprechen.
Selbst die Kantone sind nicht wirklich zufrieden mit den OECD-Regeln. «Tatsächlich wäre es gar nicht nötig, dass die Schweiz eine Mindestbesteuerung anwendet, wenn es das Ausland nicht auch täte», sagt Ernst Stocker, Zürcher SVP-Regierungsrat und Präsident der kantonalen Finanzdirektoren. Bisher habe aber mehr für die Anwendung der Mindestbesteuerung gesprochen als dagegen. Für Stocker ist klar: «Die Schweiz muss ihre Interessen in Bezug auf die Unternehmensbesteuerung einbringen und verteidigen.»

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