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Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz findet lobende Worte für die Türkei. Von Erdogan gewünschte Zusagen bleiben aber aus.

Brüssel/Ankara – Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz baut auf eine enge Zusammenarbeit mit der Türkei in Verteidigungsfragen. Ihn und Nato-Generalsekretär Mark Rutte verbinde „der feste Wille, die Türkei als ein großes Mitgliedsland der Nato fest an uns auch weiter zu binden“, sagte der CDU-Politiker bei seinem Antrittsbesuch bei der Nato in Brüssel.

Die Türkei schütze einen Raum im Nato-Gebiet, der von seiner strategischen Relevanz gar nicht hoch genug eingeschätzt werden könne, so Merz weiter bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Rutte. „Deswegen ist die Türkei für uns ein extrem wertvoller, wichtiger Nato-Partner und ich werde viel und alles tun, was ich kann, um diese Partnerschaft innerhalb der Nato mit der Türkei auch aufrechtzuerhalten und auch weiter auszubauen.“

Merz will Türkei besuchen – Eurofighter-Frage steht weiterhin im Raum

Er wolle auch eine Einladung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in naher Zukunft annehmen, sagte Merz. Ob eine Lieferung von Kampfflugzeugen an die Türkei freigegeben werde, müsse die Bundesregierung noch entscheiden. Die Türkei möchte 40 Eurofighter-Kampfjets. Da Deutschland an dem europäischen Gemeinschaftsprojekt beteiligt ist, können die Kampfjets ohne die Zustimmung der Bundesregierung nicht exportiert werden.

Recep Tayyip Erdoğan: Der Weg zur Macht des türkischen Präsidenten

Im Jahr 2017 setzte Recep Tayyip Erdogan mithilfe eines Referendums eine Verfassungsänderung durch, bei der es vor allem um die Bündelung der Exekutivbefugnisse ging. Dadurch gewann der türkische Präsident noch mehr Einfluss auf die Justiz. Die Opposition sprach von Wahlbetrug. Auch Untersuchungen von Forschenden legen nahe, dass das Referendum manipuliert wurde.

Fotostrecke ansehenScholz stoppt Eurofighter-Verkauf in die Türkei

Die Ampelregierung unter Olaf Scholz (SPD) hatte kurz vor der Amtsübergabe an die neue Regierung dem Verkauf von Eurofightern einen Riegel vorgeschoben, hieß es zunächst nach einem Bericht vom Handelsblatt. Grund sei die Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters und stärksten Gegner von Präsident Erdogan bei Wahlen gewesen.

Ekrem Imamoglu selbst hatte sich deswegen aus seiner Gefängniszelle im Silivri-Gefängis von Istanbul gemeldet und an die künftige Bundesregierung appelliert, die Lieferung von Eurofighter-Kampfjets an die Türkei nicht zu blockieren. Die Flugzeuge würden „von unserer Luftwaffe dringend benötigt und lange erwartet“, ließ Imamoglu auf X mitteilen. „Die Türkei ist nicht nur Erdogan. Die Türkei ist größer als Erdogan“, betonte er mit Blick auf den türkischen Präsidenten. „Regierungen kommen und gehen. Die nationalen Interessen der Türkei sind wertvoller als Erdogan oder Imamoglu.“

Bei seinem Treffen mit Rutte sagte Bundeskanzler Friedrich jedoch, dass eine Lieferung von Eurofightern an die Türkei von der neuen Bundesregierung noch entschieden werden müsse.

EU-Parlament friert Beitrittsgespräche mit Türkei weiter ein

Ein weiteres Problem bleiben die EU-Beitrittsgespräche. Unter den gegenwärtigen Umständen könne der EU-Beitrittsprozess der Türkei – trotz der demokratischen und pro-europäischen Bestrebungen eines großen Teils der türkischen Gesellschaft – nicht wiederaufgenommen werden, so die Abgeordneten des Europaparlaments in einem Bericht.

„Die Abgeordneten sind zutiefst besorgt über die anhaltende Verschlechterung der demokratischen Standards in der Türkei und über die unerbittliche Unterdrückung kritischer Stimmen. Sie verurteilen das harte Vorgehen bei den jüngsten friedlichen Massenprotesten und die strafrechtliche Verfolgung von Hunderten von Demonstranten in übereilten Massenprozessen, bei denen keinerlei Beweise für kriminelles Fehlverhalten vorliegen“, heißt es auf der Website des Europaparlaments.

Eurofighter will Bundeskanzler Friedrich Merz vorerst nicht in die Türkei liefern.

Die Türkei ist laut Bundeskanzler Friedrich Merz ein „extrem wertvoller, wichtiger Nato-Partner“. © dpa/Virginia MayoTürkei bewegt sich immer mehr in Richtung Autokratie

Wir hören ständig von den türkischen Behörden, dass sie sich angeblich für die EU-Mitgliedschaft einsetzen und wie wichtig es für uns ist, diesen Prozess aus sicherheits- und geopolitischen Gründen wiederzubeleben, aber sie haben da etwas falsch verstanden. Bei der Mitgliedschaft geht es um Demokratie, und je weiter sie sich in Richtung einer Autokratie bewegen – wie kürzlich bei der Verhaftung von Ekrem Imamoglu zu beobachten war – desto weiter entfernen sie sich von der EU-Mitgliedschaft“, sagte der Berichterstatter, Nacho Sánchez Amor. 

Mehr als 200 junge Menschen in der Türkei wegen Terrorismus verhaftet

Erst kürzlich gab es in der Türkei wieder eine Massenverhaftung. Bei einer Razzia am 6. Mai wurden 208 Personen wegen der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, Mitglieder der Gülen-Bewegung zu sein, die Erdogan nach dem Putschversuch 2016 zur Terrororganisation erklären ließ und seither als FETÖ (Fethullah´sche Terrororganisation) bezeichnet.

Die meisten der Verhafteten sind offenbar Studentinnen, erzählt der Abgeordnete Ömer Faruk Gergerlioglu von der Dem-Partei. „Ich habe mit ihren Anwälten gesprochen. Sie erzählten ihnen, sie seien sehr müde und erschöpft. 24 Stunden durften die inhaftierten jungen Menschen keinen Kontakt zu ihren Rechtsanwälten haben“, so Gergerlioglu. Die Ermittlungsakten seien zudem unter Verschluss, was eine Verteidigung der Mandanten durch ihre Rechtsanwälte erschwert. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International kritisieren regelmäßig die Willkürjustiz gegen politische Gegner und mangelnde Rechtsstaatlichkeit in dem Land. (erpe/dpa)