Der Grenchner Markus Schürpf schaut in der Schweiz dafür, dass beim ESC-Voting technisch alles klappt. Er ist Chef der Schweizer Niederlassung der Televoting-Firma Once.

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Am Dienstag (Final am Samstag) beginnt mit dem ersten Halbfinal der European Song Contest. Das dritte Mal seit 1956 und 1989 findet dieser in der Schweiz statt – dank dem Sieg des Bieler Sängers Nemo vor einem Jahr. Der ESC, wie er inzwischen weitherum genannt wird, ist der wichtigste Songwettbewerb überhaupt und wird in alle Welt übertragen. Die Reichweite schwankt jeweils zwischen 170 und 200 Millionen Zuschauern. 37 Länder machen diesmal mit.
Der Wettbewerb steht auch emblematisch für ein gemeinsames Fernseherlebnis, das im Zeitalter des Streamings zu einer – umso wertvolleren – Rarität wird. Wer interessiert sich nicht in Echtzeit dafür, welches Land wem Sympathiepunkte zuschanzt oder eben nicht. Gesprächsstoff für manchen Stammtischabend nach dem ESC oder in den Sozialen Medien ist für Tage garantiert.
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Doch damit die Abstimmung hinter den Kulissen der Fernsehstationen funktioniert und damit ein faires Urteil unter Einbezug von Fachjurys und TV-Publikum in jedem Land funktioniert, ist eine aufwendige und robuste Infrastruktur nötig.
Markus Schürpf schaut, dass die Schweizer Stimmen richtig gezählt werden
Dieses Netzwerk wird Jahr für Jahr von der Firma Once aufgezogen. Der Grenchner Markus Schürpf ist Chef der Firma Once Switzerland AG. Sie gehört zur Niederländischen Once Group, dem europaweit führenden Provider von Televoting fürs Fernsehen (vgl. Kasten).
Wir treffen Markus Schürpf bei einer Unterredung mit seinem Kollegen Thomas Niedermeyer, Chef des Standortes Deutschland im Grenchner Airport Restaurant. Die beiden sehen sich, um letzte Vorbereitungen zu treffen für die heisse Phase, die immer näher rückt. Höhepunkt ist die Finalwoche, wo insgesamt 12 Sendungen produziert werden. «Jede Sendung hat vorher noch drei Generalproben », erklärt Niedermeyer. Und immer muss die Voting-Infrastruktur funktionieren. Ausnahmslos.
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Markus Schürpf ist von seinem Arbeitsplatz in Horw (LU) mit seinen Kollegen für das Televoting in der Schweiz zuständig. «Wir liefern dann die Resultate an das Voting Team in Basel und Köln», erklärt Schürpf.
Once Group ist laut eigenen Angaben in mehr als 40 europäischen Ländern tätig und bedient nach eigenen Angaben 300 Millionen Haushalte und 400 Millionen Handy-Benutzer. Jährlich werden 300 Millionen Transaktionen verzeichnet Hauptsitz ist Venlo in den Niederlanden, der grösste Standort befindet sich aber in Köln, Deutschland mit rund 30 Mitarbeitenden.
«Wir haben schon immer an die Magie von Live-Momenten geglaubt. Es geht darum … Menschen Teil dieser unvergesslichen Erlebnisse zu machen», heisst es in einer Firmendoku. «Wir geben dem Publikum seine Stimme».
Markus Schürpf leitet die Once Switzerland AG mit Büros in Horw (LU), wo man schon seit 1991 aktiv ist, seit 2024 unter dem Namen Once Switzerland AG. In der Schweiz arbeitet man mit den Providern Swisscom, Sunrise und Salt zusammen. (at.)
Dort greifen zu Beginn eines Votings gut und gerne einmal 2 Millionen Menschen gleichzeitig auf die Voting-Plattform «esc.vote» zu oder laufen 10’000 SMS pro Sekunde herein. Das heisst, das Once Team muss über eine leistungsfähige Infrastruktur verfügen. «Die haben wir», versichert Thomas Niedermayer. Auch in Sachen Sicherheit oder Redundanz gebe man sich keine Blösse. «Die ganze Software wurde von uns entwickelt und die Serverinfrastruktur gehört uns.» Diese sei in Hochsicherheits-Internet-Hubs, beispielsweise in Frankfurt, untergebracht.
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Markus Schürpf (62), der in Grenchen aufgewachsen ist und mit seiner Frau hier lebt, ist in Sachen interaktiven TV-Anwendungen sehr erfahren. Ursprünglich machte er eine KV-Lehre bei der Uhrenfirma Rodania und hat dort erste Marketing Erfahrungen gesammelt, darunter auch in den USA. Er wechselte danach zu Teletext in Biel, das für viele Jahre ein führendes Medium in Sachen Aktualität in der Schweiz war.
«Dort habe ich geholfen, den interaktiven Bereich mit Mehrwertnummern aufzubauen», erinnert sich Schürpf. Damals lief noch alles übers (Fixnet-)Telefon. «Wir arbeiteten schon damals eng mit der SRG zusammen», erklärt er. In Biel hat er am SAWI auch eine Weiterbildung zum Marketingplaner absolviert.
Zusammenarbeit mit diversen TV-Stationen
Im Jahr 2000 holte Frank Vaessen, der Gründer von Once, Markus Schürpf an Bord und betraute ihn mit der Geschäftsführung der Schweizer Firma, die damals (und bis 2024) noch Twister Interactive hiess. Once arbeitet seit Jahrzehnten mit TV-Stationen und Telecom Providern zusammen, so RTL, Pro7, Sat1, SRF, RTS, RSI und viele mehr. Talent-Shows wie Music Star, oder Quizsendungen wie 1 gegen 100 sind Formate, die ohne Televoting nicht möglich wären. Hier mischt Once schon seit vielen Jahren mit.
Und natürlich beim ESC, wo das Voting per Handy so etwa ab 2004 richtig in Fahrt kam. Inzwischen wurde von Once speziell für den ESC eine eigene Online-Plattform aufgebaut. «Es ist faszinierend, mitzuerleben, welche Entwicklung der ESC in den letzten Jahren durchgemacht hat», erklärt Schürpf. «Das gilt sowohl für die musikalische, als auch die technische Entwicklung.»
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Das mache die Arbeit spannend und vielfältig. Auftraggeber ist die European Broadcasting Union (EBU) mit Sitz in Genf, welche den ESC ausrichtet. «Technisch müssen wir immer auf dem letzten Stand sein, um höchste Sicherheit zu gewährleisten und Manipulationen zu erkennen.» Und ja, solche Versuche habe es schon gegeben, bestätigt Niedermeyer. «Dass wir sie aufdecken können, ist einer der Gründe, warum uns die EBU seit Jahren das Vertrauen schenkt» fügt er an.
Damit sei gewährleistet, dass der beste Song gewinnt. Der ESC sei so gesehen die Olympiade der Unterhaltungsmusik. Grosse Namen wie Abba oder Celine Dion (für die Schweiz) haben mit dem ESC ihre Karrieren begründet, aber auch die vorher völlig unbekannte armenische Künstlerin Rosa Linn landete mit «Snap» einen Welthit und konnte danach mit Ed Sheeran auf Welttournee gehen. Und dies mit Platz 20 beim ESC von 2022. Beim ESC scheint somit nichts unmöglich. Eben auch: «Switzerland: 12 Points».
«Nach dem ESC ist vor dem ESC», sagt Markus Schürpf zum Arbeitsaufwand. «So gilt es mit weltweit 158 Telefongesellschaften zusammenzuarbeiten, die zum Teil sehr unterschiedliche Technologien und Schnittstellen haben». Dass dann trotzdem ein gleichbleibender Sicherheitsstandard gewährleistet werden kann, ist mitunter eine Knacknuss, die aber zum USP der Firma Once gehört.
Lieber nicht an einen Stromausfall denken …
Für Markus Schürpf läuft das Voting dieses Jahr nicht viel anders ab, als in den Vorjahren, ausser dass die Bühne diesmal in Basel steht, in der Schweiz. Da schlägt das Herz vielleicht schon noch etwas höher, als sonst? – «Bestimmt», bestätigt Schürpf. Er und Niedermeyer sind zuversichtlich, dass auch dieses Mal alles reibungslos über die Bühne geht. An einen Stromausfall wie in Spanien denkt man lieber nicht. Doch dann würde auch niemand singen.
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Mit der SRG habe man eine sehr professionelle Partnerin, die an alles denke, und zu den Frontrunnern hinsichtlich der Weiterentwicklung des ESC gehöre meint Markus Schürpf. So widme man der Sicherheit der Mitarbeitenden sowie der Künstlerinnen und Künstler höchstes Augenmerk. Auch (bühnen-)technisch sei alles sehr up to date.
Am Tag nach dem Final vom 17. Mai müssen Schürpf und Niedermeyer schon ans nächste Jahr denken. «Aber ein hoffentlich relaxtes Bier kippen, das werden wir nach dem Final dann schon. Und manche Kollegen werden sich eine Woche Ferien gönnen.»