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Seite 1Die Türkei als diplomatische Pufferzone
Seite 2Auch türkische Waffen belasten das Verhältnis zu Russland nicht
Recep Tayyip Erdoğan steht am Istanbuler Flughafen. In der
Empfangshalle hält er ein Plakat hoch: “Mr. Trump + Mr. Putin”. So
beginnt ein kurzes und mit künstlicher Intelligenz generiertes Video,
das gerade in den türkischen sozialen Medien kursiert. In dem Clip
verbringen der russische, der US-amerikanische und der türkische
Staatspräsident einen lustigen Tag am Bosporus. Die Präsidenten der
Ukraine, Frankreichs und Venezuelas tauchen in Nebenrollen auf. Das
Video ist die typisch türkische Art, mit dem Präsidentenchaos der
vergangenen Tage umzugehen.
Ein bis drei Staatsoberhäupter
waren im Gespräch, um in Istanbul einen Weg für Frieden in der Ukraine
auszuhandeln. Zählt man Erdoğan als Gastgeber mit, wären es sogar vier.
Zuerst hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zugesagt.
Er wolle in Istanbul auf Wladimir Putin warten. Der hatte die Gespräche
für diesen Donnerstag zwar angekündigt, aber nicht gesagt, dass er auch dabei
sein werde. Zwischendurch mischte sich der US-Präsident ein: Wenn Putin
kommt, wolle Donald Trump kommen. Selenskyj entschied sich unterdessen, erst
mal in Ankara auf Putin zu warten. Aus dem Trump-Team hieß es daraufhin,
man wolle Außenminister Marco Rubio schicken – wohl aber am Freitag,
nicht am Donnerstag. Zuletzt startete sogar Papst Leo XIV. in Rom einen
Versuch und bot die katholische Kirche als Vermittler für die
Vermittlungen an.
Die Türkei als diplomatische Pufferzone
Die einzige Konstante war ausgerechnet
der türkische Staatschef: Erdoğan zeigte sich bereit, mit Selenskyj
überall in der Türkei auf Putin zu warten. Seit Beginn des Krieges
in der Ukraine ist das Land schon mehrfach Ort für Verhandlungen gewesen. Im März 2022
trafen sich Unterhändler in Istanbul. Vier Monate später kamen wieder
Unterhändler und beschlossen einen Deal über den sicheren Transport von
Getreide und Lebensmitteln aus ukrainischen Häfen. Im August 2024 fand
in Istanbul ein großer Gefangenenaustausch zwischen Russland und dem
Westen statt. Auch zahlreiche Hintergrundgespräche zum Krieg gegen die
Ukraine verlaufen seit Jahren über die Türkei.
Das Land
ist in diesem Krieg eine diplomatische Pufferzone. Die Regierung pflegt
enge Kontakte sowohl zu Russland als auch zur Ukraine. Dieser Spagat
funktioniert, weil türkische Politiker und Diplomaten seit Kriegsbeginn
darauf achten, so neutral wie möglich zu sein. Das geht bei der Rhetorik
los. Die Türkei macht keine Vorwürfe und verurteilt nicht. Statt
Bedingungen stellt sie Fragen, wie zum Beispiel: “Was willst du?” Worte
wie “aber” kommen in den Telefonaten oder bei Treffen nicht vor. Anders
als viele deutsche Politiker spricht in der Türkei auch niemand von
einem “gerechten” Frieden”, weil “gerecht” immer eine Frage des
Betrachters ist. “In diesem Krieg wird es weder Gewinner noch Verlierer
geben”, sagte Erdoğan zuletzt im Februar während eines Besuchs von Selenskyj
in Ankara.