Die Koffer sind eingecheckt, plötzlich kommt am Gate die Durchsage: Der Flug verspätet sich. Dauer: Vier Stunden. Glücklicherweise gibt es bisher eine Garantie: Verspätet sich der Flug um mindestens drei Stunden, gibt es – soweit die Voraussetzungen erfüllt sind – 250 Euro pro Passagier. Damit soll – geht es nach dem Willen der EU – allerdings bald Schluss sein.

Bereits im Juni soll die EU laut übereinstimmender Medienberichte über eine Anpassung der Fluggastrechte entscheiden. Ziel: Die Fluggesellschaften zu entlasten. Das Papier, das bereits aus dem Jahr 2013 stammt, will unter anderem die Entschädigungszahlung an eine Mindestverspätungsdauer von fünf Stunden koppeln – bei Entfernungen von mehr als 6000 Kilometer soll es sogar erst nach zwölf Stunden greifen.

Ausnahmen für Kurz- und Mittelstrecke werden bisher nicht genannt. In der nachfolgenden Tabelle sehen Sie die neu vorgeschlagenen Werte:

Flugkilometer:

Entschädigung neu (Vorschlag EU):

Bis 3500 Kilometer

ab 5h: 250 Euro pro Flugticket

Zwischen 3500 und 6000 Kilometer

ab 9h: 400 Euro pro Flugticket

Mehr als 6000 Kilometer

ab 12h: 600 Euro

Die genaue Höhe der Entschädigungszahlung wurde noch nicht offiziell kommuniziert. Im Entwurf von 2013 heißt es allerdings, dass die pauschalen Ausgleichsbeträge nicht geändert werden sollen.
Eine weitere neue Regelung: Bei Reisen aus oder in Drittländer soll die Entschädigung abhängig von der Entfernung gezahlt werden.

So viel Geld gibt es bisher bei Verspätungen

Bisherige und aktuell gültige Regelung:

Flugkilometer:

Entschädigung bisher:

1500 Kilometer oder weniger

250 Euro pro Flugticket

Mehr als 1500 Kilometer in der EU oder bis 3500 Kilometer international

400 Euro pro Flugticket

Mehr als 3500 Kilometer

Bis 4h Verspätung: 300 Euro
Später als 4h: 600 Euro

Voraussetzungen: Der verspätete Flug muss in der EU starten oder landen und von einer europäischen Airline durchgeführt werden. Keine Entschädigung gibt es, wenn die Fluggesellschaft unvermeidbare oder außergewöhnlichen Umständen nachweist.

„Bis zu 85 Prozent der Passagiere sind betroffen“

Verbraucherschützer zeigen sich indes schockiert über den geplanten Einschnitt in die Fluggastrechte. Die Anpassung sei ein gravierender Rückschritt, denn die meisten Verspätungen im Luftverkehr würden zwischen zwei und vier Stunden liegen, heißt es etwa seitens des Europäischen Verbraucherzentrums (EVZ).

„Die geplante Anhebung der Schwellenwerte würde dazu führen, dass bis zu 85 % der betroffenen Passagiere keinen Anspruch auf Entschädigung mehr hätten.”

Karolina Wojtal, Co-Leiterin des Europäischen Verbraucherzentrums (EVZ) Deutschland.

Co-Leiterin Karolina Wojtal warnt: „Die geplante Anhebung der Schwellenwerte würde dazu führen, dass bis zu 85 % der betroffenen Passagiere keinen Anspruch auf Entschädigung mehr hätten.“ Durch eine Annahme der Reform würden Verbraucher einen Großteil ihrer Ansprüche verlieren, während Airlines dazu verleitet werden könnten, Flüge gezielt zu verspäten, anstatt sie zu annullieren – “nur um Entschädigungen zu umgehen”, so die EVZ-Co-Leiterin.

„Vorschlag muss zurückgezogen werden“

Die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) fordert daher: „Der Vorschlag der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2013 muss zurückgezogen und durch einen modernen und fairen Vorschlag ersetzt werden.“ Zudem müsse bei einer Neuregelung der Fluggastrechte-Verordnung das bestehende Schutzniveau weiter ausgebaut werden.

Auch der ADAC kritisiert, dass der Verordnungsentwurf komplett veraltet ist: „Das heißt, es wurden zwölf Jahre EuGH-Rechtsprechung darin nicht berücksichtigt.“ Der Automobilclub lehnt den Entwurf in seiner jetzigen Form ab. „Für Passagiere ist bereits eine dreistündige Verspätung eine erhebliche Belastung“, betont der ADAC.

Das gibt es bei Verspätung gratis

Folgende Dinge muss die Fluggesellschaft laut Verbraucherschutzzentrale bei Verspätungen (Kurzstreckenflüge ab 2h, Mittelstreckenflüge ab 3h und Langstreckenflüge – mehr als 3500 Kilometer- ab 4h) unentgeltlich anbieten:

Essen & Getränke (oder Gutscheine, die zum Erwerb berechtigen)zwei Telefonate, Telefaxe oder E-MailsWenn der Weiterflug über Nacht oder mehrere Tage nicht möglich ist: Hotelübernachtung mit Transfer

Ihnen wurden die Betreuungsleistungen verweigert, obwohl ihr Flug massive Verspätung hatte? Hier finden Sie einen Musterbrief zur Geltendmachung eines Anspruchs auf Schadenersatz. Schicken Sie diesen Brief ausgefüllt – gemeinsam mit den entsprechenden Nachweisen (Flugticket, Quittungen) – an die Fluggesellschaft.