DruckenTeilen
Donald Trump distanziert sich nach dem Telefonat mit Wladimir Putin offenbar von Sanktionen gegen Russland. Anscheinend vor allem aus einem Grund.
New York – Rund zwei Stunden tauschten sie sich am Telefon aus. Danach sprühten Donald Trump und Wladimir Putin förmlich über vor Begeisterung über ihr Gespräch. „Ich denke, es lief sehr gut“, ließ der US-Präsident auf Truth Social wissen: „Der Ton und die Stimmung waren exzellent.“
Der Kreml-Chef nannte das von großen Hoffnungen begleitete Telefonat nach Angaben der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass „sehr produktiv und ganz offen und meiner Ansicht nach sehr nützlich“. Außerdem sei es „äußerst konstruktiv“ zugegangen, was er sehr schätze. Beide Staatschefs scheinen den Austausch mitten im Ukraine-Krieg also für sich als Erfolg verbucht zu haben.
Trump und Putin telefonieren im Ukraine-Krieg: Haben sich beide bei Beziehungen angenähert?
Für Europa und die Ukraine ist das aber wohl kein gutes Zeichen. Zwar betonte Trump auch, Gespräche über einen Waffenstillstand, der schließlich zum Ende des Ukraine-Kriegs führen soll, würden nun zwischen Moskau und Kiew aufgenommen werden. Darüber habe er führende Politiker wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Bundeskanzler Friedrich Merz, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj informiert. Der Vatikan würde sich als Gastgeber von Verhandlungen anbieten.
Und auch Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte laut Tass, die Ukraine und Russland hätten ihre Kontakte „wiederbelebt, was in dieser Phase sehr wichtig ist“. Es würden direkte Gespräche laufen.

Keine Chance auf weitere Sanktionen gegen Russland? US-Präsident Donald Trump (l.) will Kreml-Chef Wladimir Putin offenbar nicht vor den Kopf stoßen. © IMAGO / ABACAPRESS, IMAGO / ZUMA Press
Doch die gute Laune in Washington und Moskau könnte auch darauf zurückzuführen sein, dass sich beide Seiten in einem anderen Punkt entscheidend angenähert haben. Bei der Aufnahme von wirtschaftlichen Beziehungen. Oder in der Trump-Sprache: Deals.
Trump sträubt sich vor Russland-Sanktionen im Ukraine-Krieg – Bericht der New York Times nennt Gründe
Dafür soll der Republikaner einmal mehr die langjährigen europäischen Partner brüskiert haben. So berichtet die New York Times unter Berufung auf sechs Beamte, die mit den Gesprächen vertraut seien, der 78-Jährige sei auf Distanz zu den Sanktionen gegangen, mit denen die Europäer Putin im Vorfeld des Telefonats gedroht hatten.
Die Zeitung will von einem Beamten aus dem Weißen Haus erfahren haben, dass weitere US-Sanktionen im Ukraine-Krieg gegen Russland die Möglichkeit, künftig Geschäfte mit Moskau zu führen, erschwert hätten. Und Trump wolle die Chancen auf amerikanische Geschäfte nun einmal maximieren. Folglich sträubt sich der US-Präsident also offenbar davor, die Daumenschrauben bei Putin anzuziehen, weil dadurch seine erhofften Deals platzen könnten.
Trump und Putin: Die Geschichte zweier Präsidenten in Bildern

Dazu würden auch weitere Sätze aus Trumps Truth-Social-Post im Anschluss an sein Telefonat mit Putin passen: „Russland möchte nach dem katastrophalen ‚Blutbad‘ in großem Umfang Handel mit den USA treiben, und ich stimme dem zu. Russland hat enorme Chancen, massenhaft Arbeitsplätze und Wohlstand zu schaffen. Sein Potenzial ist unbegrenzt.“ Das klingt schon beinahe wie Werbung nach dem Motto: Investiert in Russland!
Trump und Sanktionen gegen Russland: Putin lenkt Gespräche offenbar auf möglichen Handel
Dass Trump auch der Ukraine bescheinigt, „im Zuge des Wiederaufbaus des Landes stark vom Handel profitieren“ zu können, wird in Kiew kaum jemanden aufmuntern. Zugleich deutete er im Grunde an, seine Rolle bei den Friedensbemühungen wäre erfüllt, nun liege es in der Hand der beiden Kriegsparteien, die finalen Schritte zu gehen.
Doch da hat er die Rechnung offenbar ohne Moskau gemacht. Denn Peskow widersprach der Annahme, die USA würden sich nun aus den Gesprächen zurückziehen. Vielmehr bezeichnete er deren Rolle als „besonders effizient“. Was aber offenbar nicht so gemeint war, wie es alle Friedensbefürworter gerne verstehen würden.
Denn die Times schreibt auch, Personen, die über Trumps Telefongespräche mit Putin informiert wurden, hätten festgestellt, dass beide einen Großteil der Zeit über mögliche Wirtschaftsbeziehungen reden würden. Offenbar auf Initiative von Russlands Präsident, der über das große Handelsinteresse seines US-Amtskollegen bestens im Bilde ist und das Thema trotz des Ukraine-Kriegs anscheinend immer wieder anschneidet.
Trump und die Nato: Putin könnte Keil zwischen die Mitglieder getrieben haben
Mittlerweile soll Washington schon so weit sein, die Ukraine tatsächlich hinter sich zu lassen, um die Beziehungen mit Russland zu intensivieren. Damit wäre es also kein Wunder, dass Putin sich nach dem Montagsgespräch so euphorisch gab. Denn er würde nicht nur optimistischer auf seinen Ukraine-Krieg schauen können, wenn aus den USA keine Sanktionen mehr drohen würden, nebenbei hätte er auch ein offenbar seit Jahrzehnten verfolgtes Ziel erreicht: einen Keil zwischen die Nato-Mitglieder zu treiben.
Womöglich sind die Folgen bereits beim Gipfel des transatlantischen Verteidigungsbündnisses in Den Haag am 24. und 25. Juni zu spüren. Ausgerechnet in jener Stadt, in der auch der Internationale Strafgerichtshof zu Hause ist. Der hatte vor mehr als zwei Jahren einen Haftbefehl gegen Putin erlassen, weil er im Verdacht steht, Deportationen von ukrainischen Kindern nach Russland veranlasst zu haben.
Dass dieser jemals vollstreckt wird, erscheint ohnehin unwahrscheinlich. Nun wird Putin wohl mit freudiger Erwartung in die niederländische Stadt schauen. Und auf einen entfesselt auftretenden Trump hoffen, der ganz in seinem Sinne agiert. (mg)