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Rheinmetall möchte E-Fuels im großen Maßstab produzieren. Für den Rüstungskonzern ist diese Technologie entscheidend, um die NATO kriegstauglich zu machen.

Saarbrücken/Düsseldorf – Rheinmetall ist vor allem als Rüstungskonzern bekannt. Das Unternehmen ist aber auch ein Automobilzulieferer, wobei dieser Bereich an Bedeutung verliert. Das Leistungsspektrum von Rheinmetall geht jedoch weit über Panzer, Flugabwehrsysteme oder Artillerie hinaus. Dazu gehört auch der Bereich der synthetischen Kraftstoffe.

Rheinmetall will E-Fuels produzieren: Kriegstaugliche Schlüsselfähigkeit günstig und schnell sicherstellen

Rheinmetall betrachtet die klimafreundlicheren E-Fuels vor allem unter dem Gesichtspunkt der Kriegstüchtigkeit. Laut Unternehmensangaben beläuft sich der Kraftstoffbedarf im Kriegsfall auf 20 bis 60 Liter pro Tag und Soldat. Im Kriegsfall sei jedoch ein Zusammenbruch etablierter Lieferketten für fossile Kraftstoffe wahrscheinlich. Rheinmetall macht dies auch daran fest, dass 60 Prozent aller Gefallenen und Verwundeten der NATO-Kräfte im Afghanistan-Einsatz im Bereich der Logistik, mit Schwerpunkt in der Kraftstofflogistik, angefallen sind.

Hier kommen synthetische Drop-in-Kraftstoffe ins Spiel, die an jedem beliebigen Ort aus Strom, Wasser und CO₂ hergestellt werden sollen. Aufgrund ihrer Eigenschaften können sie in bestehenden Logistiksystemen, Fahrzeugen und Flugzeugen verwendet werden. Diese lokalen Produktionsstätten würden die Energieversorgung der Streitkräfte in Europa – eine „kriegstaugliche Schlüsselfähigkeit“ – günstig und schnell sicherstellen.

Panther-Kampfpanzer von Rheinmetall

Mit einer dezentralen E-Fuel-Produktion will Rheinmetall die Kraftstoffversorgung der Streitkräfte sicherstellen. © Julian Stratenschulte/dpa

Unter der Projektbezeichnung Giga-PtX schwebt Rheinmetall einen Verbund aus mehreren hundert dezentralen Erzeugungsanlagen für synthetischen Kraftstoff mit einer Einheitengröße von bis zu 50 Megawatt (MW) vor. Dabei ist jede Anlage lokal unabhängig – von der Energiegewinnung über die Wasserstoff- und CO₂-Bereitstellung bis hin zur Kraftstoffsynthese.

Rheinmetall will grüne Kraftstoffe produzieren: Element der Abschreckung

„Wir machen das nicht, weil wir den Fokus auf grünen Kraftstoff setzen, sondern weil die Energie verfügbar gemacht werden kann“, sagt Shena Britzen, Leiterin des Wasserstoff-Programms bei Rheinmetall, dem Handelsblatt. E-Fuels könnten regional unabhängig vom Stromnetz und Ölmarkt produziert werden und Truppen im Einsatz versorgen.

Im Kriegsfall benötigt die NATO laut Britzen jährlich 20,5 Millionen Tonnen Kraftstoff. Diese Menge könnte über hunderte, über ganz Europa verteilte Kraftstofferzeugungsanlagen mit einer Kapazität von jeweils 5000 bis 7000 Tonnen hergestellt werden. In diesen Anlagen wird aus Wind- und Sonnenenergie der Drop-in-Kraftstoff hergestellt, der in Form von Kerosin, Diesel oder maritimem Diesel vertankt werden kann. „Wenn wir energiesicher sind, ist das ein Element der Abschreckung“, so Britzen. Es sei viel günstiger, heute energiesicher zu werden, als morgen den nächsten Krieg zu beginnen.

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Ein Nebeneffekt von Giga-PtX wäre der Klimaschutz. Das militärische Gerät der Bundeswehr und anderer NATO-Armeen, das bisher mit Diesel, Kerosin oder Marinediesel betrieben wird, würde bei der Verwendung von E-Fuels wesentlich weniger CO₂ ausstoßen. Das ist für die Bundeswehr auch notwendig, denn sie will wie der gesamte Bund bis 2045 klimaneutral werden.

E-Fuels im Fall von Krieg: Überschuss könnte in Friedenszeiten zivil genutzt werden

Ein großflächiger Einstieg von Rheinmetall in die E-Fuel-Produktion im Auftrag des Staates könnte den bisher teuren, klimafreundlicheren Kraftstoff auch für die zivile Nutzung günstiger machen. Denn in Friedenszeiten verbrauchen die Streitkräfte wesentlich weniger als die von Rheinmetall genannten 20,5 Millionen Tonnen im Kriegsfall. Laut einer im April 2024 veröffentlichten Antwort auf eine Kleine Anfrage von BSW-Bundestagsabgeordneten wurden für das Jahr 2023 nur für Bundeswehr 315.487 Kubikmeter Kraftstoff genannt.

Laut Britzen könnten die Herstellungskosten von E-Fuels in den Rheinmetall-Anlagen bei zwei bis 2,50 Euro pro Kilogramm liegen. Der Staat könnte die von den Streitkräften nicht verbrauchten klimaneutralen E-Fuels dann an zivile Unternehmen, wie beispielsweise Fluggesellschaften oder Reedereien, die ebenfalls bestrebt sind, ihren CO₂-Ausstoß zu senken, verkaufen.