Kein Ende in Sicht?
Merz rechnet mit langem Krieg in der Ukraine
27.05.2025, 14:24 Uhr
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Auch nach mehr als drei Jahren zeigt Kremlchef Putin wenig Verhandlungsbereitschaft. Kanzler Merz stellt sich daher darauf ein, dass der Westen Kiew noch länger unterstützen muss. Zugleich versucht er, seine jüngsten umstrittenen Äußerungen einzuordnen.
Angesichts der Weigerung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, unter Vermittlung des Vatikans über einen Waffenstillstand in der Ukraine zu verhandeln, warnt Kanzler Friedrich Merz vor einem langen Krieg. “Deswegen rechne ich damit, dass wir uns möglicherweise auf eine längere Dauer noch einzustellen haben, was aber an unserer Entschlossenheit, die Ukraine zu unterstützen, nichts ändert”, sagte Merz im finnischen Turku nach einem Treffen mit dem finnischen Ministerpräsidenten Petteri Orpo.
“Das heißt in der Konsequenz, … dass wir unsere Anstrengungen eher noch verstärken müssen, damit die Ukraine sich verteidigen kann.” Beide Politiker betonten die Notwendigkeit, die eigenen Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen.
“Russland hat sich verkalkuliert”, sagte Merz. Statt Europa zu spalten, sei die Geschlossenheit größer und die Nato durch den Beitritt Schwedens und Finnlands stärker geworden. Allerdings seien Angriffe auf Kabel oder Pipelines in der Ostsee eine Gefahr für alle, ebenso wie die russische Schattenflotte für Ölexporte durch die Ostsee, mit der westliche Sanktionen unterlaufen werden sollen.
Merz: “Beschrieben, was schon seit Monaten geschieht”
Bundeskanzler Friedrich Merz verteidigte auch seine jüngsten Äußerungen, wonach die Reichweitenbeschränkung für an die Ukraine gelieferte Waffen nicht mehr gelten. Das Thema habe “vor einigen Monaten und einigen Jahren mal eine Rolle gespielt”, so Merz in Turku. Die westlichen Länder hätten diese Auflagen aber längst aufgegeben. “Insofern habe ich gestern in Berlin etwas beschrieben, was schon seit Monaten geschieht.” Die Ukraine müsse auch das Recht haben, Waffen gegen militärische Ziele auf russischem Staatsgebiet einzusetzen.
Zuvor hatte es bereits in Regierungskreisen in Berlin geheißen, dass die Bemerkung von Merz nichts mit einer seit langem diskutierten möglichen Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine zu tun habe, die eine Reichweite von 500 Kilometern haben.
Vizekanzler und SPD-Chef Lars Klingbeil klang nach Merz’ Äußerungen vom Montag allerdings überrascht: “Was die Reichweite angeht, will ich noch sagen, da gibt es keine neue Verabredung, die über das hinausgeht, was die bisherige Regierung gemacht hat”, sagte er auf Nachfrage bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Merz’ Vorgänger Olaf Scholz hatte stets auf einer Beschränkung der Reichweite von deutschen Waffen beharrt. Zwar hatte er im vergangenen Jahr erlaubt, bei Charkiw Waffen wie den Mehrfachraketenwerfer Mars II gegen Stellungen auf russischem Territorium einzusetzen. Anders als wichtige Bündnispartner wie Großbritannien und Frankreich sprach er sich allerdings dagegen aus, die Einsatzbeschränkungen grundsätzlich aufzuheben.
Kritik aus der SPD
Aus der SPD hagelte es an diesem Dienstag auch Kritik an Merz. Der frühere SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich nannte im Deutschlandfunk die Reichweitenbegrenzung richtig. “Ich würde die Bundesregierung bitten, sich lieber an den diplomatischen Bemühungen zurzeit zu beteiligen.”
Ähnlich klang der SPD-Politiker Ralf Stegner. “Jedenfalls ist alles besser als Krieg und Leid. Und das sollten auch die bedenken, die über Ausweitung reden und die nur über Waffen reden, wie überhaupt die reine Militärlogik ja nicht zu dem Erfolg geführt hat, den man sich gewünscht hat”, sagte Stegner im Frühstart von ntv. “Putin ist nicht an den Verhandlungstisch gezwungen worden, militärisch. Und das geschieht auch nicht durch solche Diskussionen.”
Deutsche Waffen reichen nicht weit
Dabei dürfte Merz’ Ankündigung operativ zunächst ohnehin kaum Auswirkungen haben. Bisher hat Deutschland ohnehin nur wenige Waffen geliefert, mit denen die ukrainischen Streitkräfte russische Stellungen und Nachschublinien weit hinter der Frontlinie treffen können.
Der Raketenwerfer Mars II mit einer Reichweite von etwa 85 Kilometern und die Panzerhaubitze 2000 mit einer Reichweite von etwa 35 Kilometern sind die einzigen beiden Waffensysteme. Den Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite von 500 Kilometern, mit dem selbst Moskau erreicht werden könnte, hat Berlin bisher nicht geliefert.