Die Ukraine rechnet mit einer russischen Offensive auf die Grenzregion Sumy im Nordosten des Landes. Es werden jedoch Gegenmaßnahmen ergriffen. Der russische Verteidigungsminister gibt bekannt, dass die russischen Truppen an fast allen Frontabschnitten vorrücken.

Russland hat nach den Worten des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij 50.000 Soldaten für eine Offensive auf die Region Sumy im Nordosten der Ukraine zusammengezogen. Die Regierung in Kiew habe aber Schritte unternommen, um Russland an einer großangelegten Offensive dort zu hindern. Die russische Armee ihrerseits hat nach eigenen Angaben einen massiven ukrainischen Drohnenangriff abgewehrt.

„Ihre größten und stärksten Kräfte befinden sich derzeit an der Kursk-Front“, sagte Selenskij am Dienstag vor Journalisten laut einer am Mittwoch verbreiteten Erklärung. „Um unsere Truppen aus der Region Kursk zu verdrängen und Angriffsaktionen gegen die Region Sumy vorzubereiten.“ Sumy liegt gegenüber der russischen Oblast Kursk, wo ukrainische Truppen Anfang August eingerückt waren.

Trotz des Aufmarsches berichtete Selenskij, dass ukrainische Streitkräfte die russischen Truppen in dem Gebiet innerhalb von zwei Tagen um vier Kilometer zurückgedrängt hätten. Russland hat in der Region vor kurzem mindestens vier Grenzdörfer eingenommen und rückt seit mehreren Wochen an Teilen der Frontlinie in der Ostukraine nahe der Stadt Kostjantyniwka langsam vor. „Sie werden alles tun, um die Verwaltungsgrenze der Region Dnipro zu überschreiten. Sie wollen das tun. Bisher ist es ihnen nicht gelungen. Sie wollen Pokrowsk einnehmen, das tun sie auch. Die Regionen Luhansk und Donezk bleiben genau die strategischen Ziele, die von ihnen seit 2014 gesetzt wurden“, sagte Selenskij.

Moskau: Fortschritte an fast allen Frontabschnitten

Der russische Verteidigungsminister erklärte, dass die russischen Truppen an fast allen Frontabschnitten vorrücken. Die Regierung in Kiew ignoriere Russlands Bereitschaft, den Konflikt beizulegen, fügte Verteidigungsminister Andrej Beloussow hinzu. Beloussow warf der Nato vor, den Ukraine-Krieg für die Ausweitung ihrer Präsenz in Osteuropa sowie in den baltischen Staaten zu nutzen. Der Westen versuche weiter, Russland eine strategische Niederlage beizufügen, meinte er.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow kündigt weitere Verhandlungen mit der Ukraine an. Eine nächste direkte Gesprächsrunde werde in Kürze angesetzt, sagte Lawrow am Mittwoch auf einer internationalen Sicherheitskonferenz. Eine zentrale Forderung Russlands in Friedensverhandlungen bleibe, dass die Ukraine den Status eines neutralen Landes einnehme, betonte er.

Selenskij kündigte zudem an, am nächsten G7-Gipfel teilzunehmen, nachdem er eine Einladung vom kanadischen Premierminister Mark Carney erhalten habe, dessen Land derzeit die rotierende Präsidentschaft des Blocks innehat. Er werde wahrscheinlich auch am nächsten EU-Gipfel teilnehmen. Zur heimischen Waffenproduktion erklärte Selenskij, er benötige 30 Milliarden Dollar, um die verfügbaren Kapazitäten des schnell wachsenden Sektors vollständig zu finanzieren.

Russland: 296 Drohnen abgefangen

In der Nacht seien 296 Drohnen abgeschossen worden, erklärte das russische Verteidigungsministerium am Mittwoch in der Früh. 13 Regionen seien betroffen gewesen, in der Region Kirowohrad wurden Behördenangaben zufolge drei Menschen verletzt. Zwei Drohnenfabriken im Moskauer Umland seien getroffen worden. Ein Ziel lag demnach in der Stadt Selenograd am nordwestlichen Rand der Hauptstadt, wie der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin auf Telegram bestätigte.

Es gebe nach ersten Informationen keine Verletzten und keine großen Schäden. Russische Telegramkanäle berichteten, dass auch eine Drohnenfabrik in der Stadt Dubna etwa 80 Kilometer nördlich von Moskau getroffen wurde. Mindestens 42 Drohnen seien über der Region Moskau rund um die Hauptstadt abgefangen worden, erklärte der Regionalgouverneur Andrej Worobjow in Onlinenetzwerken. Auf den Moskauer Flughäfen Scheremetjewo, Wnukowo und Schukowski gab es Beschränkungen im Flugverkehr.

Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums war bei den jüngsten Drohnenangriffen vor allem die südwestliche Region Brjansk betroffen. Von dort wurden 59 Drohnenangriffe gemeldet. Weitere Drohnenangriffe richteten sich demnach gegen die Regionen Kursk, Belgorod, Tula, Orjol und Kaluga. Das Ministerium sprach am Dienstag von einer „Provokation“.

Kiew berichtet von 88 Drohnen

Der jüngste Angriff erfolgte, nachdem die Ukraine erklärt hatte, sie sei drei Tage lang den intensivsten russischen Drohnenangriffen seit Beginn der russischen Offensive im Jahr 2022 ausgesetzt gewesen. Nach Angaben aus Kiew überzog Russland die Ukraine am Wochenende sowie am Montag mit insgesamt mehr als 900 Drohnenangriffen. Bei den Angriffen am Sonntag wurden 13 Menschen getötet, darunter drei Kinder.

In der Nacht auf Mittwoch griffen die russischen Streitkräfte nach ukrainischen Angaben mit 88 Drohnen und fünf ballistischen Raketen an. 34 Drohnen seien von der Flugabwehr abgeschossen worden, teilte die ukrainische Luftwaffe mit. Weitere 37 Drohnen seien durch den Einsatz von Störsendern verloren gegangen oder hätten keine Sprengsätze getragen.

Bei einem russischen Angriff auf die zentralukrainische Region Kirowohrad wurden nach Angaben des dortigen Gouverneurs drei Menschen verletzt. Ein Industrieunternehmen in der Stadt Switlowodsk sei beschossen worden, teilte Andrij Raikowytsch auf Telegram mit. Ein Feuer sei ausgebrochen, das inzwischen eingedämmt sei. Bei dem Angriff seien zudem 76 Privathäuser und ein neunstöckiges Wohngebäude beschädigt worden. 1.400 Einwohnerinnen und Einwohner seien ohne Strom gewesen. (APA/Reuters/dpa/Ukrinform)

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