Bundeskanzler Friedrich Merz schließt eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine nicht aus. „Natürlich ist das im Bereich des Möglichen“, sagte der CDU-Vorsitzende im ZDF-„heute journal“ auf eine entsprechende Frage.

Merz verwies zugleich darauf, dass dies eine mehrmonatige Ausbildung von Soldaten in der Ukraine erfordern würde. Wenn man das System in einem halben oder einem Jahr liefern würde, nütze es der Ukraine heute nichts, betonte Merz. Deshalb verbessere man die militärische Unterstützung des Landes heute. 

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Merz und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatten sich zuvor in Berlin im Kanzleramt getroffen. Der Bundeskanzler sicherte dem von Russland angegriffenen Land dabei die fortwährende Unterstützung zu, solange dies notwendig sei.

Beide Länder vereinbarten eine gemeinsame Produktion weitreichender Waffen. In den ARD-„Tagesthemen“ sagte Merz dazu: „Die Ukraine wird Woche zu Woche besser dastehen auch in ihrer Fähigkeit, sich selbst zu verteidigen.“

Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter kritisierte die deutsch-ukrainische Vereinbarung für die Entwicklung von Langstreckenwaffen als unzureichend. Es handele sich um „ein langfristiges Projekt“, das dem von Russland angegriffenen Land kurzfristig nicht helfe, sagte Kiesewetter der „Rheinischen Post“ vom Donnerstag. Wichtiger wäre es demnach gewesen, „weitreichende Präzisionssysteme“ wie den Marschflugkörper Taurus an die Ukraine zu liefern.

„Deutschland ist auch in diesem Bereich wieder sehr spät“, sagte Kiesewetter zu der Hilfe bei der Herstellung weitreichender Waffensysteme. „Denn andere europäische Länder wie etwa Dänemark haben wesentlich früher intensive Rüstungskooperationen mit der ukrainischen Industrie abgeschlossen.“

Die Linkspartei im Bundestag kritisierte die Zusammenarbeit bei Langstreckenwaffen. Seine Partei sehe diese „mit großer Sorge“, erklärte Fraktionschef Sören Pellmann. Deutschland werde durch die Vereinbarung „immer mehr in den Konflikt und das neue Wettrüsten“ verwickelt.

„Noch mehr Waffen“ könnten zudem den Ukraine-Konflikt nicht lösen. Pellmann forderte einen Fokus auf Diplomatie mit Blick auf Friedensverhandlungen.

Gemeinsame Waffenproduktion mit Ukraine soll zügig starten

Die Bundesregierung sagte der Ukraine am Mittwoch weitere militärische Unterstützung in Höhe von fünf Milliarden Euro zu. Die Finanzierung erfolgt durch Mittel, die der Bundestag bereits bewilligt hat, wie das Bundesverteidigungsministerium am Mittwoch in Berlin mitteilte.

Wolodymyr Selenskyj (l.), Präsident der Ukraine, und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gaben am Mittwoch im Bundeskanzleramt in Berlin eine Pressekonferenz.

© dpa/Kay Nietfeld

„Wir werden unsere militärische Unterstützung fortsetzen und sie ausbauen“, sagte Merz auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Selenskyj. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) traf sich zudem mit seinem ukrainischen Kollegen Rustem Umerow.

Die Ukraine könnte nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums schon in Kürze erste gemeinsam mit Deutschland beschaffte weitreichende Waffen nutzen. Noch in diesem Jahr könne eine erhebliche Stückzahl produziert werden, teilte das Ministerium in Berlin mit. „Die ersten dieser Systeme können in den ukrainischen Streitkräften bereits in wenigen Wochen zum Einsatz kommen“, hieß es.

Die Waffensysteme seien bereits in den ukrainischen Streitkräften eingeführt. Es bedürfe also keiner zusätzlichen Ausbildung. Um welchen Typ Waffensystem es sich handelt, ging aus der Mitteilung nicht hervor. Die Bundesregierung hatte angekündigt, über Details der Waffenhilfe für die Ukraine nicht mehr öffentlich zu berichten.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums sieht die Vereinbarung eine Finanzierung der Produktion solcher Waffen in der Ukraine vor. Merz hatte von einer Zusammenarbeit auch auf industrieller Ebene gesprochen, die sowohl in der Ukraine als auch in Deutschland stattfinden könne.

Zugesagt wurde dem von Russland angegriffenen Land laut der Mitteilung auch eine weitere Unterstützung mit Munition und anderen Waffen sowie Hilfe bei der Instandsetzung, dem Erhalt der Satellitenkommunikation und der Versorgung mit medizinischer Ausrüstung.

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Selenskyj sagte in Berlin auf die Frage von Journalisten, ob die ukrainische Armee weiter Taurus benötige: „Was ihre Frage betrifft bezüglich weitreichender Waffen, die Deutschland herstellt oder auch andere Länder herstellen – natürlich brauchen wir das, natürlich werden wir dieses Thema diskutieren.“

Merz schloss in der Pressekonferenz eine Nutzung der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 für Gaslieferungen aus Russland aus. Seine Regierung werde „alles tun, damit Nord Stream 2 eben nicht wieder in Betrieb genommen werden kann“, sagte er. Angesichts der massiven Angriffe Russlands auf die Ukraine werde Deutschland „den Druck auf Russland weiter erhöhen“.

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Ziel müsse es sein, „die Kriegsmaschine Moskaus zu schwächen“, sagte Merz. Gleichzeitig gehe es aber auch darum, „den Weg für Verhandlungen“ über eine Waffenruhe zu öffnen.

Kreml nennt Merz’ Ankündigung „sehr unverantwortlich“

Russland reagiert verärgert auf Merz’ Ankündigung, wonach Deutschland gemeinsam mit der Ukraine weitreichende Waffensysteme entwickeln wird. Dies sei „sehr unverantwortlich“ und stelle eine weitere Provokation dar, teilt der Kreml mit.

Merz provoziere mit seinen Äußerungen die Weiterführung des Kriegs, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. „Das ist nichts anderes als der Versuch, die Ukrainer dazu zu zwingen, weiterzukämpfen“, sagte er. Berlin torpediere damit auch die Bemühungen, eine diplomatische Lösung für den Konflikt zu finden.

Die Regierungen von Deutschland und der Ukraine sollen laut Merz noch in diesem Jahr zu gemeinsamen Regierungskonsultationen zusammenkommen. Die deutsche und die ukrainische Gesellschaft, aber auch die Regierungen seien sich durch den Krieg nähergekommen. Die Minister der Bundesregierung arbeiteten heute eng mit den ukrainischen Kolleginnen und Kollegen zusammen.

„Das wollen wir weiter ausbauen. Und deshalb werden wir gegen Jahresende erstmals seit sehr vielen Jahren wieder deutsch-ukrainische Regierungskonsultationen haben“, sagte Merz. Regierungskonsultationen sind offizielle Treffen der Regierungen zweier Staaten, bei denen nicht nur die Regierungschefs, sondern auch die Minister beider Kabinette zusammenkommen.

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Selenskyj war am Mittag im Bundeskanzleramt mit rotem Teppich und militärischen Ehren begrüßt worden. Am Nachmittag soll er zudem mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu einem Gespräch im Schloss Bellevue zusammenkommen.

Mehrere Medien hatten zuvor bereits über den Besuch berichtet. Aus Sicherheitserwägungen werden seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Auslandsreisen Selenskyjs im Vorfeld kaum kommuniziert. Das ukrainische Staatsoberhaupt war zuletzt im Juni und Oktober 2024 in Berlin.

Mehr zum Ukraine-Krieg Selenskyj ist in der Hauptstadt Straßen dicht, Großeinsatz – am Mittwoch ist Berlin eine Hochsicherheitszone Grüne fordern Taurus-Lieferung „Machen Sie es einfach, Herr Merz!“ Angeblich 50.000 Soldaten für Ablenkungsmission Russland bereitet offenbar Sommeroffensive in der Ukraine vor

Merz hatte am Montag mit der Aussage, es gebe „keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr“ für an die Ukraine gelieferte Waffen, die Diskussion um eine mögliche Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern neu entfacht, die über 500 Kilometer weit fliegen können. Merz verwies dabei auf entsprechende Absprachen mit europäischen Verbündeten und den USA. Merz hatte sich vor seinem Amtsantritt als Kanzler klar für eine Taurus-Lieferung an die Ukraine ausgesprochen. (dpa/AFP/Reuters/Tsp)