Chang’an gilt als der modernste staatseigene Automobilhersteller Chinas. Und doch dürfte die geplante Eroberung der westlichen Märkte kein Spaziergang werden. Grund dafür sind auch die hohen Preise der Pkw.

Der chinesische Automobilhersteller Chang’an Automobile präsentiert am 21. März 2025 in Mainz seinen Elektro-SUV Deepal E07, der voraussichtlich Ende des ersten Quartals 2026 auf den europäischen Markt kommen wird.
Der chinesische Automobilhersteller Chang’an Automobile präsentiert am 21. März 2025 in Mainz seinen Elektro-SUV Deepal E07, der voraussichtlich Ende des ersten Quartals 2026 auf den europäischen Markt kommen wird.

Christoph Steitz / Reuters

Wie so oft, wenn chinesische Konzerne sich daranmachen, ihre Unternehmensstrategie neu auszurichten, geben sie ihrem Vorhaben erst einmal einen griffigen Namen wie zum Beispiel «Plan des grossen Ozeans». So nennt Zhu Huarong, Chairman des Autoherstellers Chang’an, seine Ambitionen zur Eroberung ausländischer Märkte.

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Dreh- und Angelpunkt der Internationalisierung des Geschäfts soll der Eintritt in den hart umkämpften europäischen Markt werden. Im März stellte Chang’an in München dazu seine drei Marken Chang’an, Deepal und Avatr vor. Insgesamt präsentierte das Unternehmen aus Chongqing (Zentralchina) dem Publikum neun Modelle, darunter mehrere Hybrid- und Elektrofahrzeuge.

«Die Erschliessung des europäischen Marktes ist von wesentlicher Bedeutung für die globale Strategie unseres Unternehmens», sagte Zhu anlässlich des Launch-Events. Bislang ist die Präsenz des Konzerns in Europa allerdings noch äusserst bescheiden. So unterhält Chang’an lediglich ein Design-Center in Turin und ein Forschungs- und Entwicklungszentrum in München.

1000 Verkaufs- und Service-Niederlassungen

Geht es nach dem Chairman Zhu soll sich das in den kommenden Jahren allerdings ändern. So soll in Grossbritannien ein weiterer Forschungs-und Entwicklungsstandort entstehen. Darüber hinaus will der Konzern in Europa rund 1000 Verkaufs- und Service-Niederlassungen aus dem Boden stampfen. Was fehlt, ist eine Fabrik.

Anders als in Schwellen- und Entwicklungsländern ist der Aufbau einer Fertigung in Märkten wie Europa nicht einfach. Schon viele Unternehmen aus dem Reich der Mitte haben sich an aufwendigen Genehmigungsverfahren und einer komplexen Sozialgesetzgebung die Zähne ausgebissen.

So wird Chang’an seine Autos fürs Erste nach Europa exportieren. Den Anfang soll noch im laufenden Quartal das Modell Deepal S07, ein sportlicher Mittelklassewagen, machen. Das Auto soll als reines Elektrofahrzeug und als Hybridfahrzeug erhältlich sein. In der zweiten Jahreshälfte wollen die Chinesen das Elektroauto Deepal S05 an den Start schicken.

Partnerschaften in Norwegen, Portugal und den Niederlanden

Um den Verkauf voranzutreiben, hat Chang’an in Norwegen, Portugal und Griechenland Partnerschaften mit Händlern gegründet. In Deutschland, den Niederlanden und Grossbritannien will das Unternehmen ein eigenes Händlernetz aufziehen. So sollen in Grossbritannien bis Ende Jahr 60 Showrooms entstehen.

Doch der Verkauf wird mit grosser Wahrscheinlichkeit zunächst schleppend anlaufen. Zum einen erhebt die Europäische Union auf Elektrofahrzeuge aus China Zölle in Höhe von bis zu 45 Prozent.

Zum anderen dürften die hohen Preise der Fahrzeuge die Europäer abschrecken. So soll der Deepal S07 in Norwegen, Deutschland, den Niederlanden und Dänemark für 45 000 Euro in den Handel kommen.

Während Chang’an bei der Erschliessung der europäischen Märkte noch am Anfang steht, hat der Konzern in anderen Teilen der Welt in den vergangenen Jahren beeindruckende Fortschritte gemacht.

Saudiarabien ist einer der wichtigsten Märkte

So hat Chang’an im Nahen Osten und in Zentralafrika eine bedeutende Präsenz etabliert. In den vergangenen Jahren konnte das Unternehmen dort mehr als 400 000 Fahrzeuge verkaufen. Zu einem der wichtigsten Märkte hat sich Saudiarabien entwickelt.

Doch die Chinesen wollen mehr und nehmen jetzt auch Südostasien ins Visier. Vor wenigen Wochen nahm Chang’an in Rayong bei Bangkok eine Fertigung in Betrieb. Das Werk verfügt über eine Kapazität für die Produktion von bis zu 100 000 Fahrzeugen pro Jahr, nach der zweiten Ausbaustufe sollen es bis zu 200 000 sein.

Beim Absatz ist Chang’an in den vergangenen Jahren gut vorangekommen. Verkaufte der Konzern 2022 noch gut 2,3 Millionen Fahrzeuge, waren es im vergangenen Jahr bereits knapp 2,7 Millionen. Der Absatz im Ausland verdreifachte sich zwischen 2022 und 2024 auf 536 000 Einheiten.

Dem Chairman Zhu reicht das aber noch nicht. Geht es nach ihm, verkauft Chang’an 2030 fünf Millionen Autos, einen Drittel davon im Ausland.

Design aus Italien

Das überzeugende Design, das klar die Handschrift der Italiener in Turin trägt, und die hochwertige Ausstattung der Fahrzeuge dürften Chang’an in den kommenden Jahren sicherlich Rückenwind verleihen. Unter Branchenexperten gilt das Unternehmen aus Chongqing als modernster staatlicher Autohersteller.

Chang’an blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 1862 in der Nähe von Schanghai als Hersteller von Rüstungsgütern. Ende des neunzehnten Jahrhunderts war das Unternehmen einer der grössten Waffenhersteller Chinas. Mit dem Ausbruch des Kriegs gegen die Japaner verlegte die Regierung die Fertigung ins sichere Landesinnere nach Chongqing.

1984 stieg das Unternehmen in die Fertigung von Autos ein. Im Rahmen einer Partnerschaft mit der Suzuki Motor Corporation produzierte Chang’an Kleinwagen und Motoren. Später arbeitete das Unternehmen unter anderem mit Mazda und Ford zusammen.

Die grösste Automobilfabrik Chinas

Heute ist das Zentrum von Chang’an Chongqing, eine Elf-Millionen-Einwohner-Stadt in Zentralchina und nach Schanghai und Guangzhou der drittwichtigste Standort der chinesischen Automobilindustrie. Dort unterhält der Konzern eine moderne Fertigung mit einer jährlichen Produktionskapazität von einer Million Fahrzeugen, die grösste Automobilfabrik Chinas.

Während der vergangenen Jahre hat Chang’an die Fabriken umfassend modernisiert. Statt Arbeitern fertigen rund 480 Roboter die Pkw. Diese kommen von dem ehemals deutschen Hersteller Kuka, der 2016 von dem chinesischen Midea-Konzern übernommen wurde.

Will Chang’an in Europa wirklich Erfolg haben, wird das Unternehmen aber wohl nicht umhinkommen, auch dort eine Fertigung aufzubauen, ähnlich wie es der Konkurrent BYD derzeit tut.