Voraussichtlich Anfang 2026 wird Bulgarien den Euro einführen. Das kommt der EU angesichts des Konflikts mit Russland gelegen. Zumal sich wirtschaftlich starke EU-Länder mit dem Euro schwertun.

Laut der EU-Kommission ist Bulgarien wirtschaftlich reif für den Euro.
Laut der EU-Kommission ist Bulgarien wirtschaftlich reif für den Euro.

Christian Ohde / Imago

Die Einheitswährung Euro soll zwar eine Art Beschleuniger der europäischen Einheit sein, doch diese Wirkung hat er jüngst kaum entfaltet. In den vergangenen Jahren haben lediglich Leichtgewichte den Euro übernommen, so Litauen 2015 und Kroatien 2023.

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Auch das nächste Land, das der Euro-Zone beitreten wird, fällt in diese Kategorie: Bulgarien darf und wird wohl die Einheitswährung am 1. Januar 2026 als 21. Land einführen. Die EU-Kommission hat am Mittwoch den Mitgliedsstaaten vorgeschlagen, Bulgarien zu akzeptieren. Konvergenzberichte der Kommission und der Europäischen Zentralbank hätten ergeben, dass Bulgarien reif für die Einheitswährung sei.

Dafür musste das Land einige Kriterien erfüllen. Die Inflation beispielsweise darf höchstens 1,5 Prozent über dem Wert liegen, den die drei besten EU-Länder erreichen. Weitere Voraussetzungen beziehen sich auf das Zinsniveau, und gegen das interessierte Land darf kein Verfahren der EU wegen übermässiger Verschuldung laufen.

«Gratulation, Bulgarien!», meinte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch. Die Euphorie ist insofern berechtigt, als Bulgarien ursprünglich danach strebte, den Euro 2009 einzuführen – und scheiterte. Die wirtschaftlichen Daten waren zu schlecht. Nun aber ist der Beitritt zur Euro-Zone zum Greifen nahe.

Bulgarien ist allerdings ein wirtschaftlicher Zwerg. Seine Wirtschaftsleistung (BIP) pro Kopf ist die niedrigste der EU und liegt bei bloss 64 Prozent des Durchschnitts aller EU-Länder.

Russlandfreundliche Kräfte sind gegen den Euro

Diese werden sich kaum gegen die Aufnahme Bulgariens aussprechen. Von der Leyen erachtet den Euro als «ein greifbares Symbol der europäischen Stärke und Einheit». Das dürften die EU-Länder ebenfalls so sehen. Zumal die angespannte Weltlage dafür spricht, Bulgarien näher an die EU zu binden.

Mindestens 25 der 27 EU-Länder erachten Russland als einen Feind, zu dem man die meisten Brücken abgebrochen hat. Gleichzeitig ist das Verhältnis zu den USA angespannt – mal mehr, mal weniger, je nach Tagesform von Präsident Donald Trump.

Die EU sucht angesichts solcher Unwägbarkeiten Verbündete. Ihre Bemühungen diesbezüglich waren jüngst offensichtlich. Dass Bulgarien die Aufnahmekriterien erfüllt, dürfte der Kommission daher gelegen kommen.

Bulgariens konservativer Ministerpräsident Rosen Scheljaskow setzt zwar auf Europa. In seiner Koalition gibt es aber auch Parteien, die finden, Bulgarien solle sich ebenfalls um gute Beziehungen zu Russland bemühen. Und in der Bevölkerung existieren ohnehin nationalistische und russlandfreundliche Strömungen.

Erst am vergangenen Samstag haben Tausende gegen die Einheitswährung demonstriert. Sie forderten «Freiheit für den bulgarischen Lew». Und am Mittwoch veranstaltete die russlandfreundliche und rechtsextreme Partei «Wiedergeburt» im bulgarischen Parlament einen Tumult. Es sei ein schwarzer Tag für Bulgarien, meinte der Parteichef. Der Kommissions-Entscheid vom Mittwoch dürfte das Lager der Europa-Freunde nun aber stärken.

Für Polen ist der Zloty ein nationales Symbol

Bulgarien wird wohl aber für einige Zeit das letzte Land sein, das den Euro einführt. Ausser ihm haben noch sechs EU-Länder eine eigene Währung. Sie müssen zwar den Euro ebenfalls übernehmen, falls sie die Bedingungen erfüllen, nur Dänemark hat hier eine Opt-out-Klausel. Doch die EU wird sie kaum je dazu zwingen.

Die sechs Länder wollen vom Euro entweder nichts wissen oder ihre Wirtschaftslage ist so schlecht, dass sie die Aufnahmekriterien nicht erfüllen. Zur zweiten Kategorie zählen Ungarn und Rumänien. Beide Länder leiden unter hoher Inflation, und die Budgetdefizite sind so gross, dass die EU Verfahren gegen sie eröffnet hat. Rumänien ist mittlerweile geradezu ein Problemfall, den die Kommission am Mittwoch erneut eindringlich dazu aufgerufen hat, endlich das Defizit zu reduzieren.

Andere Länder wiederum versprechen sich vom Euro keine Vorteile oder verzichten aus nationalem Stolz auf ihn. In Polen, einem Schwergewicht der EU, erachtet der künftige Präsident Karol Nawrocki den Zloty als ein Symbol der Nation. Ministerpräsident Donald Tusk ist zwar ein überzeugter Europäer, aber nach den Präsidentschaftswahlen vom Sonntag geschwächt. Er wird in einer nebensächlichen Frage wie dem Euro kaum den Konflikt mit Nawrocki suchen.

Andere Länder haben ein rationales Verhältnis zu ihrer Währung, so die Tschechen. Dort sind viele vom Nutzen der Krone überzeugt. Man ist geldpolitisch unabhängig und kann rasch auf Fehlentwicklungen reagieren, wie das die Tschechische Notenbank (CNB) auch macht. Viel früher als die EZB hat sie ab 2021 begonnen, die aufkeimende Inflation mit Zinserhöhungen zu bekämpfen. Selbst die CNB hält die Währungsunion für unausgereift: Man wisse nicht, worauf man sich mit ihr einlasse, heisst es in einer Studie.

Grosse Zurückhaltung herrscht auch in der Bevölkerung. Laut dem jüngsten Eurobarometer sind nur 31 Prozent für die Einheitswährung. Beobachter erklären diese Skepsis mit der Furcht der Tschechen, finanziell taumelnden Euro-Ländern beistehen zu müssen.

Die Dänen schliesslich muss man schon gar nicht vom Euro zu überzeugen versuchen. Es wäre ein hoffnungsloses Unterfangen. Bevor die Regierung den Euro einführen könnte, müsste sie ein Referendum abhalten. Aber laut Eurobarometer sind bloss 28 Prozent für die Einheitswährung.