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Ein Dorf verschwindet unter Eis und Geröll – der Klimawandel zeigt in den Alpen längst seine zerstörerische Kraft. Kein Einzelfall.

Blatten – Ende Mai stürzten am Birchgletscher im Schweizer Kanton Wallis drei Millionen Kubikmeter Gestein und Eis ins Tal und begruben das zuvor evakuierte Dorf Blatten fast vollständig. Fachleute sehen den Klimawandel als entscheidenden Faktor für das Naturereignis. Auf dem Alpen-Klima-Gipfel 2025 diskutieren Experten nun über mögliche Anpassungen an die Erwärmung im Alpenraum. Die Zeit drängt.

Folgen des Klimawandels in den Alpen: Gletscher gehen zurück und fehlen als Stützen

Die Alpen geraten durch die Erderwärmung zunehmend aus dem Gleichgewicht. „Die Zunahme dieser alpinen Gefahren ist eine eindeutige Auswirkung des menschengemachten Klimawandels“, erklärt Tobias Hipp, Klimafachmann beim Deutschen Alpenverein, der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Mit Blick auf den jüngsten Gletscherabbruch in der Schweiz sagt der Experte: „Die Alpen sind durch die Erwärmung im Ungleichgewicht und werden instabil. Wir müssen davon ausgehen, dass diese Ereignisse weiter zunehmen.“

Ein Blick auf den Gletscherabbruch oberhalb des Dorfes Blatten. Ein großer Teil der Ortschaft (nicht im Bild) im Lötschental im Kanton Wallis wurde unter Massen von Eis, Schlamm und Felsen begraben.

Ein Blick auf den Gletscherabbruch oberhalb des Dorfes Blatten. Ein großer Teil der Ortschaft (nicht im Bild) im Lötschental im Kanton Wallis wurde unter Massen von Eis, Schlamm und Felsen begraben. © Cyril Zingaro/KEYSTONE/dpa

Laut Hipp werden sowohl große Bergstürze als auch kleinere Felsstürze durch ähnliche Prozesse ausgelöst, die der Klimawandel weiter verstärkt. Die Berge erwärmen sich, „wodurch der Permafrost im Inneren sie nicht mehr so gut zusammenhält. Auch der Rückgang der Gletscher spielt eine Rolle, weil die Gletscher einerseits nicht mehr als Stützen der benachbarten Felswände dienen, andererseits weil unter den Gletschern instabile Flächen frei werden, von denen Steinschlag oder Abrutschungen ausgehen können“, führt der Klimafachmann weiter aus.

Häufig kommen dann noch Extremwetterereignisse wie Starkregen oder Hitzewellen als Auslöser hinzu. Bergstürze lassen sich zwar oft überwachen, was rechtzeitige Warnungen möglich macht. So konnte das Dorf Blatten noch vor dem jüngsten Gletscherabbruch in der Schweiz evakuiert werden. Tobias Hipp warnt jedoch, dass solche Frühwarnungen nicht immer möglich sind und erinnert an den Bergsturz am Piz Cengalo im Jahr 2017, bei dem mehrere Menschen ums Leben kamen. Ein Restrisiko bleibt auch mit Gefahrenhinweisen: In Blatten wird seit dem Bergsturz noch immer ein 64-jähriger Mann vermisst.

Alpen im Wandel: Forschende fordern Zusammenarbeit über Länder- und Fachgrenzen hinweg

Die Geschwindigkeit des Wandels in den Alpen ist atemberaubend: Allein in den Jahren 2022 und 2023 verloren die Schweizer Gletscher Statistiken zufolge etwa zehn Prozent ihrer Masse. Zuvor hatte es für einen solchen Rückgang von 1960 bis 1990 gedauert. Um geeignete Anpassungsstrategien zu entwickeln, trafen sich am 4. und 5. Juni 2025 Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus verschiedenen Disziplinen zum zweiten Alpen-Klima-Gipfel (AKG) auf der Zugspitze. Das Motto: „Perspektiven für die alpine Welt im Wandel.“

Fachleute aus Bereichen wie Glaziologie, Meteorologie und Klimaforschung diskutierten bei dem Treffen über Themen wie Tourismus, Landwirtschaft, Wirtschaft, Gesundheit und Gesellschaft. Im Wesentlichen ging es darum, wie das Leben in den Alpen trotz Klimawandel weitergehen kann. Der Alpen-Klima-Gipfel setzte sich auch zum Ziel, konkrete Maßnahmen zu finden. Nachhaltige Tourismuskonzepte etwa oder eine widerstandsfähigere Landwirtschaft.

Hubert Siller, Leiter des MCI-Tourismus, plädierte für pragmatischen Optimismus: „Weitermachen wie bisher hat es in den Alpen noch nie gegeben – dieser Raum hat sich immer angepasst“, heißt es in einer AKG-Mitteilung dazu. Aus Expertensicht ist die Zusammenarbeit entscheidend, um die Herausforderung zu meistern: „Nur im Austausch über Fachgrenzen hinweg entstehen tragfähige Lösungsansätze“, betonte Andrea Fischer, die wissenschaftliche Leiterin des Gipfels. (bme/AFP/dpa)