17 NATO-Staaten und Partnerländer üben bei der maritimen Großübung Baltic Operations (BALTOPS). Geführt werden die Einheiten durch das CTF Baltic aus Rostock. Russland beobachtet das Geschehen genau.
Sieben Monate nach Indienststellung übernimmt der Stab Commander Task Force Baltic (CTF Baltic) die Führung der NATO-Übung Baltic Operations (BALTOPS). Rund 50 Kriegsschiffe, 25 Flugzeuge und etwa 9.000 Soldatinnen und Soldaten sind beteiligt. Ziel der seit 1972 durchgeführten Übung ist es, die Zusammenarbeit bei maritimen Operationen wie U-Boot-Abwehr, Minenräumung und Luftverteidigung zu verbessern.
Dass die Übung in der Ostsee erfolgt, ist von Bedeutung. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine kam es zu einer Vielzahl maritimer Ereignisse in der Region. Die Sabotage an Nord Stream 2 oder unlängst die Zerstörung des Unterwasserkabels Baltic Connector zeugen davon. Eine juristisch haltbare Attribuierung dieser Ereignisse gestaltet sich schwierig. Die Indizien weisen allerdings auf russisch-chinesische Beteiligung hin. Um dem zu begegnen, begann die NATO im Januar die Operation Baltic Sentry. Anspruch der Operation ist es, auffällige Schiffe im Gewässer zu beobachten und so zur Sicherheit der Kritischen Infrastruktur unter Wasser beizutragen. Das Ende der Operation ist auf Juli dieses Jahres terminiert. Ob sich eine Folgeoperation anschließen wird, ist noch unklar. Das Kommando Baltic Sentry als auch BALTOPS liegt beim CTF Baltic in Rostock.
Ein delikates Konstrukt
Bevor das CTF Baltic im vergangenen Jahr seinen Dienst aufnehmen konnte, mussten zunächst einige Hindernisse überwunden werden. Militärangehörige aus 13 Staaten kooperieren in Rostock. Dazu gehören die Ostseeanrainer, mit Frankreich, Italien und Großbritannien aber auch Staaten, die nicht unmittelbar an das Baltische Meer angrenzen. Bis zur Indienststellung galt es also, verschiedene Interessen abzustimmen. Das spiegelt sich im Aufbau und der Führungsstruktur wider.
CTF Baltic ist ein nationales Hauptquartier mit multinationaler Beteiligung. Es wird durch den deutschen Konteradmiral Stephan Haisch geführt. Die Position seines Stellvertreters wird zunächst mit einem polnischen Admiral besetzt, die des Chefs des Stabes mit einem schwedischen Stabsoffizier. Auch nachgeordnete Führungspositionen sind multinational besetzt. Größter Personalsteller im Hauptquartier in Rostock ist Deutschland. Etwa 60 Männer und Frauen aus der Bundesrepublik dienen im CTF Baltic. Darauf folgen Polen und Schweden, die jeweils zehn Soldatinnen und Soldaten für den Stab abstellen. Alle anderen Nationen sind mit ein bis zwei Personen vertreten. Hauptaufgabe des Kommandos ist das Zusammenführen und Bereitstellen von maritimen Lagebildern sowie die Führung von NATO-Operationen in der Region. Es gilt, die rund 2.000 Schiffe, die täglich durch die Ostsee kreuzen, zu identifizieren und zu attribuieren. Herausfordernd gestaltet sich dabei, dass die Mitgliedsstaaten technisch und organisatorisch unterschiedlich geartete Systeme zum Einsatz bringen. Alle Daten müssen jedoch in ein Lagebild zusammengeführt werden.
Über eigene Kräfte verfügt CTF Baltiv nicht. Es bringt die Kräfte zum Einsatz, die ihm von der NATO und ihren Mitgliedsstaaten zur Verfügung gestellt werden. Den Wunsch, das Kommando des CTF Baltic zu führen, erhob neben der Bundesrepublik auch Polen. Um beide Staaten zufriedenzustellen, wird das Kommando deshalb im Jahr 2028 von Deutschland nach Polen wechseln. Auch das Hauptquartier zieht dann von Rostock nach Polen um. Das ist keine Selbstverständlichkeit. In anderen regionalen NATO-Commands gelang es nicht, eine solche Einigung zu erzielen – so zum Beispiel im Schwarzen Meer.
Wie der Behörden Spiegel aus bundeswehrnahen Quellen erfahren hat, wird auch Russland eine maritime Präsenz während BALTOPS in der Ostsee aufrechterhalten. Einen Tag vor Übungsbeginn befanden sich 22 russische Einheiten in der Ostsee – insbesondere Aufklärungseinheiten.
Die Mär vom NATO-Meer
Ein Blick auf die Landkarte mag dazu verleiten, die strategische Bedeutung des Baltischen Meeres zu verkennen. Neun der zehn Anrainerstaaten sind NATO-Mitglieder und die Fläche von 412.500 Quadratkilometern scheint überschaubar. Diese Analyse ist jedoch verkürzt. Die Ostsee ist eines der am dichtesten befahrenen Meere der Welt und beherbergt umfassende Infrastruktur. Circa 70.000 Schiffe befahren sie im Jahr. Für viele ihrer Anrainerstaaten ist der Seeweg durch das Meer der wichtigste Zugang zu Ressourcen und Anknüpfpunkt an den internationalen Handel. Beispielsweise bezieht Finnland 70 Prozent der importierten Waren über den Seeweg.
Auch die relative Nähe der Ostsee-Staaten ist strategisch von Bedeutung. Die gesamte Ostsee ist permanent in Reichweite von in Kaliningrad oder Sankt Petersburg stationierten Flugkörpern. Ein Überschallflugkörper braucht von Kaliningrad nach Rostock etwa 20 Minuten.
Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Meerengen in der Ostsee. Das erlaubt zwar auf der einen Seite eine effiziente Überwachung, erleichtert aber auch Blockademöglichkeiten – zum Beispiel durch den Einsatz von Seeminen. Die tieferen Gewässer im Baltischen Meer erlauben wiederum den Einsatz von U-Booten. Entsprechend bedeutungsschwer fällt die Einordnung der Übung durch den Commander der Naval Striking and Support Forces der NATO, Vizeadmiral J.T. Anderson, aus. BALTOPS sei mehr als eine Übung. Sie verdeutliche die Fähigkeiten und maritime Stärke der Allianz.