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Der Konflikt Israel-Iran schwappt nach Europa über. Deutschland steht vor der Frage: Sicherheit, Energie, Migration – was droht uns? Die Auswirkungen.

Teheran/Berlin – Die jüngsten Angriffe Israels auf iranische Nuklear- und Militäreinrichtungen markieren eine neue Eskalation im ohnehin fragilen Machtgefüge des Nahen Ostens. Während sich die Lage stündlich zuspitzt, wächst die Sorge in Europa – insbesondere in Deutschland – vor einem regionalen Flächenbrand, der sich rasch auf Wirtschaft, Sicherheit und Gesellschaft auswirken könnte.

Israel greift Iran an: Wie sicher ist Deutschland in dem Konflikt – die Auswirkungen

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag (12. und 13. Juni) hat Israel in einer breit angelegten Militäraktion mehrere Nuklearstandorte, Raketenfabriken und Kommandozentralen im Iran bombardiert, darunter die bekannten Anlagen in Natanz, Isfahan, Tabriz, Arak und Kermanshah. Ziel des Angriffs, schreibt die New York Times, bei dem auch Wohngebäude in Mitleidenschaft gezogen worden sein könnten, war laut Premierminister Netanyahu, „Irans nukleare und ballistische Bedrohung langfristig zu neutralisieren“. Hochrangige iranische Militärs, darunter der Kommandeur der Revolutionsgarden und zwei führende Nuklearwissenschaftler, kamen bei den gezielten Schlägen ums Leben.

Die iranische Führung reagierte mit Ankündigungen „schwerster Vergeltung“. Der „Oberster Führer“ des Irans, Ali Chamenei Khamenei, warnte gemäß Al Jazeera, Israel habe „die blutige Hand zum Verbrechen erhoben“ und werde einen „bitteren Preis zahlen“. Die politische und militärische Führung in Teheran kündigte an, das gesamte Raketenarsenal bereitzustellen, US-Basen in der Region sowie israelische Städte ins Visier zu nehmen.

Laut tagesschau.de hat Israels Premierminister Netanjahu den deutschen Kanzler Friedrich Merz am Morgen nach dem Angriff persönlich über die getroffenen Ziele informiert. Auch Bundesaußenminister Johann Wadephul wurde unmittelbar von seinem israelischen Amtskollegen über die Operation in Kenntnis gesetzt. Gideon Saar, Israels Außenminister, betonte gegenüber Wadephul, die Entscheidung für den Angriff sei „in letzter Minute“ gefallen – nachdem alle diplomatischen Wege ausgeschöpft gewesen seien. Israel habe den Iran stoppen müssen

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Israelische Soldaten 2006, Geschichte des Krieges in Israel

Fotostrecke ansehenMilitärische Eskalation zwischen Israel und dem Iran – neues atomares Risiko für Europa?

Das Ausmaß der Eskalation ist auch deshalb brisant, weil der Iran in den letzten Jahren zum nuklearen Schwellenstaat aufgestiegen ist. Laut der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) reichert Teheran inzwischen Uran bis zu 60 Prozent an und besitzt mehr als 7.000 Kilogramm an Material, das in kurzer Zeit weiter angereichert werden könnte – genug für fünf bis sechs Atombomben. Die bisherige „Fatwa“ gegen Atomwaffen hat als Abschreckungsinstrument ausgedient, Teile der iranischen Führung sprechen offen von einer Änderung der Nukleardoktrin.

Mit seinem riesigen Arsenal – laut westlichen Geheimdiensten mehr als 3.000 ballistische Raketen und tausende Drohnen – kann der Iran heute das gesamte israelische Staatsgebiet, aber auch US-Stützpunkte am Golf und theoretisch sogar südosteuropäische Ziele erreichen. Raketen wie die Shahab-3 (2.000 km), die Sejil (2.500 km) und die Chorramschahr-2 (ebenfalls 2.000 km, mit 1.500-kg-Sprengkopf) stellen eine strategische Bedrohung dar, die im Falle weiterer Reichweitensteigerung auch Zentraleuropa in Gefahr bringen könnte, berichten das Portal World Day und die SWP.

Foto links: IMAGO / ZUMA Press Wire | Foto Mitte: IMAGO / Pacific Press Agency | Foto rechts: IMAGO / Wolfgang Maria Weber

Vom Machtzentrum des Irans rund um den „Obersten Führer“ Ali Chamenei über die Bedrohung durch Langstreckenraketen bis hin zu deutschen Spritpreisen: Der neue Konflikt zwischen dem Iran und Israel droht mit weltweiten Folgen und Risiken. Auch für Deutschland. © Ali Chamenei, Rakete und deutsche TankanzeigeMerz will deutsche Staatsbürger in Israel und im Iran schützen

Israels eigene atomare Fähigkeiten – Schätzungen zufolge zwischen 90 und 400 Nuklearsprengköpfen, verteilt auf Flugzeuge, U-Boote und ballistische Raketen – sind zwar offiziell nie bestätigt, gelten aber als gegeben. Ein Atomkrieg zwischen Jerusalem und Teheran hätte für Europa unabsehbare Folgen. Auch die Bundesregierung warnte daher am Freitag: „Die Gefahr einer militärischen Eskalation mit nuklearen Komponenten ist real und von beispielloser Tragweite.“

Bundeskanzler Friedrich Merz verwies explizit auf die „ernsthafte Bedrohung“, die das iranische Atomprogramm für den gesamten Nahen Osten darstellt. Merz warf Teheran erneut vor, seinen Verpflichtungen zur Offenlegung seiner Arbeiten an der Anreicherung von nuklearfähigem Material nicht nachzukommen und gegen den Atomwaffensperrvertrag zu verstoßen. Er kündigte an, dass Deutschland alle notwendigen Vorkehrungen treffen werde, um eigene Staatsbürger in Israel, Iran und der gesamten Region zu schützen. Zudem werde der Schutz jüdischer und israelischer Einrichtungen in Deutschland verstärkt. Die israelische Botschaft in Berlin bleibt vorerst geschlossen

Ölpreis-Explosion und Wirtschaftsschock: Was bedeutet der Iran-Israel-Konflikt für deutsche Verbraucher?

Die Folgen auf Deutschland und Europa sind in Anbetracht der jüngsten Angriffe bereits zu spüren: Schon die ersten Angriffe führten zu einem sprunghaften Anstieg des Ölpreises um mehr als neun Prozent. Analysten halten einen Anstieg um 30 bis 50 Prozent binnen einer Woche für möglich, falls die Straße von Hormus – eine der wichtigsten Handelsrouten für Öl und Gas weltweit – blockiert oder durch Raketenangriffe unpassierbar gemacht wird, berichten Radio Free Europe/Radio Liberty. Über diese Meerenge, so das Portal World Day, laufen etwa 21 Prozent des weltweiten Öltransports.

Für Deutschland und die EU hätte eine weitere „Ölpreis Explosion“ direkte Folgen: Kraftstoff, Heizung, Strom, Nahrungsmittel – alles würde sich verteuern. In einem ohnehin angespannten wirtschaftlichen Umfeld mit hoher Inflation könnten steigende Energiepreise sowohl die Industrie als auch Privathaushalte in Bedrängnis bringen. Auch der internationale Handel, etwa über den Suezkanal und das Mittelmeer, könnte durch militärische Zwischenfälle weiter gestört werden, wie die wiederholten Angriffe der Huthi-Milizen im Roten Meer gezeigt haben, konstatieren Euronews sowie Radio Free Europe/Radio Liberty.

Versicherer wie Lloyd’s of London haben bereits die Prämien für Frachtrouten im Nahen Osten vervierfacht. Der internationale Schock würde nicht nur Europa, sondern auch Länder wie China, Indien und die USA treffen, in Europa wäre Deutschland als Exportnation besonders verwundbar.

Straße von Hormus mit Schiffen

Nadelöhr der Weltwirtschaft: Durch die Straße von Hormus wird ein Fünftel des globalen Ölbedarfs transportiert. Jede Eskalation im Nahen Osten birgt die Gefahr einer Blockade dieses strategisch wichtigen Seewegs – mit drastischen Folgen für Energiepreise und Versorgungssicherheit in Europa und Deutschland. © X (Screenshot)/@hms_kentFlüchtlingsströme aus dem Iran – droht eine neue Migrationswelle Richtung Europa?

Neben den ökonomischen Folgen rückt ein weiteres Thema in den Fokus: die Gefahr massiver Flüchtlingsströme aus der Region. Der Iran beherbergt bereits mehr als vier Millionen afghanische Migranten und Flüchtlinge und hat ihnen nun eine Frist bis zum 6. Juli gesetzt, das Land zu verlassen, teilte jüngst das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit. Sollte es zu einer Eskalation kommen, könnten viele dieser Menschen versuchen, nach Europa weiterzuziehen. Die BAMF warnte in seiner Analyse, dass sowohl ein Krieg als auch eine politische Destabilisierung zu „massiven Fluchtbewegungen aus dem Iran und der gesamten Region“ führen könnten.

Bereits die Kriege in Syrien, Irak und jüngst in Gaza haben Millionen Menschen zu Binnenflüchtlingen gemacht. Die Zahl der syrischen, palästinensischen und irakischen Flüchtlinge in der Levante wird auf bis zu zehn Millionen geschätzt, heißt es in den Deutschen Wirtschaftsnachrichten. Im Falle eines Zusammenbruchs staatlicher Strukturen in Iran, Libanon oder Jordanien drohen neue Migrationswellen, deren Ziel nicht zuletzt Deutschland und andere zentraleuropäische Staaten wären.

Eskalation zwischen Israel und dem Iran: Deutschlands Risiken, Reaktionen und Auswirkungen

Israel greift iranische Atomanlagen und Militärziele an.Gefahr steigender Öl- und Gaspreise, mögliche Energiekrise.Iran droht mit massiven Vergeltungsangriffen und verfügt über ein großes Arsenal an Raketen.Bedrohung, wenn derzeit auch keine akute, durch Reichweite iranischer Raketen bis Europa.Internationale Aufrufe zur Deeskalation, u.a. von Bundesregierung, EU, UNO und IAEA.Politische und diplomatische Initiativen aus Deutschland und der EU, Sorge um neue Flüchtlingswellen.Gefährdung der internationalen Schifffahrt und weltweiter Handel durch mögliche Blockade der Straße von Hormus.Wirtschaftliche Risiken für deutsche und europäische Unternehmen, Anstieg von Versicherungsprämien und Transportkosten.Massive Zerstörungen und zivile Opfer im Iran, Gefahr radioaktiver Lecks.Humanitäre Krise und erhöhte Fluchtbewegungen aus Iran und Nahost möglichWaffenstillstand oder weitere Eskalation aktuell offen.Große Unsicherheit und hohe Alarmbereitschaft bei Behörden in Deutschland bzw. deutschen Behörden im Ausland.

Politische Reaktionen nach israelischem Angriff auf Teheran: Berlin zwischen Solidarität und Deeskalation

Die Bundesregierung hat auf die Krise mit einer Mischung aus Solidaritätsbekundungen für Israel und Warnungen vor weiterer Eskalation reagiert. Bundesaußenminister Johann Wadephul erklärte am Freitag, während eines Besuchs in Kairo, dass der Iran „nicht in den Besitz der Atomwaffe kommen“ darf. Das iranische Nuklearprogramm sei „eine Bedrohung für die ganze Region und insbesondere für Israel“. Im Sicherheitskabinett wurden derweil, so Reuters, Sofortmaßnahmen zum Schutz deutscher Staatsbürger im Nahen Osten sowie zur Sicherung jüdischer und israelischer Einrichtungen in Deutschland beschlossen.

Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warnte im Deutschlandfunk vor einer „großen Eskalationsgefahr“ und rief dazu auf, dass die Großmächte „so klug wie möglich deeskalierend wirken“.

Internationale Akteure mahnen gemäß tagesschau.de Zurückhaltung an: Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot betonte am Freitag das Recht Israels auf Verteidigung, forderte aber sofortige Deeskalation. Auch Großbritanniens Premier Starmer und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen rufen zur Mäßigung auf. NATO-Generalsekretär Mark Rutte bezeichnete den Angriff als „einseitige Aktion Israels“ und forderte die USA auf, ihren Einfluss geltend zu machen. Auch die Türkei und Saudi-Arabien kritisierten Israel scharf und sprachen von einem klaren Verstoß gegen das Völkerrecht. IAEA-Chef Rafael Grossi warnte, Atomanlagen „dürften niemals angegriffen werden“.

Israel und Iran im Krieg: Diplomatie unter Zeitdruck – letzte Chance für das „Snapback“-Instrument

Das internationale Atomabkommen mit dem Iran (JCPoA) ist praktisch gescheitert. Die EU sieht es als „entscheidende Sicherheitspriorität“ an, Iran an der Entwicklung von Nuklearwaffen zu hindern. Das schärfste Instrument ist der sogenannte „Snapback“-Mechanismus: Damit könnten die E3 (Deutschland, Frankreich, Großbritannien) umfassende UN-Sanktionen gegen Teheran wieder in Kraft setzen, auch ohne Zustimmung Russlands oder Chinas. Doch dieses Fenster schließt sich im Oktober 2025, wenn die entsprechende UN-Resolution ausläuft. Danach wäre das iranische Nuklearprogramm völkerrechtlich kaum mehr kontrollierbar – ein Dilemma für Europa und insbesondere Deutschland.

Die laufenden Atomgespräche unter Vermittlung Omans zwischen den USA und Iran verliefen zuletzt laut Beobachtern zäh und erfolglos, so die New York Times. Präsident Donald Trump betonte jüngst, dass die USA nicht an den Angriffen auf Iran beteiligt gewesen seien, Iran aber niemals eine Atomwaffe besitzen dürfe. Gleichzeitig wurden amerikanische Diplomaten aus mehreren Staaten des Nahen Ostens abgezogen, was als Signal für eine drohende weitere Eskalation verstanden wird.

Der Oman, als Vermittlerstaat, warnte, der nun erfolgte israelische Angriff gefährde die Sicherheit und Stabilität der Region und erschwere eine diplomatische Lösung. Die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar schlossen sich der Kritik an.

Was ist der Snapback-Mechanismus?

Der Snapback-Mechanismus, so die SWP Berlin, ist eine Regelung im internationalen Atomabkommen mit dem Iran (JCPoA), die es den europäischen Vertragspartnern (Deutschland, Frankreich, Großbritannien) ermöglicht, bei schweren Vertragsverletzungen durch den Iran alle zuvor aufgehobenen UNO-Sanktionen automatisch wieder in Kraft zu setzen – ohne dass andere Staaten wie Russland oder China dies durch ein Veto verhindern können.

Der Snapback-Prozess beginnt mit einem Streitschlichtungsverfahren. Wird innerhalb von etwa 65 Tagen keine Einigung erzielt, können die Sanktionen gegen Iran komplett zurückkehren, darunter Waffenembargos und Beschränkungen im Nuklearbereich. Ziel ist es, Druck auf Iran auszuüben und die Einhaltung der Vereinbarungen sicherzustellen.

Humanitäre Dimension und Aufgaben für Deutschland: Die Levante droht zu implodieren

Während sich der Fokus der Weltöffentlichkeit auf die militärische Konfrontation richtet, warnen Experten vor einer humanitären Katastrophe in der Levante. Schon jetzt gelten in Gaza laut Auswärtigem Amt rund 90 Prozent der Bevölkerung als Binnenflüchtlinge, konstatieren die Deutsche Wirtschaftsnachrichten. Auch im Westjordanland, im Libanon und in Syrien droht bei einem regionalen Flächenbrand ein Exodus. Die Türkei, Ägypten und Jordanien verstärken ihre Grenzschutzmaßnahmen, die EU sucht nach Notfallplänen für den Fall neuer Flüchtlingswellen.

Die deutsche Politik steht damit in den Augen vieler Beobachter vor einer doppelten Herausforderung: Neben diplomatischen und wirtschaftlichen Maßnahmen muss auch die nationale Sicherheit vorbereitet und gestärkt werden – vom EU-Grenzschutz über den Ausbau der Flüchtlingsaufnahme bis hin zu Maßnahmen gegen mögliche Terrorgefahren, die im Schatten eines etwaigen Atomkonflikts entstehen könnten.

Friedrich Merz früher: So sah der CDU-Chef vor 30 Jahren aus

Friedrich Merz 1999

Fotostrecke ansehenKonflikt zwischen Israel-Iran: Militärische Szenarien und ihre Gefahren

Die jüngsten Entwicklungen, worunter auch die vom Iran aufgefasste „Kriegserklärung“ fällt, zeigen, wie riskant der offene militärischer Schlagabtausch ist. Zwar verfügt Israel mit Systemen wie Iron Dome, Arrow und Davids Sling über weltweit einzigartige Raketenabwehrtechnologien, doch eine massierte Salve aus Tausenden Raketen und Drohnen – wie sie Iran in der Theorie einsetzen könnte – könnte selbst diese Verteidigungssysteme an ihre Grenzen bringen, mutmaßen unter anderem die Berliner Morgenpost und das Portal Israel Defense.

Gleichzeitig bleibt offen, ob ein Militärschlag die iranische Nuklearentwicklung tatsächlich stoppen kann – das nötige technische Know-how ist in Teheran längst vorhanden und könnte bei einem Angriff sogar dazu führen, dass der Iran endgültig aus dem Atomwaffensperrvertrag austritt. Die Gefahr eines Flächenbrands ist jedenfalls enorm: Iran kann nicht nur direkt angreifen, sondern auch über Verbündete und Stellvertreter in Libanon, Syrien, Irak oder Jemen.

Klar ist: Über den Ausgang des Konflikts entscheiden nicht Berlin oder Brüssel, sondern Teheran, Jerusalem, Washington und – als mögliche Destabilisatoren – Moskau und Peking. Die Bundesregierung mahnt daher zu maximaler Vorsicht und setzt alles daran, ein Szenario, in dem Deutschland und Europa von direkten oder indirekten Auswirkungen des Konflikts betroffen wäre, zu verhindern oder zumindest einzudämmen.