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Keller sichern und Vorräte horten: Der Katastrophenschutz will die Deutschen gegen einen möglichen russischen Angriff rüsten. Die Entwicklung zeigt, wie nötig das ist.
Der Ukraine-Krieg geht weiter, ein Ende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, wie brisante Geheimdienst-Infos zeigen: Putin strickt an Nato-Angriffsplänen. Ein Anzeichen dafür sei, dass Russland das Ende seines „einseitigen Moratoriums“ für landgestützte Raketen ankündigte, die nach dem INF-Vertrag verboten sind. Experten des Institute for the Study of War interpretieren dies als direkte Vorbereitung auf eine mögliche Nato-Attacke.
Besonders alarmierend sind die Geheimdienst-Informationen über Russlands massive Aufrüstung. Laut Nato-Generalsekretär Mark Rutte wird Russland im Jahr 2025 etwa 200 Iskander-Raketen, 1500 Panzer und 3000 gepanzerte Fahrzeuge produzieren. Diese Produktionskapazitäten werden durch die Zusammenarbeit mit China, Nordkorea und dem Iran verstärkt, wobei besonders Chinas Technologie Putin beim Wiederaufbau seiner Armee hilft.
Angst vor russischem Nato-Angriff – „Bedrohung ernst nehmen“: Deutsche sollen Vorräte anlegen
Nicht erst durch diese Entwicklung ist klar, dass sich Deutschland nicht nur militärisch auf einen möglichen Angriff von Wladimir Putin vorbereiten muss. Der Katastrophenschutz will auch die Bürger sensibilisieren und vorbereiten. „Russland wird nach allgemeiner Auffassung spätestens im Jahr 2029 in der Lage sein, Nato-Bündnisgebiete anzugreifen, vielleicht schon früher. Das ist eine neue Bedrohungslage, auf die wir reagieren müssen“, sagte der Vizepräsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BKK), René Funk, der Frankfurter Rundschau.
„Es ist festzustellen, dass dieses Thema noch nicht bei allen die notwendige Beachtung findet. Es ist aber wichtig, dass die Bevölkerung sich darüber im Klaren ist, denn nur, wenn ich die Bedrohung ernst nehme, kann ich auch richtig vorsorgen.“
Die Bevölkerung muss bis 2029 zivilschutzfähig sein“
In den Friedensjahren nach dem Kalten Krieg wurde auch im Bevölkerungsschutz abgerüstet. „Wir müssen nachholen, was in den vergangenen Jahren versäumt wurde. So wie das Militär sich besser aufstellt, müssen wir alle bis spätestens 2029 zivilschutzfähig sein“, sagt Funk. Flächendeckend neue Bunker zu bauen, wäre zu teuer. Allerdings gab es nach BKK-Angaben selbst auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges nur 2000 öffentliche Schutzräume in Deutschland, die zwei Prozent der Bevölkerung hätten aufnehmen können. „Genug Plätze hatten wir also auch damals mitnichten“, sagt Funk.
Statt Bunkern: U-Bahnen und Tiefgaragen sollen im Kriegsfall Schutzräume werden
Das BKK will darum jetzt Tunnel, U-Bahnhöfe und Tiefgaragen zu öffentlichen Zufluchtsräumen umgestalten und auch private Keller nutzen. „Wir müssen es schaffen, schnell realisierbare Schutzräume zu schaffen, die nah bei den Menschen sind. Unser Vorteil: Wir haben in Deutschland eine sehr gute Bausubstanz. Darum können wir zwei Dinge tun: erstens, öffentliche Zufluchtsorte zum Beispiel in U-Bahnen, Tiefgaragen oder Kellern von großen Bürogebäuden schaffen“, sagt Funk. Aber auch private Keller ließen sich umfunktionieren. „Hier kann sich jeder mit einfachen Mitteln aus dem Baumarkt vorbereiten, indem man beispielsweise Kellerfenster mit Sandsäcken oder Brettern sichert. Wichtig ist dabei auch, dass die Räume nicht zugestellt sind oder schnell freigeräumt werden können“, empfiehlt der Katastrophenschützer.

Vor 80 Jahren wurde Helgoland bombardiert – die Menschen suchten Schutz im Bunker (Archiv). © Marcus Brandt/dpa
Schutzräume zu definieren, die im Notfall jeder Bürger schnell erreichen kann, hat aber auch einen anderen Grund: „Mit den modernen Waffensystemen können Raketen auch Deutschland innerhalb von Minuten treffen. Darum brauchen wir den Schutz dort, vor Ort sich die Menschen aufhalten, nicht in großen Bunkeranlagen – das zeigt auch die Erfahrung aus der Ukraine und aus Israel“, sagt Funk.
Das BKK sei derzeit im Austausch mit den Ländern, um Schutzräume zu identifizieren. „Ziel ist es, dass sich die Bürgerinnen und Bürger am Ende dieses Prozesses zum Beispiel über eine App oder Website über den nächstgelegenen Schutzraum informieren können und dort auch hingeleitet werden“, sagt Funk. Wann es so weit sein wird, kann er allerdings noch nicht sagen.
Bedrohung durch Putin: Aufklärung ohne Panikmache
Wichtig ist es dem BKK, über Gefahren aufzuklären, ohne Panik zu verbreiten. „Die Vorbereitung auf eine Notfallsituation ist in jedem Fall sinnvoll, es geht ja nicht nur um Krieg, sondern auch um eine Zunahme von Extremwetterereignissen wie Hochwasserlagen“, sagt Funk. Er erinnert an Starkregen wie in Valencia im vergangenen Jahr, das Hochwasser im Ahrtal und den landesweiten Blackout in Spanien vor wenigen Wochen. „Wir müssen vorbereitet sein auf Situationen, in der sich das Leben von einer auf die andere Sekunde vollumfänglich ändert“, sagt der Katastrophenschützer.
Die EU empfiehlt jedem Haushalt, für solche Fälle Notvorräte für drei Tage zu lagern. Deutschland geht sogar noch weiter: Die offizielle Empfehlung hierzulande lautet, man solle bei einem Zusammenbruch der öffentlichen Versorgung zehn Tage überbrücken können. Das russische Nachbarland Finnland, das sich wegen der geografischen Nähe bereits viel intensiver auf einen russischen Angriffskrieg vorbereitet, hat die Empfehlung für seine Bürger auf 14 Tage erhöht. Aber wohin mit so vielen Wasserkanistern und Essenskonserven? „Wir wissen, dass das nicht in die Lebensrealität vieler Haushalte passt. Aber mindestens für drei Tage sollte jeder Vorsorge treffen. Das ist schon mit geringem finanziellem Aufwand möglich“, empfiehlt Funk.
Notfallvorrat für zehn Tage – Empfehlung vom Amt für Katastrophenschutz
– 1,5 bis zwei Liter Wasser pro Person pro Tag
– Haltbare Lebensmittel, die notfalls auch ohne Kochen verzehrt werden können, wie Müsli, H-Milch, Gemüse- und Fischkonserven, ggf. Baby- und Tiernahrung
– Stromunabhängige Kommunikations- und Lichtquelle wie ein batteriebetriebenes Radio, Kerzen, Taschenlampe, Bargeld
– Medikamente und Hygieneartikel
„Wenn plötzlich der Strom ausfällt, verändert sich das Leben schlagartig. Dann gibt es kein Benzin mehr, Verkehr und Kommunikation bricht zusammen, Sie können nicht mehr einkaufen und sitzen ohne Einkaufsmöglichkeit im Dunkeln.“ Darum solle jeder Deutsche diese Vorsorge sofort treffen – nicht nur für den Kriegsfall. „Vorsorge gibt Handlungssicherheit“, betont der Katastrophenschützer.
Das BKK will aufgrund der aktuellen Sicherheitslage im Sommer einen Notfallratgeber herausgeben, wie sich Privathaushalte vorbereiten können.