Iran kann den israelischen Kampfjets nichts mehr entgegensetzen. Tausende Zivilisten sind bereits aus Teheran geflohen. Vordergründig gibt sich die Führung des Landes standhaft – hinter den Kulissen macht sich allerdings Verzweiflung breit.

Nach einem israelischen Bombardement steigt Rauch über dem Sitz des staatlichen Fernsehsenders in Teheran auf.
Nach einem israelischen Bombardement steigt Rauch über dem Sitz des staatlichen Fernsehsenders in Teheran auf.

Getty

Der Himmel über Teheran ist fest in israelischer Hand. Am Montagnachmittag hat die israelische Armee gar zum ersten Mal einen Evakuierungsbefehl für Teile der iranischen Hauptstadt herausgegeben: Alle Bewohner des 3. Distrikts wurden aufgefordert, das Gebiet unverzüglich zu verlassen. Nur zwei Stunden später bombardierten Kampfjets in dem dichtbesiedelten Stadtteil den Sitz des staatlichen Fernsehsenders Irib. Dieser wurde laut der israelischen Armee für militärische Operationen genutzt. Ob es dabei Opfer gab, ist nicht bekannt. Zuvor hatte Israels Verteidigungsminister Israel Katz angedeutet, dass Irib das Ziel sein könnte: «Das iranische Sprachrohr für Propaganda und Hetze ist im Begriff, zu verschwinden.» Allerdings nahm der Sender wenig später die Berichterstattung wieder auf.

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Das iranische Staatsfernsehen muss seine Sendung während des israelischen Angriffs unterbrechen.

Irib

Schon in den vergangenen Tagen hatten Tausende Iranerinnen und Iraner Teheran fluchtartig verlassen, nachdem Israel immer wieder Ziele in der Stadt angegriffen hatte. Auf den Autobahnen entstanden teilweise kilometerlange Staus. Die staatliche Nachrichtenagentur Irna behauptete, diese seien auf technische Defekte von Autos zurückzuführen – von einer Massenflucht ist offiziell nicht die Rede. Auch sonst versucht die iranische Propaganda, Wehrhaftigkeit zu projizieren. Nach dem israelischen Evakuierungsbefehl für Teheran gaben die iranischen Revolutionswächter eine ähnliche Aufforderung für Tel Aviv heraus. Ein Sprecher des Aussenministeriums kündigte zudem an, dass ein Gesetz zum Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag vorbereitet werde.

Doch auch die martialische Rhetorik kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Iran immer stärker unter Druck gerät. Den feindlichen Kampfjets kann die Flugabwehr nichts mehr entgegensetzen. Seit Beginn der israelischen Angriffe sollen über 200 Menschen ums Leben gekommen sein. Die Liste der getöteten Generäle wird immer länger. Abgesehen von sporadischen Raketensalven auf Israel scheint das Teheraner Regime wie gelähmt zu sein. So drängt die iranische Führung offenbar hinter den Kulissen auf Verhandlungen.

Iran fordert Ende der israelischen Angriffe

Wie die Nachrichtenagentur Reuters und das amerikanische «Wall Street Journal» am Montag unabhängig voneinander berichteten, hat Iran über arabische Vermittler Mitteilungen an Israel und die USA geschickt, in denen es die Bereitschaft zu neuen Gesprächen über sein Atomprogramm signalisiert. Beide bezogen sich dabei auf anonyme Quellen im Nahen Osten. Ob es tatsächlich zu neuen Gesprächen kommt, ist offen. Israel hat bislang keine Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Und der iranische Aussenminister Abbas Araghchi teilte am Montag mit, dass die Rückkehr zur Diplomatie nur infrage käme, falls Israel seine Angriffe komplett einstelle. Er forderte Donald Trump auf, Druck auf Benjamin Netanyahu auszuüben.

Doch der amerikanische Präsident macht bis jetzt keine Anstalten, die Israeli zurückzubinden. Vielmehr sagte er am Montag, Iran solle sofort verhandeln, bevor es zu spät sei. «Iran gewinnt diesen Krieg nicht.» Gleichzeitig haben die USA laut Medienberichten damit begonnen, zusätzliche Tankflugzeuge für die Luftbetankung von Kampfjets in den Nahen Osten zu verlegen. Die Amerikaner scheinen sich damit zumindest auf die Möglichkeit einzustellen, selbst Luftangriffe auf Iran zu fliegen. Die Drohkulisse gegenüber Teheran wächst.

Derweil scheint Israel seine Angriffe weniger auf das iranische Nuklearprogramm zu fokussieren und vielmehr auf die militärische Infrastruktur des Erzfeindes sowie zentrale Institutionen und Symbole des Regimes. Neben der Attacke auf den Staatssender wurde laut israelischen Angaben am Montag auch das Hauptquartier der Kuds-Brigaden beschossen. Es handelt sich dabei um eine Eliteeinheit der Revolutionswächter, die insbesondere für Operationen im Ausland zuständig ist und auch das Netzwerk von proiranischen Milizen im Nahen Osten aufgebaut hat.

«Das müssen wir jetzt ertragen»

Doch auch wenn das iranische Regime zunehmend in die Ecke gedrängt wird, hat es nach wie vor die Fähigkeit, den jüdischen Staat empfindlich zu treffen. Zwar wurde eine Mehrheit der fast 400 ballistischen Raketen, die Iran bisher auf Israel abgefeuert hat, abgefangen. Doch immer wieder dringen einzelne Geschosse durch die Raketenabwehr und richten vor allem in Wohngebieten massive Zerstörungen an. Allein in der Nacht auf Montag wurden bei iranischen Raketenangriffen acht Israeli getötet und fast dreihundert verletzt.

Unter anderem wurden in der Stadt Petah Tikva zwei Menschen getötet, die in einem Schutzraum Zuflucht gesucht hatten. Doch auch der mit Stahl verstärkte Beton konnte sie gegen den direkten Treffer der mehrere hundert Kilo schweren Rakete nicht schützen. Auch im Zentrum der Mittelmeermetropole Tel Aviv kam es in der Nacht zu einem heftigen Einschlag, bei dem mehrere Menschen verletzt wurden. Am Montagmittag ist die Zerstörung schon von weitem zu sehen. Auf der Allenby-Strasse liegen geborstene Fensterscheiben verstreut. Wo einst Schaufenster waren, klaffen jetzt Löcher.

Nun besuchen Dutzende schaulustige Israeli den Ort, wo bis zum Vorabend noch ein Haus stand. Unter ihnen ist auch eine französischsprachige Familie. Die Mutter fragt ihren etwa vierjährigen Sohn, ob er wisse, was der Grund für all die Zerstörung sei. Als das Kind verneint, erklärt die Frau, dass es am Regime in Teheran liege. «Iran will uns vernichten – das müssen wir jetzt ertragen.»