Zehn Tage nach dem Amoklauf eines 21-Jährigen in einer Grazer Schule steht Österreich noch immer unter Schock. Während die Kirche in Gottesdiensten und vielfältigen Seelsorgeangeboten Trost zu vermitteln versucht, ringt die Politik um Worte wie um Lehren aus einer Bluttat, die Österreicher bisher nur aus Nachrichten aus Übersee kannten. Abgesehen von der oppositionellen FPÖ sind alle Parlamentsparteien jetzt für eine Verschärfung des Waffenrechts. Wie konnte, so fragt sich das Land, ein junger Erwachsener, der bei der Stellung (Musterung) für das Bundesheer als psychologisch untauglich eingestuft wurde, an Schusswaffen gelangen und so elf Menschen aus dem Leben reißen?
In Österreich muss man nur volljährig sein, um Schusswaffen der Kategorie C zu erwerben, also Büchsen und Flinten. Um Pistolen und Revolver zu kaufen, muss man eine Waffenbesitzkarte besitzen. Lediglich Maschinengewehre und Pumpguns sind verboten. Gleichwohl sind im Zentralen Waffenregister mehr als 1,5 Millionen Waffen eingetragen; 374.141 Personen besitzen legalerweise eine Waffe, und das bei einer Wohnbevölkerung von rund neun Millionen.
Mit dem Gewalt-Klima in der Gesellschaft befassen
Dass eine so laxe Regelung und derartige private Hochrüstung gefährlich ist, wird auch verstehen, wer nicht so weit geht wie die kommunistische Bürgermeisterin von Graz, Elke Kahr, die Schusswaffen gar nicht in privater Hand wissen und der Exekutive vorbehalten will. Die Regierung will den Besitz und das Führen von Schusswaffen nun deutlich strenger regeln, das Alterslimit anheben und die psychologischen Gutachten überarbeiten. Jäger und Sportschützen sollten damit kein Problem haben.
Doch wer US-Verhältnisse an europäischen Schulen verhindert will, muss tiefer ansetzen: Es genügt nicht, den Zugang zu todbringenden Waffen zu erschweren; es gilt auch todbringende Rachegedanken und Hassgefühle zu ergründen. Wer solche Taten verhindern will, wird nicht umhin kommen, sich mit dem Täter und dem Gewalt-Klima in der Gesellschaft zu befassen.
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