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Polens Chefdiplomat Sikorski erklärt: Kreml-Chef Wladimir-Putin wiederholt Fehler der UdSSR – und könnte damit sein eigenes Regime zu Fall bringen.
Warschau/Den Haag – Mit scharfen Worten hat Polens Außenminister Radoslaw Sikorski vor einer Entwicklung gewarnt, die den russischen Präsidenten Wladimir Putin sein Amt kosten könnte. In einem Interview sprach Sikorski am Rande des Nato-Gipfels in Den Haag über eine mögliche Wiederholung des sowjetischen Kollapses durch eine neu entfachte Rüstungsspirale – diesmal ausgelöst durch Putins Angriffskrieg in der Ukraine.
Nato-Außenminister sieht Weg zum Sturz von Putin
„Putin sollte verstehen, dass er sich auf dem Weg von [Sowjetführer Leonid] Breschnew befindet“, sagte Sikorski im Gespräch mit der AFP, der polnischen Nachrichtenagentur PAP und der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Er selbst hat einmal gesagt, dass die Sowjetunion zusammenbrach, weil sie zu viel für Rüstung ausgegeben hat – und jetzt tut er genau dasselbe“
Putin führe eine „sehr teure Krieg“, so Sikorski weiter. Die russische Aggression habe den Westen gezwungen, seine Verteidigungsausgaben massiv zu steigern. Für Russland, dessen Wirtschaft laut IWF ungefähr die Größe des Bundesstaats Texas erreicht, bedeute das eine finanzielle Überdehnung. „Putin wird gezwungen sein, noch mehr Mittel für die Verteidigung aus dem Budget herauszupressen. Wir hoffen, dass das Ergebnis für sein Regime dasselbe sein wird wie bei der Sowjetunion – nur schneller“.
Wladimir Putin früher: So stark hat sich der russische Präsident verändert

Fotostrecke ansehenNato-Gipfel in Den Haag beschließt historischen Rüstungsschub
Die Aussagen des polnischen Außenministers fallen in eine Phase wachsender militärischer Mobilisierung in Europa in Anbetracht des Ukraine-Kriegs. Auf dem Nato-Gipfel in Den Haag beschlossen die 32 Mitgliedsstaaten den größten Anstieg ihrer Verteidigungsausgaben seit Ende des Kalten Krieges. Das neue Ziel: fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2035 – davon 3,5 Prozent für reine Verteidigungsausgaben und weitere 1,5 Prozent für sicherheitsrelevante Infrastrukturprojekte.
Der Auslöser: Die fortgesetzte Invasion der Ukraine durch Russland. In der Abschlusserklärung des Gipfels hieß es, Russland stelle eine „langfristige Bedrohung für die euro-atlantische Sicherheit“ dar. Sikorski betonte: „Wir erhöhen unsere Ausgaben, weil Putin uns bedroht. Seine Aktionen haben den Westen nicht abgeschreckt, sondern gestärkt.“

Polens Außenminister Radoslaw Sikorski (links) warnt vor Putins Rüstungspolitik: Der Kremlchef treibe Russland in eine wirtschaftliche Überdehnung wie einst die Sowjetunion. © Foto links: IMAGO / NurPhoto | Foto rechts: IMAGO / ZUMA PressHistorische Parallele: Moskaus Überdehnung erinnert an die Sowjetära
Die Warnung des polnischen Außenministers stützt sich auch auf historische Analysen: Bereits in der Ära Breschnew (1964–1982) trieben hohe Militärausgaben die sowjetische Wirtschaft in die Stagnation. Die russische Ökonomin Julija Swyrydenko, so der Business Insider, sagte am Rande des Davos-Forums Anfang Januar: „Russlands Wirtschaft entwickelt sich zunehmend zu einer Kopie der Sowjetunion.“
Putin selbst hatte im Februar 2024 öffentlich eingeräumt, dass zwischen 1981 und 1988 die sowjetischen Militärausgaben 13 Prozent des BIP betrugen – mit verheerenden Folgen. Dennoch plant Russland laut eigenen Angaben für 2025 Ausgaben von 6,3 Prozent des BIP für Verteidigung, was 32,5 Prozent des Bundeshaushalts entspricht, berechnet der Business Insider.
Laut Daten des Thinktanks Stockholm International Peace Research Institute lagen die russischen Militärausgaben 2024 bei 149 Milliarden US-Dollar (ca. 127 Milliarden Euro) – rund sieben Prozent des russischen BIP und 19 Prozent aller Staatsausgaben.
Systemvergleich: UdSSR (1980er) vs. Russland (2024/25)
Quellen: Business Insider, Kyiv Post, Defense News, Foreign Policy, AFP, RUSI, GlobalSecurity.org.
Polen und Deutschland als neue Militärachse gegen Russland?
Besonders deutlich positioniert sich Polen. Das Land plant bereits für 2025 Verteidigungsausgaben in Höhe von 4,7 Prozent des BIP – ein Rekordwert im Bündnis. Im Folgejahr sollen diese noch steigen. Sikorski begrüßte in diesem Zusammenhang auch die Bemühungen Deutschlands, das bis 2029 die 3,5-Prozent-Marke bei den Kernverteidigungsausgaben erreichen will.
„Wir sind gute Verbündete, und wir müssen eine Art Kraft aufbauen, die niemanden erschreckt – aber Putin abschreckt“, so Sikorski. Ein besonderes Augenmerk liege auf der militärisch hochgerüsteten russischen Exklave Kaliningrad: „Ich sehe die Notwendigkeit, der russischen Raketendrohung aus Kaliningrad als eine dringende polnisch-deutsche Herausforderung zu begegnen.“
Wirtschaftsexperten warnen vor russischer Rezession – Putins Legitimität wankt
Indes deuten Wirtschaftsdaten aus Russland auf eine Verlangsamung hin. Während die Wirtschaft 2023 und 2024 durch Militärproduktion wuchs, zeigen die Zahlen für das erste Quartal 2025 Anzeichen für Stagnation oder gar Rezession, schreibt die Kyiv Post. Selbst Putin räumte jüngst auf dem Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg ein: „Ein wirtschaftlicher Abschwung darf unter keinen Umständen zugelassen werden.“
Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj kommentierte: „Die russische Wirtschaft bricht bereits zusammen. Wir werden diesen Prozess noch weiter unterstützen.“ Putin, so Selenskyj, könne sich bei seinen Freunden im Iran anschauen, wohin solche Regime am Ende führen.
Putins Regime in den Augen von Polens Außenminister unter Druck
Polens Außenminister Sikorski skizziert eine geopolitische Konstellation, die durchaus an das Ende der Sowjetunion erinnert: Ein autoritäres Regime, das sich wirtschaftlich übernimmt, international isoliert ist und innenpolitisch unter Druck steht. Während Europa seine Verteidigung konsolidiert und die Nato, von sporadischen Querschlägen von US-Präsident Donald Trump einmal abgesehen, geeint agiert, bleibt Russland in einer Zwangslage – wirtschaftlich wie strategisch.
Ob die Parallele zum Zusammenbruch der UdSSR tatsächlich zur Realität wird, bleibt offen. Doch der Weg, den Putin laut Sikorski beschreitet, ist „derselbe – nur diesmal schneller.“