Die Fronten zwischen Serbiens Regierung und den demonstrierenden Studenten sind zunehmend verhärtet. Jetzt kündigten die Regierungsgegner eine neue Strategie an, um vorgezogene Parlamentswahlen zu erzwingen.
In Belgrad haben am Abend erneut Zehntausende gegen die Regierung von Präsident Aleksandar Vucic protestiert. Zu der Massenkundgebung waren Menschen aus dem ganzen Land angereist. Am Slavija-Platz in der serbischen Hauptstadt schwenkten sie Europa- und serbische Landesflaggen. Viele hielten Schilder mit dem Namen ihrer Heimatstadt hoch. Zu Beginn sangen sie die Nationalhymne. Für die Opfer des tödlichen Bahnhofeinsturzes von Novi Sad im vergangenen November gab es eine 16-minütige Schweigeminute. Laut Behörden nahmen 36.000 Menschen an der Demonstration teil.
Der Protest am St. Veitstag (Vidovdan) hatte angesichts des wichtigen Gedenk- und Feiertags für Serbien besondere Symbolik. Darüber hinaus hatten die Studenten Präsident Vucic ein Ultimatum gestellt: Er solle am Samstag bis 21 Uhr vorgezogene Parlamentswahlen in die Wege leiten, sonst wolle die Studentenbewegung zu “zivilem Ungehorsam” aufrufen. Die Redner betonten, dass die Regierung unter Vucic abgewirtschaftet habe. Die Bevölkerung habe ein Recht darauf, auf demokratischem Weg eine neue Führung zu bestimmen. Doch bereits am Vortag hatte der Staatschef erklärt, den Forderungen nicht nachkommen zu wollen.
Vucic-Anhänger demonstrieren ebenfalls
Seit sieben Monaten blockieren Studenten in Serbien Fakultäten und organisierten wiederholt Massendemos. Als Auslöser gilt der Einsturz eines Bahnhofsvordachs im November vergangenen Jahres in Novi Sad, bei dem 16 Menschen ums Leben kamen. Zunächst ging es um die Unglücksursache, später richteten sich die vor allem von Studierenden getragenen Kundgebungen gegen die Regierung und die weit verbreitete Korruption im Land. Inzwischen werden bei den Protesten Neuwahlen gefordert. Laut Vucic finden die nächsten Parlamentswahlen frühestens Ende 2026 statt.
Parlamentspräsidentin Ana Brnabic bezeichnete das Vorgehen der Studenten als “Terror”. Vucic bezeichnete die Proteste zudem erneut als vom Ausland gesteuert: “Die ausländischen Mächte haben durch lokale Handlanger ein Ultimatum gestellt”, sagte er. Unweit der Großkundgebung der Studierenden auf einem großen Platz im Stadtzentrum versammelten sich am Samstag auch Tausende Unterstützer des Präsidenten. Vucic heizte die angespannte Lage mit Warnungen vor gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den beiden Lagern noch weiter an. Gegen Ende der Studentenproteste werde es zu “Gewalt kommen”, warnte der Präsident.
Vucic bestimmt seit 2012 in wechselnden Funktionen die Geschicke des Landes. Er kontrolliert die Medien sowie Justiz und Polizei. Oppositionelle werden von den Medien diffamiert, von staatlichen Institutionen eingeschüchtert und von Schlägertrupps tätlich angegriffen. Zuletzt erhöhte Vucic den Druck auf die Protestbewegung. Akteure und Sympathisanten wurden unter fadenscheinigen Vorwänden festgenommen, Universitätsmitarbeitern wurden die Gehälter drastisch gekürzt.