Früher ein sehr liberales Land, hat Dänemark seine Migrationsregeln seit Beginn des Jahrtausends sukzessive verschärft, ab der Flüchtlingswelle 2015 rasant. Die damals oppositionellen Sozialdemokraten zogen mit: Seit ihrer Wahl zur Vorsitzenden vor zehn Jahren hat Mette Frederiksen ihre Partei weit nach rechts verschoben. Wiederholt bezeichnete sie die Einwanderung aus nicht westlichen Ländern als Dänemarks „größte Herausforderung“. 2019 gewann sie die Parlamentswahl mit Ansagen wie dieser.
Während der dänischen Ratspräsidentschaft hofft sie nun, einen EU-Konsens über die Auslagerung von Asylverfahren außerhalb Europas und eine Einschränkung des Geltungsbereichs von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu erzielen. „Wir brauchen neue Lösungen, um den Zustrom nach Europa zu verringern und diejenigen, die kein Recht haben, in unseren Ländern zu bleiben, wirksam zurückzuschicken“, sagte Frederiksen.
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Frederiksen hat die dänische Sozialdemokratie weit nach rechts geführt
Die Migrationspolitik sei mit der Sicherheit verknüpft, sagte die dänische Europaministerin Marie Bjerre bei der Vorstellung der Prioritäten für die EU-Ratspräsidentschaft in der Vorwoche. „Das heißt, wir brauchen ein sichereres, stabileres und robusteres Europa, und das ist nicht wirklich der Fall, wenn wir die Ströme nach Europa nicht kontrollieren.“
Aufenthaltsgenehmigungen befristet
Flüchtlinge bekommen in Dänemark eine einjährige Aufenthaltsgenehmigung, die zwar verlängerbar ist. Sie werden aber dazu angehalten, in ihre Heimat zurückzukehren, sobald die Behörden der Meinung sind, dass sie keinen sicheren Zufluchtsort mehr benötigen. 2020 machte Dänemark Schlagzeilen, als es 200 Syrern die Aufenthaltsgenehmigungen entzog. Zur Begründung hieß es, dass die Lage in Damaskus so stabil sei, dass eine Rückkehr kein Risiko darstelle.
Im Mai schloss Dänemark sich acht weiteren europäischen Ländern, darunter Österreich, an, um eine Neuinterpretation der Europäischen Menschenrechtskonvention zu erreichen, die Änderungen der Migrationspolitik ermöglichen soll – etwa die Vereinfachung einer Ausweisung ausländischer Straftäter. „Wir wollen unser demokratisches Mandat nutzen, um eine neue und offene Diskussion über die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention zu starten“, heißt es in dem Schreiben. „Wir müssen das richtige Gleichgewicht wiederherstellen.“
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Asylwerber, die nicht freiwillig Dänemark verlassen und nicht abgeschoben werden können, landen meist in Ausreisezentren
Bei Wettbewerbsfähigkeit in Weltelite
Verteidigung und Sicherheit sowie Wettbewerbsfähigkeit zählen zu weiteren Prioritäten der dänischen Präsidentschaft, die unter dem Motto „Ein starkes Europa in einer sich verändernden Welt“ steht. Der ökologische Wandel gehe dabei „Hand in Hand“ mit dem Aufbau eines sichereren und wettbewerbsfähigeren Europas.
Punkto Wettbewerbsfähigkeit kann Europa von Dänemark durchaus etwas lernen. Im jüngst veröffentlichten „World Competitiveness Report“ des Lausanner International Institute for Management Development (IMD) belegte Dänemark als das beste europäische Land Rang vier – Österreich zum Vergleich landete auf Platz 26.
„Vernunft, Problembewusstsein und Mut“
Auch was wirtschaftliche Entwicklung und Regierungseffizienz betrifft, sollte sich Österreich an Dänemark orientieren, forderte jüngst die Industriellenvereinigung (IV). Von „Vernunft, Problembewusstsein und Mut auf allen Ebenen dort kann man sich viel abschauen“, sagte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.
Dänemark habe in den vergangenen zwei Jahrzehnten seine Verwaltung neu gegliedert und seither die Staatsausgabenquote deutlich gesenkt, von über 58 Prozent auf 46,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Österreichs Ausgabenquote liegt bei mehr als 52 Prozent des BIP. Im Jahr 2024 hat das Wachstum des realen BIP in Dänemark der Onlineplattform Statista zufolge rund 3,7 Prozent betragen, für heuer werden rund 2,9 Prozent prognostiziert. In Österreich könnte es 2025 knapp gelingen, dass dritte Rezessionsjahr in Folge zu vermeiden.
Große Herausforderungen
In vielen Punkten also ist Dänemark ein Vorzeigeland innerhalb der EU, einfach wird die Ratspräsidentschaft aber mit Sicherheit nicht. Große Herausforderungen dürften vor allem die anhaltende ungarische Blockade der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine sowie der europäische Zusammenhalt im Zollstreit mit den USA werden. Streit droht darüber hinaus beim Thema Geld, weil in den nächsten Monaten die Gespräche über den langfristigen EU-Haushalt von 2028 bis Ende 2034 beginnen sollen.