Diese Jazz-Musik lässt sich in keine Schublade zwängen: Beim Festival „Jazz à Vienne“, bei dem dieses Jahr Luxemburg Ehrengast ist, spielte unter anderem auch das luxemburgische Trio „Dock in Absolute“. Der Auftritt am Donnerstag um Mitternacht dort hat ganz bestimmt nicht nur einen musikalischen Eindruck hinterlassen, sondern war für das Trio vielleicht strategisch ganz wichtig. Denn in Vienne trifft Kunst auch auf Business. Nachts spielt die Musik, tagsüber aber arbeitet das Netzwerk. Es entstehen Begegnungen, von denen am Ende auch Tourneen durch Europa, nach Asien und Amerika ihren Ausgang nehmen.
Jazz ist für mich Musik, in der man improvisieren darf und auch muss.
Jean-Philippe Koch
Dock in Absolute
Der Name der Band ist schon Programm. Jean-Philippe Koch (Klavier), David Kintziger (Bass) und Victor Kraus (Schlagzeug) docken an viele Stile an – Jazz, Klassik, Rock, Pop – und lösen sie zugleich in einem einzigen, unverwechselbaren Klangkörper auf. Ihre Musik beginnt oft leise, fast minimalistisch, bevor sie sich zu dichten, kraftvollen Klanglandschaften entfaltet. Mal lyrisch, mal eruptiv, aber immer mit Tiefgang.
Video: Marc Thill / Schnitt: Jil Reale
„Jazz ist für mich Musik, in der man improvisieren darf und auch muss“, sagt Jean-Philippe Koch. Doch „Dock In Absolute“ ist kein klassisches Jazz-Trio mit offener Form. Vielmehr arbeitet die Band mit klaren Strukturen, innerhalb derer dann auch mal improvisiert wird. Die Soli sind beweglich, Intros und Outros offen, der Rest ist präzise arrangiert. Dieses Konzept lässt aber dennoch Raum für Emotionen und kippt auch nie ins Beliebige.
Ein kollektiver Prozess, bei dem jeder seine Stimme einbringt
Die Kompositionen entstehen dabei oft am Klavier, intuitiv und stimmungsgeleitet. „Ich setze mich einfach hin, improvisiere, und irgendwann ergibt sich ein Thema“, sagt Jean-Philippe Koch vor dem Konzert. Und er pocht darauf: „Ich arbeite nicht alleine.“ Aus einer ursprünglichen Keimzelle entwickelt das Trio gemeinsam seine Stücke. Es ist ein kollektiver Prozess, bei dem jeder seine Stimme einbringt. Der Bass übernimmt nicht selten melodische Linien, das Schlagzeug akzentuiert und erzählt auch mit.
Und das Publikum sagt uns nicht selten, es sei in diesen 50 Minuten unseres Konzertes auf eine Reise gegangen.
David Kintziger
Dock in Absolute
Mit ihrem dritten Album „[Re]Flekt“ haben „Dock in Absolute“ 2023 einen neuen Reifegrad erreicht. Der Sound ist dichter und reicher geworden, die Musik bleibt aber zugänglich. Sie ist, wie Victor Kraus erzählt, auch sehr filmisch und sinnlich. „Unsere Vibes gehen direkt ins Herz“, fügt Bassist David Kintziger hinzu. „Und das Publikum sagt uns nicht selten, es sei in diesen 50 Minuten unseres Konzertes auf eine Reise gegangen.“
Speed-Meetings statt E-Mails
Auch „Dock in Absolute“ reist viel – von Tokio bis Taipeh: Am 11. Juli spielen sie beim Bulgaria Jazz&Art Festival in Troyan, Mitte August beim Festival Fontenay Jazz, im September beim Festival Terneuzen in den Niederlanden und im Oktober in Taipeh im Taiwan. Das Trio ist also auf großen Bühnen der Welt unterwegs, die Musiker betonen aber auch ihre Luxemburger Wurzeln. Die Einladung nach Vienne verdanken sie unter anderem dem luxemburgischen Kulturförderprogramm Kultur: LX, das gezielt internationale Auftritte für heimische Künstler sucht.
In der brütenden Hitze des Theaters François Ponsard hat sich der nächtliche Jazz-Club von „Jazz à Vienne“ eingenistet. Dort spielte auch das Luxemburger Trio Dock in Absolute. Foto: Nicolas Tourencheau
Der Besuch bei „Jazz à Vienne“ war für „Dock In Absolute“ weit mehr als nur ein Auftritt. Die sogenannten Speed-Meetings – kurze Gespräche mit Programmverantwortlichen großer Festivals – waren ein wichtiger Teil der Reise. „Wenn man einem Booker persönlich ein Album überreicht, bleibt man in Erinnerung“, erklärt Koch. „Das ist besser, als unter 5.000 E-Mails unterzugehen oder darauf zu warten, dass man über Google entdeckt wird.“
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Denn so poetisch die Musik dieser drei Künstler auch klingt, der Weg dorthin ist harte Arbeit. Reisen, Proben, Investitionen, das ist der unsichtbare Teil des Eisberges; die Auftritte und Alben der sichtbare. „Aber wenn man auf der Bühne steht, und das Publikum ist wie aus dem Häuschen, dann weiß man, warum man das tut“, sagt Jean-Philippe Koch. Man komponiert und spielt genau für diese Momente, für diesen Austausch mit dem Publikum, für das, was Musik auslösen kann. Das Publikum in der brütenden Hitze des Theaters François Ponsard, in dem sich der nächtliche Jazz-Club von „Jazz à Vienne“ eingerichtet hat, war auf jeden Fall von diesem Trio begeistert.
Das „Luxemburger Wort“ berichtet vor Ort vom Festival „Jazz à Vienne“. Die Reisekosten nach Vienne wurden zum Teil von Kultur:LX und zum Teil von Mediahuis Luxemburg übernommen.